# taz.de -- Linkspartei und SPD in Berlin: Das linke Dilemma | |
> Die Linkspartei steht blendend da. Doch ihr Erfolg hängt auch von der SPD | |
> ab. Und deren Kurs ist nach dem Ja für die Groko auf Bundesebene | |
> nebulöser denn je. | |
Bild: Wohin geht die Reise? Linksfraktionschef Udo Wolf und Bausenatorin Lompsc… | |
Für die Berliner SPD steht die Groko bereits seit Freitag. Da stand im | |
Bundesrat eine Abstimmung über den Familiennachzug von Geflüchteten an. | |
Eigentlich will Rot-Rot-Grün diesen erleichtern, so steht es explizit im | |
Koalitionsvertrag. Eigentlich hätte das Land deswegen dafür stimmen müssen, | |
den Nachzug – anders als von der Groko im Bund beschlossen –, nicht weiter | |
auszusetzen. Doch die Hauptstadt-SPD konnte sich dazu nicht durchringen. | |
Und Berlin enthielt sich bei der Abstimmung, was bei den Koalitionspartnern | |
auf Empörung stieß. | |
Das Taktieren der Berliner Sozialdemokraten um Partei- und Regierungschef | |
Michael Müller war keine gute Vorlage für die Klausur der 27-köpfigen | |
Berliner Linksfraktion am Freitag und Samstag im brandenburgischen | |
Rheinsberg. Dort ging es um die Positionen der Linken in den wichtigen | |
Themenbereichen Innen- und Wohnungspolitik, aber natürlich auch um die Lage | |
in der Koalition, 15 Monate nach dem Start. | |
Wie verlässlich ist der Partner SPD noch, wenn er im Bund wieder mit der | |
CDU regiert? Die Sozialdemokraten, obwohl nur am zweiten Tag in Person von | |
Innensenator Andreas Geisel real anwesend, waren so irgendwie immer mit im | |
Tagungsraum. | |
Die Kommentare zur Bundesratsabstimmung fielen jedenfalls eindeutig aus: | |
Von „vorauseilendem Gehorsam“ sprach Fraktionschef Udo Wolf. Und die linke | |
Sozialsenatorin Elke Breitenbach nannte das Verhalten der SPD eine „bittere | |
Erfahrung“: „Eine Gemeinsamkeit, die wir letztes Jahr noch hatten, ist | |
damit verlorengegangen.“ | |
Diese Einschätzung darf man ruhig verallgemeinern. „Anfangs dachten wir, | |
dass unser Problem in der Koalition die Grünen wären. Aber mit denen kann | |
man einiges bewegen“, sagte Fraktionschef Wolf. „Aber unser Problem ist die | |
SPD, vielmehr die beiden SPDs.“ Womit er die Parteien auf Berliner und | |
Bundesebene meinte. Die Sozialdemokraten wüssten nicht, wo sie hinwollten. | |
Was auch am ungeklärten Verhältnis der beiden Parteien untereinander liegt. | |
Die Linke konnte sich in der Koalition bislang profilieren: Ihre drei | |
Senatoren machen prägende Arbeit, Kultursenator Klaus Lederer gilt in | |
Umfragen als der beliebteste Politiker der Stadt. Quasi als Dank der Wähler | |
hat die Partei die SPD in einer Anfang der Woche veröffentlichten Umfrage | |
auch auf Landesebene überflügelt, nachdem sie bereits bei der | |
Bundestagswahl im September stärker abschnitten als die Sozialdemokraten. | |
Die Groko im Bund werde das Regieren in Berlin in vielen Punkten nicht | |
einfacher machen, ist sich Wolf dann auch sicher. „Wir werden den | |
Koalitionspartner immer wieder fordern müssen, lautstark gegen die | |
Bundesregierung Politik zu machen.“ | |
Das sei auch wichtig, weil der bundespolitische Diskurs durch die | |
bundesweite Stärke der AfD reaktionärer geworden sei. Rot-Rot-Grün müsse | |
mit seiner Agenda gegen Abschottung und gegen Mainstream hier | |
dagegenhalten. Damit eine politische Alternative „überhaupt nur denkbar | |
bleibt, hat Rot-Rot-Grün einen Wert an sich“, sagte der Abgeordnete Tobias | |
Schulze. Wobei dieser Satz auch viel über die Leidensfähigkeit der Linken | |
und die angespannte Atmosphäre in der Koalition aussagt. | |
Drei Jahre hat Rot-Rot-Grün nun noch Zeit, die Wähler zu überzeugen. Dafür | |
müssen Erfolge her, die – so der Konsens auf der Klausur – eine linke | |
Handschrift zeigen müssen. Etwa in der Wohnungspolitik. Auch da setzt die | |
SPD den Koalitionspartner unter Druck: Zuletzt hatte die SPD-Fraktion | |
kollektiv der linken Bausenatorin Katrin Lompscher schwere Versäumnisse | |
beim Neubau vorgeworfen. „Die Neubaufrage hat uns unserer eigenen | |
Positionen beraubt“, kritisierte denn auch Andrej Holm, früherer | |
Kurzzeit-Staatssekretär und jetziger Berater der Fraktion. | |
Um aus der Defensive herauszukommen, schlug er vor, die Argumentation | |
umzudrehen und erst zu klären, was gebaut werden müsse. „Wir brauchen eine | |
soziale Ausrichtung der Stadtentwicklung.“ Sozialsenatorin Breitenbach | |
unterstützte das: „Wir entwickeln große Wohngebiete, aber niemand macht | |
sich einen Kopf, wo dort etwa demente Menschen, eine Tagespflege oder | |
Beratungsstellen unterkommen.“ Es gehe nur um Kitas und Schulen, aber kaum | |
um barrierefreies Wohnen. Darüber denke niemand nach. Doch: „Diese Stadt | |
ist nicht nur hip und jung, sondern bunt und vielfältig.“ | |
## Aufbruchssignal für R2G? | |
Einen noch schwereren Stand hat die Linke in Sachen Innenpolitik – denn | |
dort stellt die SPD den Senator. Dennoch erhofft sich Fraktionschef Wolf | |
von der in wenigen Wochen anstehenden Besetzung der neuen | |
Polizeipräsidentin ein „Aufbruchssignal für Rot-Rot-Grün“. Allerdings | |
entscheidet Geisel diese Personalie allein. | |
Die Linke forderte von dem anwesenden Senator mehr Tempo bei Reformen im | |
Polizeiapparat und bei der Einsatztaktik. „Wir müssen die | |
Kriminalitätsbekämpfung stärken, aber nicht durch härtere Maßnahmen“, | |
betonte Innenexperte Hakan Taş. Auch das sei im Koalitionsvertrag klar | |
geregelt. Deshalb müsse man auf die SPD einwirken, die immer wieder eine | |
härtere innenpolitische Linie fordere. Geisel ließ sich davon nicht beirren | |
und forderte Nachbesserungen. | |
Immerhin verkündete der Senator, dass er ebenso wie ein linker Abgeordneter | |
eine Bundesratsinitiative zur Entkriminalisierung des Schwarzfahrens „in | |
der Schublade“ habe. „Da haben wir uns doppelte Arbeit gemacht“, so Geise… | |
Er stellte aber gleichzeitig klar, dass sein Entwurf noch eine Weile dort | |
bleiben werde. „Ich muss erst noch meine Partei von dieser Position | |
überzeugen.“ | |
Nicht nur die Linke hat in dieser Koalition also ihre Schwierigkeiten mit | |
der SPD. | |
4 Mar 2018 | |
## AUTOREN | |
Bert Schulz | |
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