# taz.de -- Wohnungstausch in Berlin: Biete vier Zimmer, suche zwei | |
> Lange haben sich Gewobag und Co. gewehrt. Nun soll im Sommer eine | |
> Tauschbörse an den Start gehen. Beteiligt sind 300.000 Wohnungen der | |
> landeseigenen Gesellschaften. | |
Bild: Die landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften besitzen unter anderem viele … | |
Die Kinder sind aus dem Haus und die 4-Zimmer-Wohnung ist nun zu groß. | |
Warum nicht ab sofort in eine kleinere Wohnung ziehen? Oder die Kinder | |
kommen erst noch und die alte Wohnung ist zu klein? Warum nicht einfach | |
tauschen und eine größere Wohnung mieten? | |
Ein Wohnungstausch in Berlin wäre für viele Mieterinnen und Mieter | |
hilfreich. Das Problem dabei ist bislang: Wer einen Tauschpartner hat, muss | |
einen neuen Mietvertrag abschließen – und wenn der Vermieter dann noch | |
seinen Neuvermietungszuschlag draufpackt, ist die kleinere Wohnung, die | |
einem auch reichen würde, oft teurer als das bisherige größere Zuhause. | |
Zumindest bei den 300.000 landeseigenen Wohnungen soll das künftig anders | |
werden. Darauf haben sich Bausenatorin Katrin Lompscher (Linke) und die | |
sechs landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften geeinigt. | |
Wichtigster Punkt dabei ist, dass Howoge, Degewo, Stadt und Land, WBM, | |
Gewobag und Gesobau auf einen Neuvermietungszuschlag verzichten. | |
Stattdessen sollen die Mieterinnen und Mieter in die | |
Mietvertragskonditionen des Tauschpartners eintreten, verrät Lompschers | |
Sprecherin Katrin Dietl. Sie müssen also nur so viel Miete zahlen, wie auch | |
der Vormieter bezahlt hat. Die Tauschbörse, so Dietl, soll im Sommer | |
starten. | |
Am Verzicht auf den Neuvermietungszuschlag war die Idee eines umfassenden | |
Wohnungstauschs zwischen allen sechs Gesellschaften bisher gescheitert. Als | |
der damalige Bausenator Michael Müller 2011 einen ersten Anlauf unternahm, | |
blockten die landeseigenen Gesellschaften. 25 Millionen Euro | |
Einnahmeverluste errechneten sie damals. Müller gab nach. | |
Auch nach der jetzigen Einigung geben sich die Gesellschaften äußerst | |
wortkarg. Kein Kommentar hieß es sowohl bei der Howoge als auch der | |
Gewobag. Man möge sich an den Verband Berlin Brandenburgischer | |
Wohnungsunternehmen BBU wenden, der die Tauschbörse im Auftrag der | |
Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Wohnen koordiniert. | |
BBU-Sprecher David Eberhart erklärt die Zurückhaltung mit zahlreichen | |
Fragen, die noch offen seien. „Wir müssen zum Beispiel auch die neue | |
Datenschutzrichtlinie der EU einarbeiten“, so Eberhart gegenüber der taz. | |
Deshalb sei auch noch nicht geklärt, ob beim Wohnungstauschportal die | |
Tauschpartner untereinander Kontakt aufnehmen oder über einen Vertreter des | |
BBU oder einer Wohnungsbaugesellschaft. | |
Auch die Frage der Kosten, die auf die Gesellschaften zukommen, kann | |
Eberhart noch nicht beantworten: „Wir müssen erst einmal Erfahrungen | |
sammeln und dann sehen, wie man alles einpreist.“ Das betrifft auch die | |
Attraktivität der Tauschbörse. „Bislang haben wir 200 bis 300 | |
Wohnungstausche im Jahr“, so Eberhard. Diese finden ausschließlich | |
innerhalb der jeweiligen Gesellschaften statt. Wenn Tauschinteressenten nun | |
auch von der einen in eine andere Gesellschaft wechseln können, erhöht sich | |
das Angebot schlagartig. | |
Gleichwohl warnte Bausenatorin Lompscher bei einer Klausurtagung der | |
Linksfraktion Anfang März vor allzu hohen Erwartungen: „Man darf sich von | |
diesem Instrument nicht zu viel versprechen.“ | |
Dennoch ist die Tauschbörse für die Linke ein wichtiges Instrument. „Wer | |
umzieht, treibt den Mietspiegel nach oben“, sagte Katalin Gennburg, | |
stadtentwicklungspolitische Sprecherin der Linksfraktion, bei der Klausur | |
in Rheinsberg. „Die Börse ist deshalb auch ein Instrument, um den | |
Mietspiegelanstieg zu stoppen.“ Aber auch sie wollte damit „nicht das | |
Goldene vom Himmel versprechen“. | |
Die grüne Wohnungspolitikerin Katrin Schmidberger begrüßt die Tauschbörse | |
ebenfalls. „Das ist ein Schritt in die richtige Richtung“, so Schmidberger | |
zur taz. | |
Einen Nachteil könnte ein umfassender Tausch ohnehin haben. Je mehr der | |
300.000 Mietparteien der sechs landeseigenen Gesellschaften über den | |
Wohnungstausch eine passende neue Wohnung finden, desto weniger städtische | |
Wohnungen werden für Wohnungssuchende von außen frei. | |
Dabei ist im Koalitionsvertrag festgeschrieben, dass 60 Prozent der freien | |
Wohnungen an Wohnungssuchende mit einem Wohnberechtigungsschein gehen | |
sollen. Doch die Zahl der freiwerdenden Wohnungen ist mit fünf Prozent im | |
Jahr jetzt schon gering. Mit dem Wohnungstausch, so BBU-Sprecher Eberhart, | |
„könnten noch weniger freie Wohnungen auf den Markt kommen.“ | |
6 Apr 2018 | |
## AUTOREN | |
Uwe Rada | |
Bert Schulz | |
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