# taz.de -- Entgleiste Bürgerbeteiligung in Pankow: „Wir sehen die Ängste“ | |
> Nach dem Eklat bei der ersten Bürgerdebatte zum Riesenwohngebiet | |
> Blankenburger Süden gibt Senatorin Lompscher (Linkspartei) Fehler zu. | |
Bild: „Wir müssen den Prozess wieder einfangen“: Senatorin Lompscher, hier… | |
taz: Frau Lompscher, sind Sie mutig oder – mit Verlaub – wahnsinnig? | |
Katrin Lompscher: Wenn Berlin den Herausforderungen der wachsenden Stadt | |
gerecht werden will, dann werden wir alle mutiger werden müssen. | |
Bei der ersten [1][Bürgerbeteiligung zum Wohnungsbau] im Blankenburger | |
Süden am Samstag wollten Sie eigentlich mit Anwohnern diskutieren. | |
Stattdessen wurden Sie – sagen wir es vorsichtig – scharf kritisiert für | |
ihre bis dato unbekannten Pläne, statt 5.000 oder 6000 bis zu 10.600 | |
Wohnungen zu errichten. Wie kam es dazu? | |
Ausgang der Planungen für den Blankenburger Süden war immer eine | |
landeseigene, landwirtschaftlich genutzte Kernfläche mit einer Größe von 70 | |
Hektar. Darauf gibt es das Potenzial für bis zu 6.000 Wohnungen. | |
So weit, so bekannt. | |
Die Voraussetzung, um im Blankenburger Süden überhaupt ein größeres | |
Wohnungsbaupotenzial zu erschließen, ist die verkehrliche Anbindung. Um sie | |
zu realisieren, wurde ein größeres Untersuchungsgebiet betrachtet – mit | |
insgesamt 420 Hektar. Im Zusammenhang mit den städtebaulichen und | |
verkehrlichen Untersuchungen sind so weitere Wohnungsbaupotenziale in den | |
Blick geraten. | |
Das hat aber offensichtlich außer Ihnen niemand mitbekommen. | |
Niemand ist in diesem Zusammenhang nicht richtig, aber offenbar zu wenige. | |
Wichtig ist mir: Am Samstagabend haben wir zum ersten Mal mögliche | |
Entwicklungsalternativen dargestellt. Das war der Auftakt der | |
Bürgerbeteiligung, nicht deren Abschluss. | |
Nicht einmal Pankows Bürgermeister Sören Benn, ein Parteifreund von Ihnen, | |
war eingeweiht. | |
Er ist Mitglied des Projektbeirats und wurde ein paar Tage vor der | |
Veranstaltung informiert. Und hat – was ich richtig finde – diese | |
kurzfristige Information auch kritisch in der Öffentlichkeit dargestellt. | |
Benn hat deutlich gemacht, was nicht passieren wird: Dass nämlich nichts | |
passiert. Aber er hat auch deutlich gemacht, dass bevor dort ein Bagger | |
rollt für den Bau von Wohnungen, erst die verkehrlichen und | |
infrastrukturellen Probleme im Pankower Norden gelöst werden müssen. In | |
diesem Punkt sind wir uns einig. | |
Rund 700 Bürger waren bei der Auftaktveranstaltung. Die konnten sich doch | |
gar nicht richtig vorbereiten auf die Debatte, wenn sie urplötzlich mit | |
ganz anderen Dimensionen des Projekts konfrontiert werden. Jetzt hagelt es | |
böse Kommentare im Internetforum des Senats. Verstehen Sie, dass die Bürger | |
sauer sind? | |
Ja, das ich verstehe absolut. Die Weiterentwicklung der Planung wurde | |
schlicht nicht kommuniziert. Für die meisten war es so oder so eine | |
Neuigkeit. Aber alle, die sich vorher mit dem Thema beschäftigt haben, | |
hätten mitgenommen werden müssen. | |
Wer hat das nicht kommuniziert? | |
Das prüfen wir gerade. Aber klar ist, der Fehler ist auf unserer Seite | |
passiert. | |
Sie gestehen selbst Fehler ein? | |
Selbstverständlich. | |
Sie bekommen jetzt auch Dresche aus der SPD. Ist das nicht absurd, | |
schließlich hat die SPD Sie [2][immer wieder kritisiert], dass Sie zu wenig | |
Neubau anschieben würden. | |
Mir geht´s hier nicht darum, ob ich Gegenwind bekomme oder nicht. Wenn wir | |
Bürgerbeteiligung ernst nehmen und die Herausforderungen der wachsenden | |
Stadt bewältigen wollen, dann müssen wir frühzeitig kommunizieren. Den | |
richtigen Zeitpunkt dafür zu finden, ist nicht ganz ohne: Wenn ich zu früh | |
dran bin, schaffe ich möglicherweise Verunsicherung und schrecke Leute auf, | |
indem wir über Themen reden, die vielleicht erst in 20 Jahren realisiert | |
werden. Wenn ich zu spät kommuniziere, wird mir zu Recht vorgeworfen, es | |
sei ja schon alles entschieden. Was den Blankenburger Süden angeht, sind | |
wir in einem sehr frühen Stadium. | |
Ich habe aber nach der Kritik aus der SPD gefragt: der Pankower Abgeordnete | |
Dennis Buchner spricht von einem völlig überdimensionierten Projekt. | |
Die Kritik eines Abgeordneten ist keine Generalkritik durch „die“ SPD. | |
Zumal hier nur die gleiche Überraschung geäußert wurde wie von vielen | |
anderen. Ich kann diese Kritik nachvollziehen. Damit muss man jetzt sehr | |
ernsthaft umgehen. Wir müssen für Berlins strategische Entwicklung – es | |
geht hier ja um ein mittel- und langfristiges Projekt – Räume erschließen, | |
um für das künftige Wachstum gewappnet zu sein. | |
Wollen Sie wieder auf die Pankower Bürger zugehen? | |
Ja, das ist doch völlig klar. Mit dem Auftakt ist der Diskurs eröffnet und | |
nicht beendet. Wir werden die Debatte fortsetzen. Und wir alle haben | |
wahrgenommen, welche Ängste und Verunsicherungen bestehen. Darauf werden | |
wir reagieren. | |
Sie haben als Senatorin immer die Bedeutung des Bürgerdialogs betont. Sehen | |
Sie Ihre Glaubwürdigkeit durch den Verlauf am Samstagabend beschädigt? | |
Wir müssen den Prozess wieder einfangen. Wir können die Stadt nicht gegen | |
den Willen der Leute entwickeln, wir können sie auch nicht ohne die Leute | |
entwickeln, wir können sie auch nicht entwickeln, ohne dass es jemand | |
merkt. Wir müssen solche Prozesse und Projekte gemeinsam immer weiter | |
verbessern. | |
Die von Bürgern vehement bekämpfte Bebauung der Elisabeth-Aue ebenfalls im | |
Pankower Norden mit geplanten knapp 5.000 Wohnungen haben Linke und Grüne | |
in den Koalitionsverhandlungen gekippt mit dem Argument, die verkehrliche | |
Anbindung sei schlecht und es würde zuviel Naturraum vernichtet. Auch diese | |
Entscheidung wirkt vor dem Hintergrund von Samstagabend reichlich seltsam. | |
Die Koalitionsverhandlungen haben damals elf neue Stadtquartiere bestätigt | |
und eines nicht: das war die Elisabeth-Aue. Der Blankenburger Süden gehört | |
zu den elf bestätigten Quartieren. Und allen Verantwortlichen ist klar: | |
Wenn wir die Verkehrsprobleme vorher nicht entschärfen, wird dieses | |
Stadtquartier nicht gebaut werden können. | |
7 Mar 2018 | |
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## AUTOREN | |
Bert Schulz | |
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