# taz.de -- Plädoyer der Nebenklage im NSU-Prozess: Die Überlebenden | |
> Der NSU-Prozess neigt sich dem Ende zu. Nun sprechen die Angehörigen der | |
> Opfer und ihre Anwälte. Es ist die bittere Bilanz eines Mammutverfahrens. | |
Bild: Es bleiben zerstörte Familien, Trauer und viele offene Fragen | |
MÜNCHEN taz | Abdulkerim Şimşek kämpft um seine Fassung, ringt mit den | |
Tränen, immer lauter wird seine Stimme. „Warum mein Vater? Wie krank ist | |
es, einen Menschen nur aufgrund seiner Herkunft zu töten? Was hat mein | |
Vater Ihnen angetan?“ Şimşek schreit jetzt fast in den Saal. „Können Sie | |
verstehen, was es heißt, im Bekennervideo den Vater blutend auf dem Boden | |
zu sehen?“ Er muss an sich halten, nimmt einen Schluck Wasser. Dann blickt | |
er zu Richter Manfred Götzl. „Ich möchte, dass alle, die an der Ermordung | |
meines Vaters schuld sind, in höchstem Maße bestraft werden.“ | |
Er hat Abdulkerim Şimşek viel Kraft gekostet, der Auftritt an diesem | |
Mittwoch. Aber der 30-jährige Student der Medizintechnik wollte unbedingt | |
selbst sprechen, jetzt, fast am Ende des Münchner NSU-Prozesses, nach bald | |
fünf Jahren Verhandlung. In schwarzem Jackett und schwarzem Hemd ist Simsek | |
erschienen, angespannt knetet er seine Hände. „Ich bin hier für meinen | |
Vater.“ | |
Der Vater, Enver Şimşek, wurde am 9. September 2000 erschossen. Mitten am | |
Tag kamen die zwei Mörder zu seinem Blumenstand an einer Nürnberger | |
Ausfallstraße. Sie schossen unvermittelt. Neun Schüsse, sechs trafen Şimşek | |
in den Kopf. Dann machten die Täter ein Foto von ihrem Opfer. Zwei Tage | |
überlebte der 38-Jährige noch, dann starb er im Krankenhaus. | |
Zu der Tat bekannte sich Jahre später der „Nationalsozialistische | |
Untergrund“, Enver Şimşek war sein erstes Mordopfer. Neun weitere sollten | |
folgen. Abdurrahim Özüdoğru, Süleyman Taşköprü, Habil Kılıç, Mehmet T… | |
İsmail Yaşar, Theodoros Boulgarides, Mehmet Kubaşık, Halit Yozgat, Michèle | |
Kiesewetter. Dazu verübte der NSU einen Sprengstoffanschlag in Nürnberg, | |
zwei in Köln, mit 24 Verletzten, und 15 Raubüberfälle. | |
Seit Mai 2013 und 403 Prozesstagen werden all diese Taten im Münchner | |
Oberlandesgericht verhandelt – in allen Details. Wie die Mörder ihren | |
Opfern aus kürzester Distanz ins Gesicht schossen. Wie die Sterbenden an | |
ihrem Blut erstickten. Wie sich in Köln zehn Zentimeter lange | |
Zimmermannsnägel in die Körper der Opfer bohrten. | |
## Enttäuschung über Ermittlungsfehler | |
Nun kommen noch einmal die Angehörigen der Opfer zu Wort, in den Plädoyers | |
der Nebenklage. Seit November laufen die Schlussworte, vorgetragen von rund | |
50 Anwälten und einigen Betroffenen. Und sie legen noch einmal das | |
jahrelange Leid der Hinterbliebenen offen – und ihre Enttäuschung über die | |
mangelhafte Aufklärung der Terrorserie, die bis heute andauert. | |
Abdulkerim Şimşek schildert, wie er damals, 13 Jahre alt, aus dem Internat | |
geholt wurde, wie er in der Klinik vor seiner Mutter stand, die unter | |
Schock nicht reden konnte. Wie er seinen Vater schließlich am Krankenbett | |
sah, kaum mehr zu erkennen, das linke Auge zerschossen, blutige Löcher im | |
Gesicht. „Ein schrecklicher Anblick.“ Einen Tag später war Enver Şimşek | |
tot. | |
Bei der Beerdigung in der Türkei trug auch Abdulkerim seinen Vater zu | |
Grabe, in einem weißen Leichentuch, das sich rot verfärbte. Es ist der | |
Moment, in dem auch der Sohn zusammenbricht, weint, nur noch weint. „Jetzt | |
hatte ich verstanden, dass ich meinen Vater nie wiedersehen werde.“ | |
Es sind Worte des Schmerzes, die auch schon in den Vorwochen fielen. | |
Wiederholt schilderten die Hinterbliebenen, wie ihr Leben nach dem Tod | |
ihres Vaters, ihres Sohnes oder der Schwester zerstört war. Wie sie litten, | |
als die Ermittler die Ermordeten oder sie selbst verdächtigten. Wie sie bis | |
heute die Angst plagt, da draußen könnten noch Hintermänner unterwegs sein. | |
## Das Leben gefriert | |
Enver Şimşek war 1985 nach Deutschland gekommen. Erst arbeitet er in einer | |
Autofabrik, später als Blumenhändler, sieben Tage die Woche. Mit dem Mord | |
aber gefriert das Leben der Şimşeks. Die Mutter verfällt in Depressionen, | |
Abdulkerim und seine Schwester Semiya ziehen sich zurück. Die Familie muss | |
den Blumenhandel aufgeben. Das Haus, das Enver Şimşek in seinem türkischen | |
Heimatdorf gebaut hatte und in das die Familie ziehen wollte, bleibt leer. | |
Abdulkerim Şimşek erzählt im Gerichtssaal von seiner Tochter, zwei Jahre | |
alt. „Ihr werde ich erzählen müssen, dass ihr Opa nur aufgrund seiner | |
Herkunft von Nazis umgebracht wurde.“ Wieder drückt die Wut, wieder | |
schwillt Şimşeks Stimme an. Nur den Mitangeklagten Carsten S. nimmt er aus, | |
für ihn fordert Şimşek eine milde Strafe, weil er als Einziger vollständig | |
ausgepackt hat. Carsten S. schlägt die Hände vors Gesicht, beginnt zu | |
weinen. Beate Zschäpe aber, die Hauptangeklagte, blickt starr in den Raum. | |
Vor Abdulkerim Şimşek sprachen im Prozess zuletzt Elif Kubaşık und ihre | |
Tochter Gamze. Auch ihre Familie zerstörte der NSU. Im April 2006 | |
erschossen die Terroristen Mehmet Kubaşık in Dortmund, in seinem kleinen | |
Kiosk. Ihn, der so stolz auf seinen deutschen Pass war. Immer wieder | |
reisten Elif und Gamze Kubaşık zum Prozess nach München. Nach jeder Reise | |
sei sie krank gewesen, sagt Elif Kubaşık nun, als sie an das Pult tritt, | |
die Stimme erregt. „Mein Herz ist mit Mehmet begraben.“ | |
Auch Gamze Kubaşık litt. Ein Jahr lang ging sie nicht vor die Tür, schmiss | |
ihre Ausbildung. Günay Kubaşık, Mehmets älteste Schwester, schildert über | |
ihren Anwalt die Reaktion von Mehmets Eltern in der Türkei. Wie der Vater | |
bei der Beerdigung damals in das Grab stieg und rief, er selbst hätte | |
sterben sollen, nicht sein Sohn. Wie die Mutter weinend zusammenbrach und | |
alle an Erschöpfung dachten. „Aber es war ein Herzinfarkt.“ Unerträglich | |
seien diese Momente gewesen, sagt Günay Kubaşık. Bis heute könnten die | |
Eltern kein Bild ihres Sohnes ansehen. „Wir wurden verdammt, ein Leben lang | |
zu leiden.“ | |
## Ermittlung gegen die Familien | |
Es ist nicht nur der Schmerz über den Verlust des Angehörigen. Nach der Tat | |
ermittelte die Polizei auch gegen die Familie. Polizisten durchsuchten Elif | |
Kubaşıks Wohnung mit Hunden, fragten nach Drogengeschäften ihres Mannes, | |
nach Mafia und PKK. | |
Die Erfahrungen der Kubaşıks teilen fast alle Familien. Auch die Anwältin | |
der Simşıks erinnert daran, wie nach dem Mord das Telefon der Familie | |
überwacht, das Auto verwanzt wurde. Auch sie wurden nach Drogengeschäften | |
des Toten befragt, nach Schutzgeldern, sogar nach einer Geliebten, die die | |
Beamten erfunden hatten, um die Mutter aus der Reserve zu locken. Bis heute | |
wartet die Familie auf eine Entschuldigung der Polizei. | |
Der Anwalt der Angehörigen von İsmail Yaşar, eines Nürnberger | |
Imbissbetreibers, erschossen im Juni 2005, berichtet, wie sofort nach dem | |
Mord ein Drogenverdacht da gewesen sein. Selbst die Dönerspieße seien mit | |
einem Spürhund untersucht worden. Wäre das bei einem ermordeten Gastronomen | |
namens Müller auch so gewesen, fragt der Anwalt. „Seien wir ehrlich: nein.“ | |
Dabei hätten im Fall Yaşar gleich vier Zeugen von zwei hellhäutigen | |
Radfahrern am Tatort berichtet. Die Ermittler machten daraus nichts. „Weil | |
es nicht in den Mechanismus passte.“ Für die Anwälte der Yaşars, Kubaşıks | |
und Şimşeks hat dieser Mechanismus einen Namen: institutioneller Rassismus. | |
## Differenzen führen zum Eklat | |
Nur wenige Opfer-Anwälte teilen diesen Vorwurf nicht. Eine, die | |
widerspricht, ist Angela Wierig. Die Anwältin spricht für Ayşen Taşköprü, | |
Schwester des Hamburger NSU-Opfers Süleyman Taşköprü. Sie kenne die | |
Hamburger Polizei, sagt Wierig in ihrem Plädoyer. Sehr wohl sei dort in | |
jede Richtung ermittelt worden. Natürlich auch im Umfeld der Opfer, da dort | |
zumeist die Täter zu finden seien. „Das ist kein institutioneller | |
Rassismus, das sind Erfahrungssätze der Kriminologie.“ Auch den | |
Mitangeklagten Ralf Wohlleben nimmt Wierig in Schutz, nennt die Beweise | |
gegen ihn „unzureichend“. | |
Die Worte werden zum Eklat. Nur einen Tag später kündigt Ayşen Taşköprü d… | |
Mandat auf. „Entsetzt“ sei sie über die Auswirkungen des Plädoyers. Es sei | |
der Wille der Familie, dass alle Täter verurteilt werden. Und sehr wohl sei | |
das Verhalten der Hamburger Polizei gegenüber ihrer Familie „sehr belastend | |
und erschreckend“ gewesen. | |
Es war erst der 4. November 2011, der die falschen Verdächtigungen gegen | |
die Familien pulverisierte. In Eisenach werden Uwe Mundlos und Uwe | |
Böhnhardt nach einem Bankraub von der Polizei eingekreist und erschießen | |
sich. Wenig später setzt in Zwickau Beate Zschäpe die Wohnung des Trios ins | |
Brand und verschickt die Bekenner-DVDs des NSU. Die Terrorgruppe fliegt | |
auf, nach 13 Jahren im Untergrund. Und die Opfer dürfen nun tatsächlich | |
Opfer sein. | |
Nun, im Gerichtssaal, lässt Beate Zschäpe deren Schlussworte regungslos an | |
sich vorbeiziehen. Im Dezember 2015 hatte Zschäpe im Prozess ihr Schweigen | |
gebrochen, mit einer Erklärung: Alle Taten gingen allein auf das Konto von | |
Mundlos und Böhnhardt. Sie habe diese nicht gewollt, immer erst im | |
Nachhinein davon erfahren. Bei den Opfern entschuldigte sich Zschäpe | |
„aufrichtig“ – für die Taten von Mundlos und Böhnhardt. Nicht aber für… | |
eigenes Tun. | |
## Auch Strafe bringt keinen Frieden | |
Elif Kubaşık blickt Zschäpe bei ihrem Auftritt direkt an. „Ekelhaft, | |
einfach ekelhaft“ sei diese Aussage gewesen. „So als würde sie uns | |
beleidigen.“ Auch Kubaşıks Stimme bebt nun. „Es ist alles Lüge, was sie | |
sagte.“ Zschäpe solle ihre gerechte Strafe bekommen. Für die Betroffenen | |
heißt das: die Höchststrafe, „lebenslänglich“ bei besonderer Schwere der | |
Schuld, wie sie auch die Bundesanwaltschaft fordert. | |
Und doch, auch das teilen die Schlussworte, würde das nicht reichen. Die | |
Hoffnung, die viele mit dem Prozess verbanden, endlich Frieden zu finden, | |
abzuschließen – sie wird nicht erfüllt werden. Auch weil die wichtigste | |
Frage offenbleibt: Warum gerade Enver Simşek? Warum Mehmet Kubaşık? Warum | |
Ismail Yaşar? | |
„Meine Fragen sind im Prozess nicht beantwortet worden“, sagt Elif Kubaşı… | |
Gab es Helfer vor Ort, die die Tatorte aussuchten? „Sehe ich sie heute | |
noch? Es gibt so viele Nazis in Dortmund.“ Auch ihre Tochter Gamze spricht | |
von der großen Hoffnung, die sie noch zu Prozessbeginn hatte. „Dass endlich | |
Gewissheit kommt, dass es eine Sicherheit gibt.“ Diese Hoffnung, sagt die | |
32-Jährige, gebe es nicht mehr. | |
Mehr als 300 Fragen stellten die Opferanwälte Zschäpe im Prozess. Nach | |
Hintermännern, nach der Ausspähung der Tatorte, nach bisher unbekannten | |
Taten. Zschäpe beantwortete keine einzige der Fragen. Auskunft gab sie nur | |
den Richtern, stets über ihren Anwalt, nach wochenlangem Formulieren. | |
„Nahezu wertlos“ sei damit die Aussage, sagt einer der Nebenklageanwälte. | |
„Und eine Verachtung der Opfer.“ | |
## Mit den Fragen weiterleben | |
Gamze Kubaşık macht noch einen Schuldigen aus: die Bundesanwaltschaft. Nach | |
weiteren Helfern sei dort nie wirklich ermittelt worden, so ihr Vorwurf. In | |
ihren Schlussworten spricht Kubaşık die drei Ankläger im Saal direkt an. | |
„Ich glaube nicht, dass Sie noch jemanden anklagen. Für Sie ist die Sache | |
doch hier abgeschlossen.“ Sie aber müsse mit den „quälenden Fragen“ | |
weiterleben. Das Aufklärungsversprechen jedenfalls, das Kanzlerin Angela | |
Merkel ihnen einmal gab – alles zu tun, um die Helfershelfer des NSU zu | |
entdecken – „das haben Sie gebrochen“. | |
Für die Bundesanwaltschaft bestand der NSU aus Zschäpe, Böhnhardt und | |
Mundlos. Dazu klagte sie vier Männer als Helfer an, fordert für sie bis zu | |
zwölf Jahre Haft. Nach weiteren Unterstützern habe man sehr wohl ermittelt, | |
verteidigt die Behörde sich. Nur habe man keine gefunden. | |
Die Familien wollen das nicht glauben. Die Anwältin der Simşeks nennt am | |
Mittwoch Beispiele. Nur fünfmal im Jahr 2000 stand Enver Simşek an der | |
Straße, an der er letztlich starb. Woher konnten die Täter wissen, dass er | |
ausgerechnet am 9. September dort sein würde? Und was ist mit dem | |
Nürnberger Neonazi, der einmal ausgerechnet mit Ismail Yaşar, dem anderen | |
Mordopfer aus der Stadt, aneinandergeriet und Kontakte zur rechten Szene | |
in Thüringen hielt? War er ein Tippgeber? „Es gab Helfer vor Ort“, ist auch | |
Abdulkerim Simşek überzeugt. | |
„Es ist ein Schatten auf Deutschland gefallen“, drückt es Tülin Özüdoğ… | |
aus. Die 34-Jährige ist die Tochter der Nürnberger NSU-Opfers Abdurrahim | |
Özüdoğru, eines Änderungsschneiders. 1972 kam dieser nach Deutschland, mit | |
einem Studienstipendium. Seine Tochter Tülin, das einzige Kind, wird hier | |
geboren. Ihre Botschaft verliest ihr Anwalt. „Es ist die Aufgabe aller | |
Behörden, diesen Schatten wegzuwischen“, fordert Tülin Özüdoğru. Gescheh… | |
sei dies bisher zu wenig. Dabei gehe es um das Vertrauen der Menschen in | |
diesen Staat. Und: „Früher oder später fliegt alles auf.“ | |
## Verdacht gegen den Geheimdienst | |
Es sind auch Ismail und Ayşe Yozgat, die das glauben. Die dafür beten. „Es | |
wird der Tag kommen, an dem Allah alles aufklären wird“, sagt Ayşe Yozgat | |
im Dezember bei ihrem Plädoyer. Ihr Sohn Halit war das vorletzte | |
NSU-Mordopfer: Erschossen im April 2006 in seinem Internetcafé in Kassel. | |
Dass am Tatort ausgerechnet ein Verfassungsschützer war, lässt die Yozgats | |
nicht los. Mehrmals wurde der Geheimdienstmann in München vorgeladen, seine | |
Rolle blieb rätselhaft. | |
Der „Agent“ müsse in den Mord verwickelt gewesen sein, erneuert nun Ismail | |
Yozgat seine Anklage. Schon seine erste Aussage geriet zum Manifest der | |
Trauer, als sich der Vater auf den Boden des Gerichtssaals warf, um zu | |
zeigen, wie er seinen sterbenden Sohn fand. Nun spricht Ayşe Yozgat Zschäpe | |
direkt an: „Können Sie einschlafen, wenn Sie Ihren Kopf abends auf das | |
Kissen legen? Ich kann seit elf Jahren nicht einschlafen.“ | |
Auch andere Opferanwälte kritisieren die Rolle des Verfassungsschutzes. Die | |
Vielzahl an V-Leuten um das Trio, die geschredderten Akten. Wusste der | |
Staat wirklich nichts? „Die Sache stinkt, das kann jeder riechen“, sagt der | |
Anwalt von Gamze Kubaşık. Die Aufklärung dürfe mit Ende des Prozesses | |
keineswegs enden. | |
Einige Betroffene klammern sich an eine Hoffnung: Dass Zschäpe doch noch | |
mehr von ihrem Wissen preisgibt. „Frau Zschäpe, wenn es Ihnen wirklich | |
leidtut, dann antworten Sie“, appelliert Gamze Kubaşık an die Angeklagte. | |
Wenn Zschäpe weitere Helfer nenne, dann werde sie sich persönlich für eine | |
kürzere Haftstrafe einsetzen. Die Angeklagte reagiert darauf nicht. | |
## Elif Kubaşık: „Ich bin Dortmunderin“ | |
Die Appelle der Hinterbliebenen scheinen im Saal A101 zu verhallen. Auch | |
die Bundesanwälte verziehen keine Miene, Richter Götzl schon gar nicht. Und | |
doch stehen nun auch Botschaften im Raum, wie sehr der Staat versagt hat. | |
Die Zerstörung der Opferfamilien, ihre Angst, der Verlust ihres Vertrauens, | |
das ist die eine Seite. Auf der anderen Seite aber ist da Abdulkerim | |
Şimşek, der 2012, als bekannt wurde, wer wirklich hinter dem Mord steckt, | |
ganz bewusst die deutsche Staatsbürgerschaft annahm. „Das ist mein Heimat. | |
Ich kämpfe für mein Land“, sagt er heute. | |
Oder Tülin Özüdoğru, die nach dem Mord erst in Trauer versank, die Schule | |
abbrach, keine Musik mehr hörte. Die später aber ihr Abitur nachholte, | |
studierte. Und die heute betont, selbstverständlich sei Deutschland ihre | |
Heimat. „Sie haben es nicht geschafft, Menschen wie mich aus diesem Land zu | |
ekeln. Fremd fühlt sich hier schon längst niemand mehr.“ Sie gehöre zu | |
einer Jugend, die, anders als die Angeklagten, etwas aus diesem Land machen | |
möchte. | |
Auch Elif Kubaşık ist diese eine Botschaft wichtig, bevor sie vom Pult | |
abtritt. „Ich bin Dortmunderin“, betont sie. „Wir werden hier weiterleben… | |
Hier habe sie zwei ihrer drei Kinder auf die Welt gebracht, hier wurde | |
inzwischen auch ihr Enkel geboren, der Sohn von Gamze. Er heißt Mehmet. | |
„Wir gehören zu diesem Land.“ | |
10 Jan 2018 | |
## AUTOREN | |
Konrad Litschko | |
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