| # taz.de -- Anwältin schreibt Buch über NSU-Prozess: Rassismus? Nur ein Witz | |
| > Im NSU-Prosess hat die Anwältin Angela Wierig ihr Mandat verloren, weil | |
| > sie ihrer Mandantin in den Rücken gefallen ist. Nun verbreitet sie AfD- | |
| > und Pegida-Botschaften. | |
| Bild: Die Hamburger Anwältin Angela Wierig im Jahr 2012 | |
| HAMBURG taz | Kurz vor dem Ende des NSU-Hauptverfahrens am | |
| Oberlandesgericht München ist für die Hamburger Anwältin Angela Wierig | |
| Schluss. Sie hatte die Nebenklage von Ayşen Taşköprü vertreten, der | |
| Schwester von Süleyman Taşköprü, der in seinem Bahrenfelder Gemüseladen | |
| erschossen worden war. Am 401. Verhandlungstag ist Wierig raus. Ayşen | |
| Taşköprü hatte beim Gericht die Entpflichtung ihrer Anwältin beantragt. | |
| Wenig später zieht sie ihre Nebenklage sogar zurück, um Wierig sofort vom | |
| Verfahren auszuschließen. | |
| „Es ist vorbei. Endlich vorbei. Wierig meldet sich ab. Over and out“, | |
| kommentiert die Anwältin diese Entwicklung lapidar in dem Buch „Nazis | |
| Inside – 401 Tage NSU-Prozess“, das sie nun vorgelegt hat. Auf 274 Seiten | |
| schildert Wierig darin ihre Sicht auf das Verfahren gegen die | |
| Hauptbeschuldigte Beate Zschäpe und die Mitangeklagten André Eminger, Ralf | |
| Wohlleben, Holger G. und Carsten S. Ab heute ist das Buch im Handel, das | |
| sich gegen ihre eigene Mandantin, andere Nebenklage-Anwälte und die Medien | |
| richtet. | |
| Schon Wierigs Schlussplädoyer am 12. Dezember vergangenen Jahres hatte eine | |
| ähnliche Ausrichtung. Mehr noch, sie versuchte, Wohlleben zu entlasten, der | |
| beschuldigt ist, an der Beschaffung einer der Mordwaffen mitgewirkt zu | |
| haben. An dem Tag saß ihre Mandantin erschüttert in Saal A 101. „Sie hätte | |
| am liebsten schreien wollen, sich aber nicht getraut“, sagt ihre neue | |
| Anwältin Gül Pinar. | |
| In ihrem Buch zweifelt Wierig nun erneut an, dass die von Wohlleben mit | |
| besorgte Waffe überhaupt eine der Mordwaffen sei. Und sie wirbt um | |
| Verständnis für „Wolle“: Für seinen Weg nach rechts macht sie jene | |
| verantwortlich, die ihn als „Nazi“ bezeichnet hätten. Sie glaubt ihm, dass | |
| er anfänglich keine „politisch gefestigte Meinung“ gehabt habe. „Hören … | |
| auch die Nachtigall trapsen?“, fragt sie und antwortet: „Wissen Sie, das | |
| finde ich geradezu klassisch. Der Junge wird als Nazi beschimpft, rennt auf | |
| den Marktplatz, hält dieses Plakat (der NPD, Anmerkung der Red.) hoch und | |
| zeigt jedem, der vorbeikommt, dass er ein Nazi ist.“ | |
| Auch für die AfD und Pegida bringt Wierig mehr als Verständnis auf: „Nicht | |
| nur in diesem Prozess, sondern in ganz Deutschland gilt zweierlei Recht; | |
| Meinungsfreiheit für die moralisch überlegene | |
| Multikulti-Vegan-Impfverweigerungs-Fraktion; Redeverbot für die Rechten.“ | |
| Sie räumt ein: „Angesichts der Flüchtlingswelle“ werde ihr selbst „auch | |
| etwas schwummerig“. Was sie für nötig hält, sei nicht in erster Linie | |
| Integration: „Kontrolle ist viel wichtiger.“ Aber bitte nicht durch „so | |
| einen luschigen Sozialarbeiter“, sondern durch einen „Afghanen, der seit 30 | |
| Jahren in Deutschland ist, Kampfsport macht und im Notfall nicht nur eines | |
| auf die Fresse androht, sondern auch umsetzt“. | |
| Wierig rechnet gegen die seit den 90er-Jahren aus rassistischen Motiven | |
| Ermordeten gegen die Toten durch „Ehrenmorde“ auf: „Selbst wenn in diesen | |
| 23 Jahren tatsächlich 184 Menschen Opfer rechter Gewalt wurden“, seien in | |
| den vergangenen sechs Jahren „165 Menschen im Zusammenhang mit sogenannten | |
| ‚Ehrenmorden‘ vom Leben zum Tode befördert“ worden. | |
| Die Nebenklage-Anwälte im NSU-Prozess teilt Wierig „in (mindestens) zwei | |
| Gruppen“ ein: „Die einen, die den Staat vor Gericht stellen möchten, und | |
| die anderen, die das Verfahren auf die Anklage beschränkt wissen wollen.“ | |
| Und sie betont: „Ich gehöre zu Letzteren, da ich der Meinung bin, dass die | |
| politische Aufklärung nicht in diesen Prozess gehört.“ | |
| Die Bemühungen von Nebenklägern, im Verfahren herauszuarbeiten, ob ein | |
| Netzwerk das NSU-Kerntrio unterstützte, wertet sie als Selbstdarstellung | |
| der Anwälte. Dass sie damit versucht haben, auch die Frage zu beantworten, | |
| wie Täter auf ihre Opfer kamen, blendet Wierig aus. Sie ätzt: „Also leide | |
| ich still vor mich hin, wenn die politisch Verletzten in jedem Interview | |
| (…) für die ,Nebenklage' sprechen.“ | |
| ## „Das kotzt mich an“ | |
| Einen Journalisten führt sie vor. Der Bitte um ein Interview kommt sie mit | |
| knappen, schriftlichen Worten nach. Auf die Bitte nach weiteren | |
| Ausführungen schreibt sie ihm: „Man ist täglich mit dem institutionellen | |
| Rassismus in Deutschland konfrontiert. Die Ermittlungen wurden nicht nur | |
| unglaublich schlampig geführt, sondern auch rassistisch und auf dem rechten | |
| Auge blind (…). Auch die Bilder der getöteten Opfer ertrage ich nicht mehr | |
| professionell, sondern es ist grauenvoll, diese armen Menschen ansehen zu | |
| müssen (…).“ Ein ganz anderer Ton als im ursprünglichen Interview. Deshalb | |
| fragt der Journalist: „Welche Antworten können zitiert werden?“ Sie | |
| antwortet: „Sorry, das ist jetzt bei Ihnen nicht angekommen. Das zweite ist | |
| Satire – nach 10 Monaten NSU weiß ich, was die Presse hören möchte … Und | |
| das kotzt mich an.“ | |
| Und so kotzt sie mal mit Namen, mal ohne über jene Nebenklagevertreter ab, | |
| die auf institutionellen Rassismus als Ermittlungsproblem hinweisen. Sie | |
| spitzt zu: Wenn man annähme, Enver Şimşek sei einzig deswegen ermordet | |
| worden, „weil er Türke war, sind Sie entweder paranoid oder Rassist“. | |
| Ihre Mandantin Ayşen Taşköprü dagegen hatte im Februar 2013 ihre Absage auf | |
| eine Einladung des Bundespräsidenten unter anderem mit dem unsensiblen | |
| Agieren der Polizei begründet und gefragt: „Wer sind die Leute hinter dem | |
| NSU? Warum ausgerechnet mein Bruder? Was hatte der deutsche Staat damit zu | |
| tun? Wer hat die Akten vernichtet und warum?“ Ihre Anwältin folgte diesen | |
| Fragen nicht. | |
| 9 Feb 2018 | |
| ## AUTOREN | |
| Andreas Speit | |
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