# taz.de -- Studierende über ihre NSU-Erkenntnisse: „Opferperspektive vernac… | |
> Studierende des Bremer Masterstudiengangs „Transkulturelle Studien“ | |
> forschen zum NSU-Komplex und geben ihr Wissen an der Hochschule weiter. | |
Bild: Angehörige gedenken dem vom NSU ermordeten Kioskbesitzer Mehmet Kubasik | |
taz: Frau Bıyıklı, nächste Woche findet die Podiumsdiskussion „Der | |
NSU-Komplex, Rassismus und gesellschaftliche Verantwortung“ statt. | |
Vorangegangen dazu war ein Lehrforschungsprojekt an der Uni Bremen. Was ist | |
das für ein Projekt? | |
Tuğba Bıyıklı: Ursprünglich geht das Projekt darauf zurück, dass am | |
Institut für Ethnologie und Kulturwissenschaften eine Exkursion zum | |
„NSU-Tribunal“ in Köln angeboten wurde. Teilgenommen haben Studierende, die | |
alle einen unterschiedlichen wissenschaftlichen Background haben. Ich komme | |
aus der Pädagogik, andere etwa aus der Politikwissenschaft. Das heißt, wir | |
hatten ganz unterschiedliche Fragen und Perspektiven auf die Veranstaltung, | |
bei der wir dann Feldforschung betrieben haben. Manche haben dazu | |
geforscht, wie eigentlich die Medienberichterstattung zum NSU ist, ich habe | |
mich damit auseinandergesetzt, wer bei dem Thema spricht. Also zum | |
Beispiel, ob auch die Opferperspektive Raum für Äußerungen bekommt. | |
Sie haben als Master-Studierende aber auch selbst in diesem Rahmen Ihr | |
Wissen an Bachelor-Studierende weitergegeben, oder? | |
Wenn man sich so mit dieser Thematik beschäftigt und reflektiert, will man | |
das Wissen weitertransportieren. Daraus entstand letztes Jahr ein harter | |
Kern, der das Wissen, das wir gewonnen haben, auch als Multiplikator | |
weitertragen wollte. Dass wir als Studierende auch selber Lehre betreiben | |
können und Bachelor-Studierende an das Thema heranführen, ist natürlich | |
großartig. Vor allem sind wir der Meinung, dass noch in vielen Bereichen | |
der Gesellschaft eine Sensibilisierung und ein tieferes Verständnis über | |
die Bedeutung des NSU fehlt. | |
Was genau fehlt da? | |
Ob nun im NSU-Prozess oder in der öffentlichen Debatte, nicht zuletzt aber | |
auch im Wissenschaftsdiskurs, wird die Opferperspektive eher am Rand | |
beleuchtet. Sowohl im Prozess als auch in der Öffentlichkeit versuchen die | |
Hinterbliebenen und Opfer aber, diese passive Rolle abzustreifen und | |
Forderungen nach Aufklärung aufzustellen. Das ist natürlich in einer weißen | |
Mehrheitsgesellschaft schwierig. Mit unserem Projekt versuchen wir, das zu | |
beleuchten, was öffentlich vernachlässigt wurde. Dazu zählt auch | |
migrantisch situiertes Wissen. | |
Was meinen Sie mit migrantisch situiertem Wissen? | |
Die Exkursion zum NSU-Tribunal lief am Institut im Rahmen des | |
Semesterschwerpunktes „Dekolonialisierung des Wissens“. Auch in der | |
Wissenschaft wurde und wird Wissen in großen Teilen von Weißen | |
hervorgebracht und gedeutet. Beim NSU haben die Opfer nach den Taten die | |
Polizei auf Täter im rechten Spektrum aufmerksam gemacht. Stattdessen | |
wurden die Taten als „Dönermorde“ bezeichnet, aufgrund angeblicher mafiös… | |
Strukturen. MigrantInnen haben ein eigenes Wissen, dass auch von erlebtem | |
Rassismus geprägt ist, und auch das benötigt eine Stimme in der | |
Gesellschaft. Wer niemals Rassismus erfahren hat, meint vielleicht, dass es | |
in dieser Gesellschaft gar keinen gebe. | |
Die Podiumsdiskussion soll auch die gesellschaftliche Verantwortung für den | |
Umgang mit den Taten nach dem Bekanntwerden des NSU beleuchten. Wie sieht | |
diese Verantwortung aus | |
Zunächst muss klar sein, dass auch die gesellschaftlichen Strukturen den | |
NSU und seine Morde erst möglich gemacht haben. Es geht deshalb um das | |
Erinnern und auch das Gedenken daran. Vermutlich kennen fast alle Menschen | |
in Deutschland die Namen Zschäpe, Mundlos und Böhnhardt. Aber wie sieht es | |
mit den Namen der Opfer aus? Deshalb wollen wir mit der Veranstaltung zum | |
Beispiel auch etwa Osaman Taşköprü als Betroffenen ein Podium bieten. | |
Macht eine intensive Beschäftigung mit den Taten des NSU und der | |
Aufarbeitung nicht ziemlich fassungslos? | |
Natürlich verhandelt auch der NSU-Prozess nicht alle Bereiche, aber die | |
Hoffnung ist ja, möglichst viele Menschen damit zu konfrontieren und das | |
schon bestehende Netzwerk, ob nun in Wissenschaft oder als | |
gesellschaftlicher Aktivismus, weiter auszubauen. | |
12 Jan 2018 | |
## AUTOREN | |
André Zuschlag | |
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