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# taz.de -- Eltern von Mordopfer im NSU-Prozess: „Wovor haben Sie Angst?“
> Im NSU-Prozess kritisieren die Eltern des Mordopfers Halit Yozgat das
> Gericht scharf. Und wenden sich an Beate Zschäpe.
Bild: Ayse und Ismail Yozgat
München/Berlin taz | Die Eltern des Kasseler NSU-Opfers Halit Yozgat haben
die Aufklärung der Mordumstände an ihrem Sohn scharf kritisiert. „Sie waren
meine letzte Hoffnung“, wandte sich Ayse Yozgat am Mittwoch im Münchner
NSU-Prozess an das Gericht. Diese sei aber enttäuscht worden. Zwar hätten
die Richter „wie Bienen gearbeitet“, so Yozgat. Ihre Fragen zum Tod ihres
Sohnes aber blieben offen.
Ismail und Ayse Yozgat sprachen im Rahmen der Nebenklage-Plädoyers im
Prozess. Ihr Sohn Halit wurde am 6. April 2006 vom „Nationalsozialistischen
Untergrund“ erschossen. Der 21-Jährige war das neunte von zehn Mordopfern
der Rechtsterroristen. Ismail Yozgat hatte seinen schwer verletzten Sohn
noch in dessen Internetcafé aufgefunden, er starb in seinen Armen. Der Mord
gehört bis heute zu den rätselhaftesten des NSU, [1][da am Tatort auch der
Verfassungsschützer Andreas Temme war].
Im Münchner Prozess konnte die Rolle Temmes nicht aufgeklärt werden.
Mehrmals war der Verfassungsschützer befragt worden. Stets behauptete er,
er sei rein privat und zufällig im Internetcafé gewesen und habe von dem
Mord nichts mitbekommen.
## Yozgat: Geheimdienstler in Mord verwickelt
Ismail Yozgat warf dem Verfassungsschützer vor, zu lügen. Er wiederholte
seine These, dass Temme in den Mord verwickelt sein müsse. Seit Jahren
fordere er erfolglos eine Begehung des früheren Tatorts in Kassel durch das
Gericht, kritisierte Yozgat. „Was für eine Verhandlung verhandeln Sie?
Wovor haben Sie Angst?“ Das Gericht verstehe offensichtlich nicht das Leid
seiner Familie, sagte Yozgat. Ohne die Ortsbegehung aber werde er ein
Urteil nicht akzeptieren können.
Der 62-Jährige kritisierte auch den früheren hessischen Innenminister und
heutigen Ministerpräsident Volker Bouffier (CDU): Dieser habe den
Verfassungsschützer Temme geschützt. Statt der versprochenen Aufklärung
erlebe er nur Aktenschreddern, so Yozgat. Schon gleich nach dem Mord habe
er gesagt, Ausländerfeinde müssten seinen Sohn ermordet haben. „Keiner
glaubte mir.“
Ayse Yozgat wandte sich auch direkt an Beate Zschäpe. „Können Sie
einschlafen, wenn Sie Ihren Kopf abends auf das Kissen legen?“, fragte sie.
„Ich kann seit elf Jahren nicht einschlafen.“
Auch die Anwälte der Familie Doris Dierbach und Alexander Kienzle
kritisierten, dass bis heute ungeklärt sei, warum gerade Halit Yozgat
ermordet wurde. Wie kam der NSU auf Kassel? Wie auf das Internetcafé? Die
Rechtsterroristen hätten alles stets gut organisiert, eine Zufallstat sei
abwegig. Dem Prozess sei hier dennoch keine umfassende Aufklärung gelungen
– auch aufgrund des Mauerns durch den Verfassungsschutz.
Schon Ende November hatte Ismail Yozgat seine Kritik im
[2][NSU-Untersuchungsausschuss in Hessen] vorgebracht. Dort forderte er
auch erneut, die Holländische Straße in Kassel in Halit-Straße umzubennen.
Die Stadt ist dem bisher nicht nachgekommen, da es sich um eine Hauptstraße
handelt. Sie benannte 2012 aber einen kleinen Platz in der Nähe des Tatorts
als Halitplatz.
In München formulierte Ayse Yozgat am Mittwoch eine letzte Hoffnung: „Es
wird der Tag kommen, an dem Allah alles aufklären wird.“
6 Dec 2017
## LINKS
[1] /NSU-Mord-im-Cafe/!5397460
[2] /Hessischer-NSU-Untersuchungsausschuss/!5460170
## AUTOREN
Konrad Litschko
## TAGS
Rechtsextremismus
Schwerpunkt Rechter Terror
Verfassungsschutz
Halit Yozgat
Volker Bouffier
NSU-Prozess
Kassel
Nationalsozialistischer Untergrund (NSU)
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Lesestück Recherche und Reportage
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Carsten S.
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