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# taz.de -- Sondierer beraten zu Ganztagsbetreuung: Hort der Bildung
> Bei den Sondierungen zu einer möglichen Jamaika-Koalition sind alle für
> ein Recht auf Ganztagsbetreuung für Schulkinder. Streit gibt es trotzdem.
Bild: Bund und Länder müssten sich bei der Ganztagsbetreuung unter die Arme g…
Berlin taz | Für Grundschülerinnen und Grundschüler könnte die Schule in
Zukunft jeden Tag um 16 Uhr enden. Geht es nach den PolitikerInnen von
Union, [1][FDP] und Grünen, die gegenwärtig die Möglichkeiten einer
künftigen gemeinsamen Regierung ausloten, soll unter einer
Jamaika-Koalition jedes Kind in der Grundschule einen Rechtsanspruch auf
Ganztagsbetreuung erhalten. Dies berichtet am Dienstag [2][die Rheinische
Post unter Berufung auf ein Familien-Papier] der Unterhändler, welches der
Zeitung vorlag.
Die CDU hatte einen solchen Rechtsanspruch in ihrem Regierungsprogramm
gefordert, auch Grüne und FDP bekennen sich zum Ausbau der Ganztagsschulen.
Über den Weg dahin sind sich die Parteien jedoch uneins. Wie die Hamburger
FDP-Politikerin Katja Suding der taz mitteilte, stehe die FDP zwar hinter
dem Ziel, das Ganztagsangebot auszubauen. „Einen Rechtsanspruch würde die
FDP aber von der Abschaffung des Kooperationsverbots und an den
Finanzierungsvorbehalt knüpfen.“
Sollten die Pläne dennoch umgesetzt werden, wäre das ein Paradigmenwechsel
in der Schule – ähnlich dem Kitaausbau unter der damaligen
Familienministerin Ursula von der Leyen (CDU).
Während Kleinkinder seit 2013 ab dem ersten Geburtstag das Recht auf
frühkindliche Förderung haben, gilt mit der Einschulung wieder das Prinzip:
Nachmittags sind die Eltern zuständig. In allen Bundesländern sind zwar im
Zuge des bundesweiten Ganztagsschulprogramms in der vergangenen Dekade
Zigtausende Ganztagsplätze an Schulen entstanden. Gegenwärtig lernt jeder
vierte Schüler an einer Ganztagsschule. Aber um den elterlichen Bedarf zu
decken, fehlen allein an Grundschulen rund 1,5 Millionen Plätze bis 2025.
Das zeigt eine [3][Studie, welche die Bertelsmann-Stiftung vor einer Woche
veröffentlichte]. Und das Bundesprogramm zum Ausbau der Ganztagsschulen
lief 2009 aus.
## Der Bund darf nicht investieren, dank Roland Koch
Doch bevor die Eltern jetzt erneut Hoffnung schöpfen dürfen, müssen die
Jamaika-Sondierer, wie erwähnt, gleich mehrere Hindernisse aus dem Weg
räumen: Ein zentrales ist das sogenannte Kooperationsverbot, welches
schulische Angelegenheiten unter die Hoheit der Länder stellt. Der Bund
dürfte, selbst wenn er wollte, gar nicht in Ganztagsschulen investieren.
Ironie der Geschichte: Der entsprechende Passus war 2006 gerade wegen der
Ganztagsschulen ins Grundgesetz gewandert – vornehmlich auf Betreiben des
hessischen Ministerpräsidenten Roland Koch (CDU). Der wollte ein zweites
milliardenschweres Ganztagsschulprogramm des Bundes, wie es die SPD 2002
angestoßen hatte, verhindern.
Die Union hält auch weiterhin am Kooperationsverbot fest und möchte ihre
Ganztagsschuloffensive nun über einen Umweg, nämlich über die im
Sozialgesetzbuch geregelte Kinder- und Jugendhilfe lancieren. Die regelt
unter anderem die Förderung von Kindern in Tageseinrichtungen.
Das stößt auf Kritik bei FDP und Grünen. Nicht nur die Liberalen, auch die
Grünen wollen das Kooperationsverbot abschaffen, haben bisher jedoch keine
Einigung mit der Union erzielt.
Teuer ist der Vorschlag außerdem. Laut Bertelsmann-Stiftung könnten die
Personalausgaben für die Grundschulen bis 2030 um 4 Milliarden Euro pro
Jahr steigen – allerdings nur, wenn alle Kinder am Ganztagsprogramm
teilnehmen und LehrerInnen und ErzieherInnen den Tag gemeinsam gestalten.
## Personal fehlt schon jetzt
Das gegenwärtige Konzept, den Ganztagsausbau allein über die
Familienpolitik und damit über zusätzliche ErzieherInnen abzudecken, stimmt
den Ko-Autor der Studie, Dirk Zorn, eher besorgt: „Eine Ganztag, der allein
auf zusätzliche Betreuung, etwa durch ErzieherInnen, setzt, könnte zu einem
Mangel an pädagogischen Fachkräften führen.“
Viele Kommunen haben bereits jetzt Schwierigkeiten, den Rechtsanspruch auf
einen Kitaplatz zu gewährleisten, da das Personal fehlt, um die Kinder zu
betreuen. Während derzeit 93,6 Prozent der Kinder im Alter von 3 bis 6
Jahren bundesweit eine Kita besuchen, nimmt laut Bertelsmann-Studie nur
jeder dritte Primarschüler am Ganztag teil.
Zorn lehnt einen reinen Betreuungsausbau aber auch aus pädagogischen
Gründen ab: „Bei Ganztag geht es nicht allein um bessere
Betreuungsmöglichkeiten und die Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Wenn
die Ganztagsschule pädagogisch wertvoll gestaltet werden soll, muss dies in
schulischer Verantwortung geschehen und die Kultusministerien müssen mit in
die Verantwortung genommen werden.“
Ähnlich sieht es auch der deutsche Städtetag. Dessen Präsidentin, die
Ludwigshafener Oberbürgermeisterin Eva Lohse, appellierte im September an
Bund und Länder, die Ganztagsangebote an Schulen auszubauen: „Ein
individuelles Recht auf ganztägige Betreuung und Förderung von
Grundschülern sollte man allerdings dort ansiedeln, wo es hingehört,
nämlich an den Schulen“, erklärte Lohse. Ein Rechtsanspruch über die
kommunale Jugendhilfe, wie er auf Bundesebene diskutiert werde, sei der
falsche Weg.
15 Nov 2017
## LINKS
[1] /Kommentar-FDP-und-Jamaika-Koalition/!5459111
[2] http://www.rp-online.de/politik/deutschland/jamaika-sondierung-mehr-betreuu…
[3] https://www.bertelsmann-stiftung.de/de/publikationen/publikation/did/gute-g…
## AUTOREN
Anna Lehmann
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