# taz.de -- Kommentar Räumung der Volksbühne: Ein einmaliges Experiment | |
> Es war das Theater-Event des Jahres: die Besetzung der Volksbühne. | |
> Schade, dass sich die Berliner Politik keine Mühe machte, es zu | |
> verstehen. | |
Bild: Eine Woche Volksbühnen-Kommune geht zuende | |
Nur mal angenommen, Berlin hätte einen Regierenden Bürgermeister, der sich | |
für die Hauptstadt in seiner ganzen Breite interessieren würde. Nur mal | |
angenommen, die Volksbühne in Berlin hätte einen Intendanten, der ein | |
Gespür dafür hätte, was Theater alles sein kann. Dann, ja dann hätten alle | |
in der rot-rot-grün regierten Stadt den roten Teppich vor dem Theater am | |
Rosa-Luxemburg-Platz ausgerollt, um die Besetzer freudig zu begrüßen. | |
[1][Stattdessen stand dort am Donnerstag die Polizei vor der Tür.] | |
Was für eine Farce. Und was für ein Verlust für Berlin. Denn das, was die | |
Besetzer in wenigen Tagen auf die Beine gestellt haben, war ohne Zweifel | |
das Theaterevent des Jahres. Gemessen an den klassischen Maßstäben des | |
Feuilletons war der kulturelle Output gering. Doch der Hauptact war das | |
Plenum, bei dem täglich Hunderte mit aller Leidenschaft um die Zukunft | |
dieses Theater gerungen haben. Und um die der Stadt. Ein einmaliges | |
Experiment, bei dem man tief in der Nacht erleben konnte, wie ein | |
Kultursenator die Fassung verliert, an dem man anderntags einen Mitarbeiter | |
der Bühne, der sich als Proletarier vorstellt, mit den Besetzern anlegt, | |
die sich auch selbst infrage stellten. Immer wieder aufs Neue. | |
Trotz aller Gegensätze bildetet all dies ein einzigartiges Miteinander. | |
Eine soziale Plastik, die Beuys, Brecht und Schlingensief beglückt hätte. | |
Hier ging es nicht nur um die Bretter, die die Welt bedeuten, sondern | |
darum, die Welt tatsächlich zu verändern. Ein Geschenk an die Stadt, die | |
nichts nötiger hat als einen offenen Streitraum. Einen Ort, wo sich die | |
Menschen einbringen. Selbst ermächtigen. | |
Gescheitert ist diese Kulturavantgarde in erster Linie an der politischen | |
Regie. Der rot-rot-grüne Senat hat sich zu zwei Dritteln nicht mal die Mühe | |
gemacht, das Experiment verstehen zu wollen. Nur Kultursenator Klaus | |
Lederer (Linke) hat sich auf Gespräche eingelassen, saß aber von Beginn an | |
zwischen allen Stühlen. Dass die Besetzer dann in kompletter | |
Selbstüberschätzung das Angebot verstreichen ließen, immerhin Teile des | |
Hauses nutzen zu können, gab dem Experiment dann den Rest. | |
Bald wird es wieder das übliche Theater geben in der Volksbühne. Mit Glück | |
wird sich mal ein revolutionärer Gedanke in eine Inszenierung schleichen. | |
Und das geneigte Hauptstadtpublikum wird dazu mit den Juwelen klimpern. | |
28 Sep 2017 | |
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## AUTOREN | |
Gereon Asmuth | |
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