| # taz.de -- Besetzte Volksbühne: Berlin gegen Nichtberlin | |
| > Verwirrung herrscht im Haus: Braucht die Volksbühne Berlin statt Chris | |
| > Dercon eine „Kollektivintendanz“, wie sie ihren Besetzern vorschwebt? | |
| Bild: Manches verschwimmt hier: Soll an der Volksbühne Kunst fürs – oder Ku… | |
| Berlin taz | In der Interimsvolksbühne gibt es für alles Zettel. Sie sind | |
| handbeschrieben, sie hängen an den holzvertäfelten Wänden. Einige weisen | |
| darauf hin, wo das Klo, [1][das „Awareness“-Team] oder das 16-Uhr-Plenum zu | |
| finden sind. Andere sind Listen, in die man sich eintragen kann, wenn man | |
| sich im Sicherheitsdienst, im Einkaufskonvoi, [2][in der Putzkolonne] | |
| nützlich machen will. | |
| Seit vier Tagen hält das Kollektiv „Staub zu Glitzer“ die Berliner | |
| Volksbühne [3][im Rahmen einer „transmedialen Theaterinszenierung“ | |
| besetzt]. Vor der Tür sitzen und stehen nun vereinzelt Leute, ein Hund | |
| streunt dazwischen herum. Ein Transporter bringt Interieur und Verpflegung, | |
| draußen gibt es VoKü. Drinnen sind noch rund 250 Menschen. Am Wochenende | |
| sollen insgesamt 10.000 Leute dagewesen sein, sagen die Initiatoren. Das | |
| Interesse sei riesig, die New York Times [4][habe berichtet]. | |
| Kaum verwunderlich. Denn das Volksbühnenschlamassel erreicht mit der | |
| Besetzung einen Höhepunkt. Im aristotelischen Drama wäre die Peripetie | |
| erreicht, der Moment, in dem alles auf der Kippe ist. | |
| Gentrifizierungsgegner, antikapitalistische Initiativen und kulturell | |
| Enttäuschte haben gemeinsam mit der Volksbühne ein Symbol besetzt, zu dem | |
| das Haus zuletzt gemacht wurde. Aus der neuen Intendanz von Chris Dercon | |
| wurde – bevor sich der Vorhang zum ersten Mal geöffnet hatte – eine simple | |
| Erzählung. [5][Alte Frank-Castorf-Volksbühne]: subversiv, links, | |
| revolutionär, Berlin. Neue Dercon-Volksbühne: neoliberal, reaktionär, | |
| snobistisch, Nichtberlin. | |
| Was wollen die Besetzer? Im Konzeptpapier ist zu ästhetisch-künstlerischer | |
| Auseinandersetzung nicht viel zu lesen. Stattdessen von der Vorstellung | |
| eines „Zentrum der Stadtentwicklungsdebatte“. Eigentlich soll alles erst im | |
| Rahmen einer kollektiven zweijährigen Intendanz, bei der alle mitmachen | |
| können – really –, entwickelt werden. „Wir wissen, dass man hier | |
| hochwertiges künstlerisches Programm erwartet, und das wollen wir ja auch | |
| liefern“, sagt Mitbesetzer Patrick Luzina am Montagabend. Zudem sei es | |
| wichtig, einen Ort zu schaffen, an dem zivilgesellschaftliche Gruppen | |
| zusammenkämen. | |
| ## Ein Geist geht um | |
| Die Besetzer beziehen sich auf den ursprünglichen Geist des Theaters, das | |
| 1890 als Freie Volksbühne gegründet wurde, um ärmeren Schichten den | |
| Theaterbesuch zu ermöglichen. Sie schreiben, man habe der Bevölkerung eine | |
| „selbstständige Kulturproduktion ermöglichen“ wollen, was so klingt, als | |
| sei der damals schon richtige und wichtige Slogan „Die Kunst dem Volke“ | |
| hier eklatant missverstanden worden. | |
| Intendanzen waren aus gutem Grund nie eine basisdemokratische | |
| Angelegenheit, wie insinuiert wird: „Dass der ehemalige Staatssekretär Tim | |
| Renner 90 Millionen Euro Steuersubventionen beim Abendessen und unter | |
| Ausschluss der Öffentlichkeit gegen den Willen aller Betroffenen vergab, | |
| ist, wenn auch legal, äußerst fragwürdig“, heißt es zur Vergabe der | |
| Intendanz an Dercon. Das hört sich an, als würden Subventionen sonst von | |
| jedem Bewohner Berlins einzeln abgenickt. Ex-Volksbühnen-Regisseur René | |
| Pollesch schreibt in einer Mail, er hoffe, dass es klappt mit der | |
| Kollektivintendanz. Ob er an der Volksbühne inszenieren würde? „Arbeiten | |
| werde ich in Berlin demnächst an einem anderen Theater. Und darauf freue | |
| ich mich auch.“ | |
| Man kann es auch so sehen, dass ein einst strahlendes Haus wie die | |
| Volksbühne gerade in diesen Zeiten alles andere als Laissez-faire braucht, | |
| sondern klare kuratorische Kante (wobei es immer noch keinen Beleg dafür | |
| gibt, dass das unter Chris Dercons Leitung nicht möglich wäre). Im November | |
| stehen erste Dercon-Inszenierungen im Haupthaus auf dem Programm, die | |
| Proben fallen derzeit aus. Und nicht nur Dercon findet die Zustände nicht | |
| hinnehmbar, auch die Senatsverwaltung für Kultur und Kultursenator Klaus | |
| Lederer (Linke) teilten mit, die Forderungen seien „nicht erfüllbar.“ | |
| Lederer wollte dem Kollektiv ein Ersatzgebäude zur Verfügung stellen – das | |
| Angebot wurde abgelehnt. Bei neuen Angeboten „muss man eben sehen“, sagt | |
| Patrick Luzina. Chris Dercon und sein Team kamen am späten | |
| Dienstagnachmittag mit einer neuen Offerte: Sie wollen den Besetzerinnen | |
| und Besetzern dauerhaft den Grünen Salon und den Pavillon – ein kleinerer | |
| Raum in und ein Ladenlokal an der Volksbühne – für ihr Programm zur | |
| Verfügung stellen. Im klassischen Drama würde man fragen: Katastrophe oder | |
| Lysis, also Lösung? Noch ist an der Volksbühne beides möglich. | |
| 26 Sep 2017 | |
| ## LINKS | |
| [1] /!5447844/ | |
| [2] /!5447694/ | |
| [3] /!5447701/ | |
| [4] https://www.nytimes.com/2017/09/24/theater/activists-occupy-volksbuhne-thea… | |
| [5] /!5325679/ | |
| ## AUTOREN | |
| Jens Uthoff | |
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