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# taz.de -- In der besetzten Volksbühne in Berlin: Ist denn hier gar nichts me…
> Die Party ist in vollem Gang, Polizei ist nicht zu sehen – man hofft auf
> den Selbstzerstörungstrieb des Menschen. Eine Ortsbegehung in der
> besetzten Volksbühne.
Bild: Die besetzte Volksbühne
Berlin taz | Es riecht etwas streng. Lichtblitze durchzucken den Saal,
eilig wird neues Bier herangekarrt. Um ehrlich zu sein, riecht es sogar
sehr streng. Verdammt noch mal, hier stinkt es erbärmlich. Eine beißende
Mischung aus Kotze, Schweiß und Bier. Wenn man wenigstens rauchen dürfte.
Aber gleich neben dem „Alles Allen“-Schild wurde ein „No Smoking“-Zettel
angebracht, denn „Alles Allen“ heißt bekanntlich auch „Niemandem Nichts�…
Im Roten Salon wabert der Bass durch die stickige Luft, die Party in der
Volksbühne ist in vollem Gang. In der Mitte steht eine Frau und jongliert
mit leuchtenden Stäben, das Publikum bestaunt die Performance mit
entrücktem Lächeln. Jesus, Maria und Josef, ist denn hier gar nichts mehr
heilig?
Seit das Gebäude am Freitag besetzt und zu einem „Haus für Alle“ erklärt
wurde, strömen die Menschen heran. Einige vermuten bereits, es handle sich
um eine Inszenierung Chris Dercons, ein genialer Coup, um all diejenigen in
das Theater zu locken, die sich öffentlich gegen ihn stellen. Aber das wäre
dann wohl doch etwas zu clever für jemanden, der seine Spielzeit mit einem
„Soul Train“ eröffnet.
Die Utopie der Besetzer ist herrlich. Ein offenes Theater, ein Haus für die
Wohnungslosen und Verdrängten, ein Ort ohne Diskriminierung. Wie wunderbar.
Polizei ist nicht zu sehen, erst mal lässt man die jungen Leute gewähren
und hofft auf den natürlichen Selbstzerstörungstrieb des Menschen.
Im Treppenhaus lässt sich ein Mann in selbst gemaltem Volksbühnen-Shirt
fotografieren, er ist offenbar sehr stolz, jetzt auch Teil dieses Hauses zu
sein. Aber ist er das denn überhaupt? Die Off-Szene wittert ihre große
Chance, soviel ist klar. Der Name „Staub zu Glitzer“ lässt schlimmes
erahnen, das riecht gewaltig nach Techno-Hedonismus und Afterhour, nach
3-Tage-Wach-Revolution und Montags kommt dann der große Kater. Aber man
macht es ja selbst auch nicht besser. Auf einem Banner steht „Make Berlin
Geil again“. Ok, jetzt reichts, runter ins Foyer.
Ein Liedermacher zupft einen Song auf seiner Klampfe. „Die Gedanken können
wandern“ nennt er das Werk. An der Garderobe spielt jemand Klavier, „House
of the rising Sun“, zwei junge Frauen tanzen dazu. „Lasst euch
niederknüppeln, ihr Hippies!“ schreit einer und stapft davon. „Wie kann so
etwas Gutes so falsch sein? Warum ist so etwas Schönes so schlecht?“ fragte
ein Berliner Rapper bereits 1998.
Selten wurden einem die eigenen Widersprüche so deutlich aufgezeigt wie
hier und heute. Und das ist mehr, als ein Großteil der deutschen
Theatermacher seit Jahren zustande bekommen hat, trotz all der grausamen
Auswüchse, die so eine Aktion mit sich bringt. Ich flüchte ins Deutsche
Theater. Nirgends stinkt es. Endlich normale Spießer. Die Menschen mit den
schwarzen Rollkragenpullovern und der sehr genauen Vorstellung von Kunst,
haben auch eine Meinung zu all dem, was in fußläufiger Entfernung passiert.
„Das ist wie eine Bombe, die einschlägt. Erst mal is’ Kacke, aber dann
könntet jut werden.“
24 Sep 2017
## AUTOREN
Juri Sternburg
## TAGS
Berliner Volksbühne
Besetzung
Klaus Lederer
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Klaus Lederer
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