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# taz.de -- Grauenhafte Situation in Flüchtlingslagern: Vom Mittelmeer zurück…
> Von der EU unterstützt, bringt die libysche Küstenwache Migranten zurück
> nach Libyen. Doch die dortigen Unterkünfte gleichen Folterlagern.
Bild: Rückgeführter Migrant in Haftanstalt in Libyens Hauptstadt Tripolis
Berlin taz | Weit über 10.000 Menschen hat die von der EU ausgebildete und
unterstützte libysche Küstenwache in den letzten Monaten im Mittelmeer
aufgegriffen und nach Libyen zurückgebracht. Nach einer kurzen Versorgung
durch die UN-Organisationen UNHCR und IOM geht es für sie geradewegs zurück
in die Hölle.
Wie das Auswärtige Amt jetzt in Antworten auf eine Bundestagsanfragen der
Linken bestätigt, die der taz vorliegt, werden die Menschen direkt in
staatliche Internierungslager des Department for Combating Illegal
Migration (DCIM) des libyschen Innenministeriums gebracht.
Berichte, nach denen es dort „regelmäßig zu äußerst schwerwiegenden
Menschenrechtsverletzungen“ gekommen sei, nennt das Auswärtige Amt
glaubhaft. „Rechtsschutzmöglichkeiten fehlen“, die Lager seien von „star…
Überfüllung, mangelhaften sanitären Verhältnissen, Nahrungs- und
Arzneimittelengpässen“ gekennzeichnet.
Vor Kurzem hatte der Journalist Michael Obert aus einem Lager nahe Zawiya
über grauenerregende Schilderungen der Insassen berichtet. Blutverschmierte
Frauen hätte ihm von Massenvergewaltigungen berichtet. Die Anfrage bezieht
sich auf diese Berichte.
Nachzuverfolgen, was mit den Menschen geschieht, nachdem sie in die
DCIM-Lager kommen, sei „nicht möglich“, so das Auswärtige Amt. Die
Bundesregierung weise „die libysche Einheitsregierung auf ihre
Verantwortung für die menschenwürdige Behandlung von Flüchtlingen und
Migranten hin“.
## Jeeps und kugelsichere Westen
Die libysche Küstenwache bekommt den Angaben zufolge aus Mitteln des
EU-Treuhandfonds für Afrika Schlauchboote, Jeeps, Busse, kugelsichere
Westen und Kommunikationsausrüstung. Im Mai und Juni 2017 übergab die
italienische Regierung der libyschen Küstenwache vier Patrouillenboote.
Insgesamt fließen mehrere hundert Millionen Euro aus der EU, ein Teil davon
aus Deutschland, nach Libyen, um die irreguläre Migration einzudämmen.
Nach einem Besuch von Außenminister Sigmar Gabriel in einem der DCIM-Lager
im Mai hatte die Bundesregierung dem UNHCR und der IOM 50 Millionen Euro
für den Schutz von Migranten in Libyen bewilligt – den Organisationen, die
die auf dem Meer aufgegriffenen Menschen nun zwischenversorgen, bevor sie
wieder in die Lager kommen.
Die Linke interessierte sich auch für Berichte der Washington Post über
Küstenwachen-Kommandant Ibrahim Miald, genannt Al Biya. Der ist ein
ehemaliger islamistischer Kämpfer, der jahrelang in Berlin lebte. Er soll
in die Schlepperei verwickelt sein und die Misshandlung aufgegriffener
Flüchtlinge billigen, um diese „ruhigzuhalten“, so das US-Blatt.
Das Auswärtige Amt hat die Antworten auf neun Fragen zu Al Biya mit Verweis
auf Quellenschutz der Geheimdienste als „Verschlusssache“ eingestuft: Sie
dürfen nur von Abgeordneten und ihren Mitarbeitern eingesehen werden. Die
Veröffentlichung könnte „für die Interessen der Bundesrepublik schädlich�…
sein, so das Auswärtige Amt.
„Die Bundesregierung bestätigt: Die EU und Italien tragen mit dazu bei –
und sie sind deshalb auch mit dafür verantwortlich –, dass die durch die
sogenannte libysche Küstenwache im Mittelmeer Geretteten in inhumane
Unterkunftsbedingungen zurückverbracht werden“, sagt Linken-Abgeordnete
Ulla Jelpke.
„Während der Bundesinnenminister sich öffentlich über die gestiegene Zahl
von Seenotrettungen durch libysche Kräfte freut, verschweigt er, dass diese
verzweifelten Menschen in unerträgliche Bedingungen und schwerste
Menschenrechtsverletzungen kommen.“
20 Sep 2017
## AUTOREN
Christian Jakob
## TAGS
Schwerpunkt Flucht
Libyen
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Migration
Afrika
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