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# taz.de -- TV-Produktionen mit Women of Color: Weder Spektakel noch Opfer
> Drei Produktionen mit und von Women of Color verändern das Fernsehen –
> gerade weil die nicht-weißen Hauptrollen erfrischend unspektakulär sind.
Bild: Hauptdarstellerin und Koautorin: Issa Rae in „Insecure“
Wir kennen die Geschichten auswendig: Ein weißer, heterosexueller Cismann
rettet die Welt – am liebsten gleich die gesamte Galaxie. Sofort wird klar:
Das ist ein harter Typ. Aber innerlich ist er ein Schnucki, und Humor hat
er auch. Und natürlich ist der Held ein Orgasmusgenerator. Frauen lieben
ihn, und er liebt sie zurück. Manchmal posiert er oben ohne, und meisten
machen sich die Frauen direkt untenrum frei.
Aber es gibt eine gute Nachricht: Die Zahl der Protagonistinnen in
Fernsehproduktionen steigt. Überwiegend sind es trotzdem noch immer weiße
Frauen – das geht aus einer Studie der Universität San Diego hervor.
Produktionen mit nicht-weißen Hauptdarstellerinnen sind dagegen nach wie
vor rar. Sie erhalten zwar Aufmerksamkeit und Fernsehpreise, doch es wird
Zeit, dass genau diese Figuren und ihre Geschichten keine Attraktionen mehr
sind, sondern zum Mainstream gehören.
Drei zeitgenössische Produktionen zeigen, dass es Hoffnung gibt. Die
Hauptrollen der Serien „Chewing Gum“ und „Insecure“ sowie des
Netflix-Spielfilms „The Incredible Jessica James“ sind alle mit Women of
color besetzt, teilweise stammen auch Drehbuch und Regie von nicht-weißen
Frauen.
Gemein haben die drei Produktionen aber vor allem, dass sie
Identifikationsmomente für ein breites Publikum bieten. Die nicht-weißen
Figuren sind weder als supererfolgreiche Ausnahmepersönlichkeiten angelegt,
noch sind sie von einem schweren Schicksal gezeichnet, das sie in die
Opferrollen zwängt. Sie scheitern und lieben und lachen wie du und ich und
sind gerade deshalb so überzeugend. Weil sie die Realität abbilden, statt
stereotype Bilder zu reproduzieren.
## Merkwürdig und leicht
Wer sich auf die Suche nach dem Leichten, Merkwürdigen und Witzigen macht,
wird bei „Chewing Gum“ fündig. Die britische Serie spielt in einem der
ärmeren Bezirke Londons, wo die 24-jährige Tracey versucht, ihre
Jungfräulichkeit loszuwerden. Eigentlich hat ihre ultrareligiöse Mutter ihr
beigebracht: Kein Sex vor der Ehe! Aber Tracy interessiert das nicht. Sie
will Sex, und zwar sofort. Großartig, wie sie sich auf die Suche danach
macht und dabei immer wieder grandios scheitert.
„Chewing Gum“ ist eine semi-autobiografische Serie der Drehbuchautorin
Michaela Coles. Jeder sanftmütige Augenblick wird hier mit Fremdscham,
Unbehagen und Ekel zerstört. Manchmal mit einem Herpes oder mit
orangefarbener Kotze auf weißer Baumwollunterwäsche.
Klassenunterschiede, unterdrückte Sexualität, Freundschaften, Beziehungen,
Geschlechterrollen und Religion sind zentrale Themen in „Chewing Gum“. Aber
der lockere Umgang mit ihnen soll nicht nur unterhalten, so Coles im
Gespräch mit dem Guardian: „Ich möchte nicht etwas schreiben, das Menschen
nicht verstört.“
Die US-Serie „Insecure“ dagegen beschäftigt sich mit den ganz banalen
Fragen, die viele Frauen um die 30 kennen: Steht mir dieser Lippenstift?
Bin ich glücklich in meinem Job? Möchte ich mein Leben mit einem Mann
zusammen verbringen, der den ganzen Tag auf der Sofa hockt? Es geht um
Freundschaften, chaotische Beziehungen, Alltagsrassismen und Sex. Aber vor
allem geht es um Unsicherheiten in einer komplex vernetzten Welt: Was ist
der richtige Weg für mich?
Erfrischenderweise hat keine der Figuren eine Antwort parat. Die
Protagonistin Issa, gespielt und mitgeschrieben von Issa Rae, die mit der
Webserie „Awkward Black Girl“ 2011 berühmt wurde, arbeitet bei einer NGO,
die mit benachteiligten Schwarzen Kindern arbeitet, aber sie ist die
einzige Schwarze im Team. So wird sie ständig mit Klischees konfrontiert –
ihre inneren Ausbrüche teilt sie mit den Zuschauer*innen in Form von
Raps vor dem Badezimmerspiegel. Die kompromisslose Ehrlichkeit macht die
Serie oft zu einem beinahe unerträglichen Erlebnis, weil sie das Publikum
mit selbstbetrügerischen Ausreden konfrontiert.
## Generation Tinder
Die Netflix-Filmproduktion „The Incredible Jessica James“ dreht sich
derweil um eine junge Drehbuchautorin, die versucht Karriere zu machen und
sich fleißig bei den großen Bühnen der Welt bewirbt. Mit den
Absageschreiben tapeziert sie ihr Wohnzimmer, als wäre sie stolz darauf
oder als wollte sie, dass sie zu einer Alltagsrealität werden, die nicht
vergessen werden darf.
Jessica (Jessica Williams) versucht sich zugleich von einer schmerzhaften
Trennung mit Tinder-Dates zu erholen, was aber nur für Frustration sorgt.
Bei einem Blinddate trifft sie auf Boone (Chris O’Dowd), der kurz nach
seiner Scheidung hilflos dasteht. Die Verklemmtheit ist erst dann besiegt,
als sich die beiden versprechen, ehrlich miteinander umzugehen. Und so
beginnt ein offenes, herzerwärmendes Nebeneinander.
Der Film thematisiert Probleme, die der Generation Tinder bekannt sind:
Die Schwierigkeit, sich nach dem Ende einer langen Beziehung für neue Dates
zu öffnen. Die Angst davor, verurteilt zu werden. „The Incredible Jessica
James“ tröstet genau da, wo es notwendig ist – unabhängig von Herkunft und
Hautfarbe.
5 Sep 2017
## AUTOREN
Sibel Schick
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