Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- ZDF-Fernsehwebserie: Aus dem Leben einiger Hipster
> „Just Push Abuba“ erzählt von einer Berliner WG – von Identitätsfragen
> und „Berghain“-Gästelisten. Zuerst auf YouTube, jetzt auch beim ZDF.
Bild: Insta-Girl (Cheyenne Savannah Ochsenknecht), Toni (Anton Weil, M.) und Am…
Man darf ja keine Gelegenheit verstreichen lassen, darauf hinzuweisen, dass
Rudolf Thomes „Berlin Chamissoplatz“ (1980) einer der schönsten, [1][wenn
nicht der schönste Berlin-Film überhaupt] ist. Bei der ersten Begegnung der
künftigen Liebenden, der Studentin Anna und des Architekten Martin, zitiert
sie aus dem „Tagesspiegel“: „Im Gegensatz zu anderen Städten werden in
Berlin alte Mietshäuser nicht allein aus hygienischen, städtebaulichen und
wirtschaftlichen Gründen abgerissen, sondern auch mit dem Ziel der
Mengenregulierung, weil man glaubt, nur so künftige Überangebote verhindern
zu können. Die Statistiker rechnen für 1990 mit einer Abnahme der
Bevölkerung um eine Viertelmillion und etwa 200.000 leerstehenden Wohnungen
…“
Von Rudolf Thome hat der Kinogänger zuletzt aus dem Dokumentarfilm „Rudolf
Thome – Überall Blumen“ (2016) erfahren. Da sieht man ihm bei der
Gartenarbeit auf seinem Bauernhof im südbrandenburgischen Niendorf zu. Und
dabei, wie er an der Finanzierung seines 29. Spielfilms schließlich
scheitert. Das Fernsehen hat kein Interesse mehr. Über Skype berät er sich
mit der in New York studierenden Tochter Joya – einen letzten Versuch mit
Kickstarter will sich der auf die 80 zusteuernde Mann dann doch nicht mehr
antun.
Im vergangenen Jahr lief nun Joya Thomes erster Langfilm „Königin von
Niendorf“ in den Kinos. Das Interesse des Fernsehens war geweckt und Joya
Thome bald (neben Benjamin Cantu und Dieu Hao Do) mit der Regie einer neuen
ZDF-„Fernsehserie“ betraut. Die Anführungszeichen müssen sein, weil das Z…
zwar alle sechs Folgen heute im Nachtprogramm versendet. Aber eigentlich
ist „Just Push Abuba“ (Headautor: Niko Schulz-Dornburg) als Webserie
konzipiert und schon seit einem Monat bei YouTube abrufbar. Dem Zuschnitt
auf die digital geborene Zielgruppe und deren vorgeblich minimale
Aufmerksamkeitsspanne entspricht die Episodenlänge von sieben oder acht
Minuten. Und die Sprache.
## Mehr englisch als deutsch
Toni (Anton Weil) ist gebürtiger Kreuzberger und lebt in seiner WG mit der
Griechin Lucia (Elli Tringou) und dem Koreaner Joon zusammen. Das Zimmer,
das sie nicht übrig haben und das deshalb nur ein per Vorhang abgetrennter
Verschlag ist, vermieten sie online an Leute wie das kalifornische
Bloggerpärchen, das Berlin für die hipste Stadt Europas hält.
Wo heute so viel Englisch gesprochen wird, dass sich ein derzeitiger
[2][CDU-Bundesminister im vergangenen Jahr darüber empören zu müssen
meinte]. Möge er sich jetzt auch noch über die vom Staatsfernsehen bezahlte
Serie aufregen, die doch nur die Realität abbildet – oder sie leicht
überzeichnet, wenn der mit allen Hipster-Wassern gewaschene und also auch
mit dem DIY-Trend vertraute Toni den Verschlag schönredet: „I made it
myself out of Europaletten. It just means so much more when you’ve built it
with your own hands!“ Da kommt der Sender, der in seinem Hauptprogramm noch
jeden englischsprachigen Film totsynchronisiert hat, auf Abuba.zdf.de
plötzlich ohne Untertitel aus (während die YouTube-Version untertitelt
ist).
Insofern ist „Just Push Abuba“ – „Abuba“ steht auf dem Klingelschild …
noch konsequenter als „Nix Festes“, die gerade erst auf ZDFneo
(gewissermaßen auf halbem Weg zu YouTube) gezeigte Berliner-WG-Serie mit
Josefine Preuß, die einmal [3][mit „Türkisch für Anfänger“] angefangen
hatte, was auch schon eine Art Berliner-WG-Serie war. Auch die Besetzung
Joons in „Just Push Abuba“ mit dem „zu den Top 11 Prozent der deutschen
YouTuber“ (ZDF) gehörenden Joon Kim ist so beinahe kompromisslos
gegenwärtig wie die Herausforderungen, an denen die Antihelden auf ihrer
atemlosen Jagd nach positiven Online-Bewertungen Folge um Folge scheitern:
von Genderidentität bis „Berghain“-Gästeliste (man müsste halt wissen, d…
man da als „Abuba“ geführt wird).
In Folge vier (wie Folge eins von Joya Thome) ist der Gast ein für einen
TED-Talk nach Berlin gekommener berühmter Psychoanalytiker, um dessen
Aufmerksamkeit Toni und Lucia konkurrieren – und dessen Stuhlgang eine
gewisse Rolle spielt. Das gemeinsam genutzte Klo: ein ganz und gar
klassisches WG-Thema. Den Analytiker gibt Hanns Zischler, der in „Berlin
Chamissoplatz“ unter der Regie von Joya Thomes Vater den Architekten Martin
gespielt hatte. Damals hatten an besagtem Platz noch nicht alle Wohnungen
eine eigene Toilette. 38 Jahre später rechnen die Statistiker für 2030 mit
einem Wachstum der Bevölkerung auf bis zu vier Millionen. 200.000
leerstehende Wohnungen – schön wär’s!
16 Apr 2018
## LINKS
[1] /!5306843
[2] /!5436298/
[3] /!5172610/
## AUTOREN
Jens Müller
## TAGS
Berlin
öffentlich-rechtliches Fernsehen
ZDF
Hipster
Miniserie
Kollektiv
Schwerpunkt Glyphosat
Schwerpunkt Gender und Sexualitäten
Netflix
Transgender
## ARTIKEL ZUM THEMA
ZDFneo-Serie „Dead End“: Vom skurrilen Sterben
„Dead End“ will Krimi sein, ist aber nicht spannend. Die Serie will auf
eine abgründige Weise komisch sein, ist aber kein bisschen zum Lachen.
Tagung der Dokfilm-Initiative NRW: Die Renaissance des Kollektivs
Das Kollektiv feiert im Film seine Rückkehr. Von tatsächlicher Gemeinschaft
fehlt jedoch jegliche Spur.
Neuer Zoff um Unkrautgift: Groko streitet über Glyphosat
Landwirtschaftsministerin Klöckner äußert Bedenken, Glyphosat zu verbieten.
Damit positioniert sie sich konträr zu Umweltministerin Schulze.
Dokumentarserie auf YouTube: Erfahrungen greifbar machen
Die Webserie „Berliner Farben“ porträtiert People of Color aus der Kunst-
und Aktivismusszene. Nun erscheint die zweite Staffel auf YouTube.
TV-Produktionen mit Women of Color: Weder Spektakel noch Opfer
Drei Produktionen mit und von Women of Color verändern das Fernsehen –
gerade weil die nicht-weißen Hauptrollen erfrischend unspektakulär sind.
Webserie über Transmenschen: Therapeut YouTube
In einer Webserie berichten Transmenschen von Krisen und OPs. Mit der Zeit
wird sichtbar, wie sie Selbstbewusstsein gewinnen.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.