| # taz.de -- ZDFneo-Serie „Dead End“: Vom skurrilen Sterben | |
| > „Dead End“ will Krimi sein, ist aber nicht spannend. Die Serie will auf | |
| > eine abgründige Weise komisch sein, ist aber kein bisschen zum Lachen. | |
| Bild: Emma (Antje Traue, r.) findet bei jedem Todesfall das Haar in der Suppe | |
| Sie wurde, soweit bekannt, in keinem der Nachrufe auf den gerade | |
| [1][verstorbenen Bruno Ganz] auch nur erwähnt: dieser ZDF-Sechsteiler | |
| „Tassilo – Ein Fall für sich“, in dem Ganz seine erste Fernsehrolle | |
| gespielt hat. Vielleicht wäre man ohne den Tod des Schauspielers jetzt auch | |
| gar nicht auf diesen ZDF-Sechsteiler aus lange vergangenen Zeiten gekommen, | |
| wäre der Vergleich [2][mit einer neuen ZDFneo-Miniserie] mit sechs Folgen | |
| allzu weit hergeholt. | |
| In Tassilo ermittelt ein gerade aus den Staaten in die deutsche Provinz | |
| Heimgekehrter, aber was heißt hier „ermittelt“?! Weil ihm da am Bodensee in | |
| der so wohlhabend-wohlanständigen schwäbischen Provinz die Klienten für | |
| sein „Büro für Auskunft und Wissen“ ausbleiben, macht sich Tassilo unter | |
| Einsatz eines nicht eben geringen Maßes an krimineller Energie daran, die | |
| Anlässe für seine anschließende Beauftragung selbst zu schaffen. Es kommt | |
| immer anders, als er plant. Herrlich. | |
| Für das Cowboy-Klischee hat damals übrigens eine von Tassilo mitgebrachte | |
| Texanerin mit Gitarre gesorgt. In der, so der Titel der neuen | |
| ZDFneo-Miniserie, ist es die Protagonistin selbst, die die Cowboystiefel | |
| trägt, wenn sie, inszeniert als kleine Western-Parodie, in dem | |
| brandenburgischen Provinzkaff aus dem Feuerross steigt, über das sogar der | |
| eigene Bürgermeister sagt: „Öde, langweilig, hässlich.“ | |
| ## Die Gedanken schweifen ab | |
| „Mit den Cowboys kam das Verbrechen“ heißt die erste Folge, und wer da | |
| gleich „Mit den Clowns kamen die Tränen“ assoziiert … Es muss einen Grund | |
| haben, dass die Gedanken bei „Dead End“ ständig abschweifen. Es hat einen | |
| Grund, einen ganz banalen: „Dead End“ will Krimi sein, ist aber überhaupt | |
| nicht spannend. „Dead End“ will auf so eine abgründige Weise komisch sein, | |
| ist aber kein bisschen zum Lachen. | |
| Öde, langweilig – nein, „hässlich“ ginge jetzt zu weit. Allein schon we… | |
| Schauspieler [3][Michael Gwisdek]. Den ältlichen (Ost-)Schluffi hat er | |
| drauf, den leiert er routiniert runter – und schon hat er alle anderen hier | |
| an die Wand gespielt. Er ist Rechtsmediziner in seiner Rolle, seine | |
| Tochter, die USA-Heimkehrerin ist es auch. „Der letzte Zeuge“ war mal eine | |
| schöne, wortwitzige deutsche Rechtsmediziner-Serie mit dem verstorbenen | |
| Ulrich Mühe … In „Dead End“ gehen Dialoge zwischen Papa Leichenbeschauer | |
| und Tochter Forensikerin so – er sitzt gerade über einem Kartoffelsalat mit | |
| viel Mayonnaise, wie man ihn in der schwäbischen Provinz nicht servieren | |
| würde. | |
| Sie: „Todesursache: Apoplex aufgrund fortgeschrittener Arteriosklerose.“ | |
| Er: „Erhöhte Blutfettwerte sind nicht der Hauptfaktor für Herzinfarkt und | |
| Schlaganfall. Gibt jetzt ’ne neue Studie, ’ne Ernährungsstudie: Paläo. Ja. | |
| Ha’m ja schon die Steinzeitmenschen gemacht.“ Sie: „Die sind ja auch nicht | |
| gerade dafür bekannt, dass sie besonders alt geworden wären, oder?“ | |
| Rhetorische Frage – ebenso unbeantwortet bleibt aber die, wer eigentlich | |
| die „Cowboys“ aus dem Titel der ersten Folge sein sollen. Außer dem | |
| brandenburgischen Cowgirl kommt da niemand. Aber mit Emma Kugel kommt das | |
| Verbrechen, weil sie bei wirklich jedem vermeintlich natürlichen Todesfall | |
| das Haar in der Suppe, also das Fremdverschulden, findet. Sei es ein mit | |
| der Scheune verbrannter Obdachloser, eine im Altersheim scheinbar selig | |
| entschlafene Hundertjährige, ein im Baum hängen gebliebener | |
| Fallschirmspringer. „Ey, wo du auftauchst, machst du Probleme, wirklich!“, | |
| sagt der Bürgermeister (Fabian Busch). „Sag mal, ist dir wirklich hier so | |
| langweilig, dass du immer nur Probleme suchst, da, wo überhaupt gar keine | |
| sind?!“, fragt der Vater. | |
| Sie nervt. Auch den Zuschauer, weil ihre Exzentrik und Verschrobenheit | |
| bloße Behauptung bleiben und man sie der Hauptdarstellerin Antje Traue | |
| keine Sekunde lang abnimmt. Wenn sie da angeblich lustvoll verträumt mit | |
| ihren Händen in die Innereien eines Tierkadavers greift: „Siehst du das | |
| Rot? Die Strukturen, die Verätselungen. Es ist komplex und doch ganz | |
| einfach. Es ist alles an seinem Platz, und das ist beruhigend. Das ist die | |
| wahre Welt. Alles andere ist nur eine Idee, ein Vorschlag. Hier gibt es | |
| kein Vielleicht, es ist wunderschön.“ | |
| Da suchen Buch (Magdalena Grazewicz, Thomas Gerhold) und Regie (Christopher | |
| Schier) nach dem Nerdigen, Morbiden und Abgründigen – und landen beim | |
| Kitsch. Es gab da mal so eine wunderbar nerdig-morbide-abgründige Serie, | |
| „Six Feet Under“ … | |
| 26 Feb 2019 | |
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| ## AUTOREN | |
| Jens Müller | |
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