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# taz.de -- Tagung der Dokfilm-Initiative NRW: Die Renaissance des Kollektivs
> Das Kollektiv feiert im Film seine Rückkehr. Von tatsächlicher
> Gemeinschaft fehlt jedoch jegliche Spur.
Bild: 4. Juni 1980: Die Republik Freies Wendland wird geräumt
Frauen und Männer in Latzhosen, in der Hand eine Schaufel oder eine Säge,
manchmal auch ein Bier. Gute Laune bei schwerer Arbeit. Dann wird mit
gebündelter Kraft von vielen ein Baustamm durchs Dorf mit seinen
windschiefen Holzhütten getragen und unter lautem Jubel abgelegt.
Gemeinschaft steht hier hoch im Kurs. Denn das selbstverwaltete und
-gezimmerte Dorf ist einer der Fixpunkte bundesrepublikanischer
Alternativkultur: die legendäre Republik Freies Wendland, die nach einer
Bohrlochbesetzung 1980 im Zuge der Gorleben-Proteste entstand und nach nur
33 Tagen munteren Lebens ein brutales Ende unter Polizeiknüppeln fand.
Die oben beschriebenen Szenen sind zu sehen in dem Dokumentarfilm „Der
Traum von einer Sache“ (1981). Der war selbst Produkt kollektiver Arbeit –
nämlich ein Werk der Wendländischen Filmkooperative (wfko), die Niels
Bolbrinker, Bernd Westphal, Thomas Wittenberg und Roswitha Ziegler 1975 als
kritische Chronistin von Anti-AKW-Bewegung und Gesellschaft gründeten.
In veränderter personeller Besetzung bis heute aktiv: Zieglers Tochter Rosa
Hannah ist nun dabei. Mutter und Tochter waren jetzt in Köln zu Gast bei
einer [1][Tagung der Dokumentarfilminitiative NRW (dfi)]. Dort verhandelte
man die Frage, ob und wie – so die These – das Kollektivkonzept mit seiner
historisch aufgeladenen Geschichte gerade bei jungen Filmemacher*innen der
Gegenwart Auferstehung feiert.
Natürlich ist Film (fast) immer Teamarbeit und Networking schon lange
Voraussetzung (fast) jeden Erfolgs. Doch nach Beobachtung von dfi-Leiterin
Petra L. Schmitz haben sich gerade in letzter Zeit immer mehr junge
Filmschaffende gezielt als „Kollektiv“ oder „Kooperative“ positioniert.
Acht solcher Teams waren nach Köln eingeladen, um sich und ihre Arbeit
vorzustellen: Alteingesessene wie die wfko und blutjunge wie das neopan
kollektiv aus Stuttgart; große wie die selbstverwaltete Filmschule
filmarche und kleine wie die dreiköpfige Produktionskooperative Petrolio.
## Nirgendwo wird Geld verdient
Aber auch solche, die sich mit der Vermittlung von Film befassen wie die
Zeitschrift Revolver oder die Plattform Dokomotive. Verbunden sind sie bei
aller Heterogenität durch die Tatsache, dass bei ihnen – zumindest bis
jetzt – nirgendwo Geld verdient wird. Und dass besonders die jungen, aus
Filmschulen ausgegründeten Produktionskollektive viel weniger emphatisch an
das Thema Kollektivität herangehen, als es ihre Vorläufer taten. Von
„gemeinsam leben und arbeiten“ keine Spur.
Stattdessen geht es ihnen ganz pragmatisch darum, Synergien zu bündeln, um
den schwieriger werdenden Marktbedingungen zu trotzen. Auffällig ist, dass
sich fast alle der in Köln auftretenden Filmschaffenden von Filmförderung
und Fernsehen losgesagt haben, weil sie meinen, dort ihre Energien nur in
bürokratischen Reibereien zu vergeuden.
Eine interessante Entwicklung, die aber auch zur Folge hat, dass sich der
in der Themenwahl der Filmschaffenden präsente politische Anspruch nicht in
entsprechendem filmpolitischem Engagement wiederfindet. Dies führte in Köln
zu Kritik durch (ältere) Teile des Publikums, die hier mehr Verantwortung
einforderten. Oder ist es, wie Saskia Walker von Revolver mehrfach anregte,
derzeit vielleicht realistischer, weniger auf Änderungen in der
Förderlandschaft als auf die Durchsetzung des Bedingungslosen
Grundeinkommens zu setzen? Zeit zum Nachdenken bleibt bis zu einem zweiten
Teil der Tagung am 20. und 21. September.
23 Apr 2018
## LINKS
[1] http://www.dokumentarfilminitiative.de/index.php/burgermenue/aktuell-burger…
## AUTOREN
Silvia Hallensleben
## TAGS
Kollektiv
Kooperative
Dokumentarfilm
Doku
Filmemacher
Berlin
Lesestück Interview
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