Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Brauchen wir Diesel für Klimaziele?: Hust, hust
> Die Regierung preist den Dieselmotor wegen seines niedrigen Verbrauchs
> als Klimaschützer an. Selbst das Umweltbundesamt widerspricht.
Bild: Werden nach und nach von Diesel- auf Elektroantrieb umgerüstet: Busse in…
Berlin taz | „Deutschlands ungeliebte Klimaschützer“ hieß 2007 eine
Werbeaktion der deutschen Nuklearlobby. Auf bunten Sommerbildern wurden die
17 deutschen Atomkraftwerke als CO2-Sparer angepriesen. So ähnlich
versuchen derzeit Regierung und Autolobby, dem unpopulären Dieselmotor
wieder einen guten Ruf zu verpassen. So auch am Sonntag [1][im TV-Duell].
Zwar warf Angela Merkel der Autoindustrie wegen der Diesel-Affäre
Vertrauensbruch vor, sie sei wegen der Gefährdung einer Schlüsselindustrie
und Tausender Jobs „stinksauer“, sagte die Kanzlerin. Aber: „Wir brauchen
den Diesel, um die Klimaschutzziele einzuhalten.“ Von SPD-Kanzlerkandidat
Martin Schulz folgte kein Widerspruch.
Und auch am Montag beim zweiten Dieselgipfel im Kanzleramt erklärten sowohl
SPD-Außenminister Sigmar Gabriel als auch der grüne Ministerpräsident von
Baden-Württemberg, Winfried Kretschmann, die Dieselmotoren zu Klimarettern.
Und auch für den Verband der Automobilindustrie (VDA) ist der Diesel
„unverzichtbar für die EU-Ziele zum Klimaschutz“.
Widerspruch kommt jetzt zunehmend von Experten, Umweltgruppen und dem
Umweltbundesamt. „Vom Diesel als Klimaretter kann keine Rede sein“, heißt
es von der Behörde unter der Regie des Umweltministeriums. „Unsinn“, sagt
Verkehrsexperte Peter Mock vom internationalen Umwelt-Forschungsverbund
ICCT zu dem Argument, die umstrittene Technik sichere den Klimaschutz.
Und für Gerd Lottsiepen vom Öko-Verkehrsclub VCD hat der Diesel nur beim
Vergleich mit gleich großen Benzinmotoren einen Vorteil. „Aber der Aufstieg
der spritschluckenden Geländewagen mit ihren großen Motoren ist nur durch
den billigen Diesel zu erklären“, so Lottsiepen. Für eine Verkehrswende und
die Klimaziele von Paris müssten die Autos aber wieder kleiner werden.
## Förderung von Diesel-PKW
Unbestritten ist das technische Potenzial des Dieselmotors. Bei gleicher
Motorleistung erzeugt er bisher bis zu 15 Prozent weniger Klimagas CO2 als
ein Benzinantrieb. Mit diesem Argument fördert die Bundesregierung seit
Jahren die Diesel-Pkws. Für die EU-Klimaziele sei das dringend nötig, sagt
Eckehart Rotter vom VDA. „Jeder Prozentpunkt weniger Diesel in der Flotte
bringt uns weiter weg von den Klimazielen.“
Genau das passiert gerade: Laut Daten des Kraftfahrtbundesamts (KBA) ist
der Anteil der Dieselwagen an den Neuzulassungen seit Anfang 2017 von 45
auf 40 Prozent gesunken – der durchschnittliche CO2-Ausstoß der deutschen
Autos steigt gleichzeitig jeden Monat um etwa ein halbes Prozent.
Für das Umweltbundesamt ist der Klimavorteil des Diesels aber nur
theoretisch. Denn der geringere Verbrauch werde durch größere Motoren
wettgemacht. „2015 lagen die CO2-Emissionen bei Neuzulassungen mit 129
Gramm CO2 bei Diesel und Benzinern gleichauf“, heißt es in einer
Umweltbundesamt-Erklärung. „Diesel haben insgesamt keine besseren Werte als
Benziner.“ Der gesamte CO2-Ausstoß des Verkehrs ist seit 1990 praktisch
nicht gesunken. Die Autos wurden zwar effizienter, fuhren aber mehr – unter
dem Strich sinken deshalb die Emissionen nicht, anders als etwa bei den
Kraftwerken.
Die Bundesregierung hat in ihrem Klimaschutzplan 2050 zwar festgeschrieben,
dass die Abgase aus dem Verkehr bis 2030 um 45 Prozent sinken sollen – aber
wie das funktionieren soll, weiß niemand. Einen konkreten Vorschlag hat
dazu das Umweltbundesamt gemacht. In einer aktuellen Untersuchung fordert
die Behörde schärfere CO2-Werte für Motoren, massive Investitionen in die
E-Mobilität, besseres Angebot bei Bus und Bahn und ein Ende für
umweltschädliche Subventionen, etwa beim Dieseltreibstoff.
Auch Peter Mock vom ICCT sieht den Diesel nicht als Lösung. Es gebe kaum
noch Unterschiede bei den Motoren: „Der neue Golf stößt als Benziner nur
ein bis zwei Gramm CO2 mehr aus“, sagt Mock. Dafür sei der Benzinmotor
deutlich billiger. Nach einer aktuellen ICCT-Studie könnte ein schneller
Umstieg auf Hybrid- und Elektroautos die Klimaziele viel schneller
erreichen als der Diesel: Selbst wenn der Anteil der Dieselantriebe EU-weit
von fast 50 auf 15 Prozent zurückginge, seien die europäischen Klimaziele
zu halten.
5 Sep 2017
## LINKS
[1] /!5444327
## AUTOREN
Bernhard Pötter
## TAGS
Diesel
Schwerpunkt Klimawandel
Verbrennungsmotoren
Bundesregierung
Subventionen
Diesel
Dieselskandal
VCD
Autos
Dieselskandal
Diesel
Dieselskandal
## ARTIKEL ZUM THEMA
Subventionen für fossile Energien: Problem erfolgreich wegdefiniert
Eigentlich wollte die Regierung umweltschädliche Subventionen – etwa für
Diesel – abbauen. Stattdessen bestreitet sie nun deren Existenz.
Bericht zu Fossil-Subventionen: Steuergeld für Klimakiller
Die EU lobt sich gern für ihre Klimaziele. Gleichzeitig spendieren die
Staaten aber jedes Jahr über 110 Milliarden Euro für Kohle, Öl oder Gas.
Stickoxid-Versprechen vom Dieselgipfel: Doch kein Geld für saubere Luft
750 Millionen Euro hatte die Kanzlerin den Kommunen versprochen, um die
Luft sauber zu machen. Im Haushalt finden sich nur 9 Millionen wieder.
Automobilindustrie in Deutschland: Durchwursteln, wie immer
Wer verstehen will, was alles an der Autoindustrie hängt, kann in Wolfsburg
ins Stadion gehen. Der E-Motor hat es schwer.
Kommentar VCD-Liste und Autoverkehr: Gefühle werden kaum helfen
Die VCD-Liste weniger umweltbelastender Autos zeigt mal wieder: Bewusstsein
und Verhalten sind zwei verschiedene Dinge.
Die Liste der Öko-Autos des VCD: Klein, aber fein
Der Ökoverkehrsclub VCD empfiehlt 34 Pkw-Modelle, mit denen man keine Angst
vor Umweltzonen und Fahrverboten zu haben braucht.
Kommentar Abgasskandal: Das Diesel-Märchen geht weiter
Von den Grünen bis zu Unionspolitikern herrscht Einigkeit: Sie alle wollen
Diesel-Fahrverbote verhindern. Die Gerichte werden da nicht mitmachen.
Luftverschmutzung durch Diesel-Abgase: Eine große Koalition für den Diesel
Der Fonds, der abgasgeplagte Kommunen unterstützen soll, wird auf eine
Milliarde Euro aufgestockt. Damit werden Busse umgerüstet.
Debatte der Grünen über Dieselskandal: Der Basis stinkt's gewaltig
Verkehrspolitiker wollen, dass die Diesel-Lobby im grünen Wahlkampf mehr
angegriffen wird. Sie richten Forderungen an die Parteispitze.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.