# taz.de -- Debatte der Grünen über Dieselskandal: Der Basis stinkt's gewaltig | |
> Verkehrspolitiker wollen, dass die Diesel-Lobby im grünen Wahlkampf mehr | |
> angegriffen wird. Sie richten Forderungen an die Parteispitze. | |
Bild: Immerhin die beiden verstehen sich gut: Winfried Kretschmann und sein Lie… | |
An der grünen Basis rumort es. Viele Mitglieder vermissen ein deutliches | |
Signal ihrer Parteispitze, wenn es um den Abgasbetrug der Autokonzerne | |
geht. Vier grüne Verkehrspolitiker haben daher ein Papier geschrieben, das | |
den pointierten Titel trägt: [1][„Flagge zeigen im Dieselskandal“.] | |
Der Text soll ein „Weckruf in Richtung Parteispitze“ sein und „unseren | |
Unmut ausdrücken“. Denn die vier Autoren wünschen sich mehr „grünes Prof… | |
beim Dieselskandal: „Wir wollen verhindern, dass unsere Kernkompetenz in | |
Verkehrsfragen aufs Spiel gesetzt wird.“ | |
Die grüne Parteispitze hält sich beim Dieselskandal bislang zurück, weil | |
das Autoland Baden-Württemberg von dem grünen Ministerpräsidenten Winfried | |
Kretschmann regiert wird. | |
Zu den vier Verfassern des Protestpapiers gehört Axel Friedrich, der | |
bereits 2005 als Abteilungsleiter beim Umweltbundesamt davor gewarnt hat, | |
dass viele Dieselfahrzeuge die Abgasnormen nicht einhalten. Mitautor ist | |
auch Hartmut Bäumer, der bis zu seinem Ruhestand 2014 grüner | |
Ministerialdirektor im baden-württembergischen Verkehrsministerium war. | |
Außerdem gehören Theresa Theune und Matthias Dittmer zu dem | |
Autorenkollektiv, die beide in der grünen Landesarbeitsgemeinschaft | |
Mobilität in Berlin aktiv sind. | |
## Zehn Forderungen an die Parteispitze | |
Die vier Verkehrsexperten haben zehn Forderungen formuliert, die die grüne | |
Parteispitze übernehmen soll. Sie schlagen eine „Sondersitzung des | |
Bundestages“ noch vor der Wahl vor, die sich mit dem Dieselskandal | |
beschäftigt. In der nächsten Legislaturperiode soll dann ein | |
Untersuchungsausschuss folgen. | |
Millionen von Autokäufern sind betrogen worden und haben Dieselfahrzeuge | |
gekauft, die sich nun als gesundheitsschädlich herausstellen. Die vier | |
Autoren fordern, dass die Unternehmen ihre geprellten Kunden entschädigen. | |
„Wer sein Auto zurückgeben möchte, muss dies ohne finanziellen Verlust | |
umsetzen können.“ | |
Bisher weigert sich die Automobilindustrie, die Dieselfahrzeuge technisch | |
nachzurüsten. Stattdessen soll nur die Software verbessert werden, was aber | |
nicht ausreicht, um die Stickoxidbelastung in den Innenstädten zu | |
reduzieren. Das Papier verlangt daher: „Die Euronorm 6 ist sofort | |
umzusetzen.“ | |
Auch solle es nicht mehr möglich sein, bei der Kontrolle zu tricksen, indem | |
man die Autos in speziellen Laboren testet: „Allgemeingültige | |
Schadstoffmessungen dürfen in Zukunft nur im Fahrbetrieb auf der Straße | |
vorgenommen werden.“ | |
## Die Chefs sehen sich bestätigt | |
Erfüllt ein Dieselfahrzeug die Euro-6-Norm nicht, soll es aus den | |
Innenstädten verbannt werden. Den Schaden müssten die Autokonzerne | |
ersetzen. | |
Jährlich sterben in Deutschland etwa 7.000 Menschen vorzeitig, weil die | |
Stickoxidbelastung zu hoch ist. Die vier Grünen verlangen, dass die | |
Autokonzerne einen „staatlich kontrollierten Fonds“ finanzieren sollen, | |
„der gesundheitlich Geschädigte entschädigt“. Um diese Forderungen | |
durchzusetzen, sollen die Grünen das Verkehrsministerium verlangen, falls | |
sie an der nächsten Bundesregierung beteiligt sind. | |
Die grüne Parteispitze versteht die Aufregung nicht. Ein Sprecher sagte der | |
taz: „Es freut uns, dass das Papier unseren Kurs stützt. Das sind | |
Forderungen, die wir in ähnlicher Art und Weise vertreten.“ | |
Bäumer kontert: „Diese Forderungen werden nirgends plakatiert. Es gibt auch | |
keine Flyer. Das Thema Diesel spielt im grünen Wahlkampf nicht die Rolle, | |
die richtig und nötig wäre.“ | |
27 Aug 2017 | |
## LINKS | |
[1] https://www.gruene-linke.de/2017/08/25/flagge-zeigen-im-dieselskandal/ | |
## AUTOREN | |
Ulrike Herrmann | |
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