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# taz.de -- Berlin nach dem Diesel-Gipfel: „Es ist noch viel zu tun“
> Die Autoindustrie könne das Vertrauen nur wiederherstellen, wenn sie ihre
> Versprechen halte, sagt Berlins Bürgermeister, Michael Müller (SPD).
Bild: Michael Müller (Mitte) bei der Berliner Feuerwehr
taz: Herr Müller, Sie haben vor dem „Dieselgipfel“ gesagt, das Land Berlin
erwarte von den Herstellern die verbindliche Zusage einer schnellen und
drastischen Senkung der Stickoxid-Emissionen. Haben sich Ihre Erwartungen
erfüllt?
Michael Müller: Es ist etwas erreicht, aber noch sehr viel zu tun. Die
Software-Umstellung ist eine Sofortmaßnahme und als erster Schritt zu
sehen. Um Fahrverbote in Berlin zu vermeiden, brauchen wir aber weitere
Maßnahmen, allen voran eine verlässliche Umrüstung der Autos auf Kosten der
Hersteller. Diese darf aber nicht zu einem Anstieg anderer Emissionswerte
wie CO_2 oder einem erhöhten Kraftstoffverbrauch führen. Die
Automobilindustrie kann das verlorene Vertrauen nur wiederherstellen, wenn
sie jetzt ihre Versprechen einhält und zudem bei der Entwicklung konsequent
auf emissionsarme und emissionsfreie Autos setzt.
Eine zentrale Frage ist, wer die Umrüstung von Dieselfahrzeugen bzw. die
Erneuerung der Flotte bezahlen soll. Sie haben gesagt, das müsse die
Autoindustrie schon selber finanzieren. Ist das jetzt das Ergebnis, das
Ihnen vorschwebte?
Die Autoindustrie hat dies für die Dieselautos mit der Schadstoffklasse
Euro 5 und 6 angekündigt. Das ist gut. Aber auch die Verbraucher
niedrigerer Klassen wie Euro 4 brauchen klare und verlässliche Angebote für
den Umstieg. Da erwarte ich klare Aussagen und nicht nur etwas aufgestockte
Rabatte, die ohnehin gewährt werden. Wenn die Verbraucher zur Kasse gebeten
werden, ist nicht nur der Diesel für immer verloren, sondern auch das
Vertrauen in die Automobilindustrie langfristig geschädigt.
Muss sich Berlin auf ein gerichtlich angeordnetes Fahrverbot für
Dieselfahrzeuge in der Innenstadt einstellen? Und wäre das so schlimm? In
keiner anderen deutschen Großstadt spielt der private Pkw schon heute eine
geringere Rolle.
Das stimmt. Aber die Mobilität muss trotzdem gewährleistet sein – für
Privatleute, vor allen Dingen aber auch für den ÖPNV und den
Wirtschaftsverkehr, für viele tausend Handwerker. Mir dauert der Umstieg
auch zu lange. Berlin ist die digitale, smarte Hauptstadt Deutschlands. Wir
haben das nötige Know-how, um schneller zu sein. Ich will, dass wir
Angebote klug vernetzen, den ÖPNV schnell auf Elektro umstellen, neue
Logistikkonzepte vorantreiben. Darum geht es jetzt.
Sie propagieren als Ausweg aus dem Dilemma den Umstieg auf Elektromobilität
bei den öffentlichen Flotten. Das klingt gut, aber bis auf einen
Modellversuch auf einer wenig bedeutsamen BVG-Buslinie ist davon nicht viel
zu sehen. Wann passiert denn da etwas im größeren Maßstab?
Bis 2050 wollen wir in Berlin klimaneutral werden. Das Problem ist hier: Es
mangelt noch am nötigen Angebot auf dem Fahrzeugmarkt. Derzeit gibt es in
Deutschland und Europa keinen Hersteller, der Ihnen batteriebetriebene
Busse in großen Stückzahlen zu wirtschaftlichen Preisen liefern kann.
Zusammen mit Hamburg haben wir die gemeinsame Beschaffung von bis zu 200
emissionsfreien Bussen pro Jahr für unsere jeweiligen Verkehrsunternehmen
in Aussicht gestellt. Wir wollen der Industrie Anreize schaffen und eine
verlässliche Nachfrage signalisieren. Dabei sind wir nicht die Einzigen.
Dass die Produktion von Elektrofahrzeugen für die Logistik möglich ist,
zeigt derzeit die Deutsche Post DHL Group. Sie produziert ihre elektrischen
Zustellfahrzeuge selbst und erhält mehr und mehr Bestellungen für ihre
E-Scooter von Fremdfirmen, weil die Automobilhersteller die Nachfrage
offensichtlich nicht ernst genommen haben oder aussitzen wollten.
Eigentlich eine Schande!
Beim Fuhrpark des Senats ist einiges in Bewegung geraten, aber etliche
Senatoren und Staatssekretäre lassen sich weiterhin im Diesel fahren.
Sollten die nicht schnellstmöglich auf Benziner oder, noch besser,
Hybridfahrzeuge umsteigen? Das wäre doch ein wirksames Symbol!
Ziel des Senats ist der komplette Umstieg des Fuhrparks des Landes sowie
der Betriebe und Unternehmen, an denen das Land mehrheitlich beteiligt ist,
auf Elektro- und Hybridautos. Wo es möglich war, sind bereits
Senatsverwaltungen auf Hybrid-Fahrzeuge umgestiegen. Es gibt nicht für alle
Anforderungen unseres Fuhrparks entsprechende Hybrid- oder Elektroautos im
Angebot. Das ist ja das Problem. Wenn die deutsche Autoindustrie diese
Entwicklung weiter verschläft, müssen wir uns eben anderen Anbietern
zuwenden.
4 Aug 2017
## AUTOREN
Claudius Prößer
## TAGS
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