| # taz.de -- Kommentar Hamburger Messerstecher: Zu schnell radikalisiert | |
| > Die Bundesanwaltschaft hat den Fall des Messerstechers Ahmad A. | |
| > übernommen. Ihre Begründung entlastet die Behörden in Hamburg und im | |
| > Bund. | |
| Bild: Ein Foto, abgelegt am Montag vor dem Tatort, einem Supermarkt in Hamburg-… | |
| Am Montagnachmittag trat die Sprecherin von Generalbundesanwalt Peter Frank | |
| vor die Kameras. Sie erklärte, dass die Bundesanwaltschaft die | |
| [1][Ermittlungen gegen Ahmad A. übernommen hat]. Seine Messerattacke in | |
| einem Hamburger Edeka-Markt, bei der ein Mann starb, werde als | |
| islamistischer Mord von besonderer Bedeutung gewertet. In ihrer Begründung | |
| hat die Bundesanwaltschaft implizit gleich dreifach den Vorwurf etwaiger | |
| Versäumnisse bei den Sicherheitsbehörden entkräftet. | |
| So betonte die Bundesanwaltschaft erstens, dass A. weder einer | |
| islamistischen Terrorgruppe angehörte noch entsprechende Kontakte hatte. Es | |
| habe auch keine Mittäter oder Hintermänner gegeben. A. habe sich vielmehr | |
| allein radikalisiert. | |
| Das entlastet die Sicherheitsbehörden, denn gegen Einzeltäter können sie | |
| nur sehr schwer vorgehen. Schließlich bringt vor allem unvorsichtige | |
| Kommunikation die Behörden auf die Spur von angehenden Attentätern. Wer | |
| eine Tat allein begeht, muss bei der Vorbereitung aber nicht mit anderen | |
| kommunizieren. Dementsprechend schwer haben es die Behörden, hiervon | |
| rechtzeitig Wind zu bekommen. | |
| Zweitens erklärte die Bundesanwaltschaft, dass sich A. sehr kurzfristig zu | |
| diesem Anschlag entschlossen hatte, letztlich erst am Tattag selbst. Er | |
| hing vorher zwar schon islamistischen Gedanken an. Aber nicht jeder, der | |
| Salafisten oder gar den IS-Terror gut findet, begeht auch selbst Anschläge. | |
| ## Debatte über mögliche Versäumnisse geht weiter | |
| Wenn A. diese letzte Radikalisierung erst extrem kurz vor dem Anschlag | |
| vollzogen hat, dann entlastet auch das die Sicherheitsbehörden, die ihn | |
| zwar als religiösen Extremisten auf dem Schirm hatten, aber nicht als | |
| „Gefährder“ einstuften. Auch der Verzicht auf spezielle Abschiebehaft für | |
| Gefährder ist nachvollziehbar, wenn A. bis zum Tattag faktisch nicht als | |
| Gefährder erkennbar war. | |
| Drittens stellt die Bundesanwaltschaft ganz auf radikal-islamistische | |
| Motive für die Tat ab. Sie nimmt A. damit als fundamentalistisch | |
| motivierten Täter ernst. In der Erklärung der Bundesanwaltschaft war an | |
| keiner Stelle von einer labilen Persönlichkeit oder psychischen Problemen | |
| A.s die Rede. Das ist konsequent. Denn wenn A. nur ein traumatisierter | |
| Wirrkopf ohne echten ideologischen Hintergrund gewesen wäre, dann könnten | |
| die Karlsruher Ermittler kaum eine „besondere Bedeutung“ des Falles | |
| behaupten. | |
| Und auch dieser dritte Ansatz der Bundesanwaltschaft entlastet die | |
| Sicherheitsbehörden. Denn deren mögliches Versäumnis wurde bisher vor allem | |
| darin gesehen, dass das Landesamt für Verfassungsschutz schon vor Monaten | |
| eine Begutachtung durch den sozial-psychologischen Dienst der Stadt | |
| vorgeschlagen hat, dass aber die Hamburger Polizei diese Empfehlung nie | |
| aufgriff und umsetzte. Wenn A. aber gar kein psychisch gestörter, sondern | |
| ein politisch motivierter Täter war, dann ist dieses Versäumnis nicht so | |
| frappierend. | |
| Abgeschlossen ist die Debatte über mögliche Versäumnisse der | |
| Sicherheitsbehörden damit aber noch nicht. Denn die Erklärung der | |
| Bundesanwaltschaft beruht im wesentlichen auf Aussagen A.s beim | |
| Landeskriminalamt Hamburg. Wenn dort A.s Erläuterungen tendenziös | |
| zusammengefasst wurden, um die Behörden zu entlasten, dann hätte ein | |
| solches Manöver aber nicht lange Erfolg. Schließlich ist A. ja nicht tot | |
| und kann jederzeit vor Gericht seine Sicht der Dinge klarstellen. | |
| 1 Aug 2017 | |
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| ## AUTOREN | |
| Christian Rath | |
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