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# taz.de -- Kommentar „Passpflicht“ für Flüchtlinge: Den Terror wird das …
> Nach dem Messer-Attentat von Hamburg fordern Innenpolitiker ein
> Einreiseverbot für Menschen ohne Papiere. Das wird aber kaum etwas
> ändern.
Bild: Interessante Kopfbedeckung, absurder Vorschlag: Wolfgang Bosbach
Sie können einem fast schon leid tun. Seit Anfang 2015 zählt der
Verfassungsschutz sechs islamistische Anschläge in Deutschland, es gab mehr
als ein Dutzend Tote. Leute wie Wolfgang Bosbach (CDU) können nichts dafür.
Und trotzdem müssen sie jedes Mal mit einem neuen Vorschlag kommen, wie der
ganze Terror endlich beendet werden kann.
So wird es von Innenpolitikern erwartet, glauben sie. Ihr Problem ist: So
eine Maßnahme gibt es nicht. Aber es liegt in der Natur der Innenpolitik,
das nicht einfach sagen zu können. Sonst gelten sie als Versager. Wenn man
so will, sind Innenpolitiker auch jedes Mal Opfer der Attentäter.
Also kommen sie jedes Mal mit einem neuen Vorschlag. Den naheliegenden
Verdacht, dass sie dem Dschihad auch damit kein schnelles Ende bereiten
werden, versuchen sie stets mit einem besonderen Gestus zu entkräften: dem
des Schlussstrichs. Jetzt, nach diesem Anschlag, heißt es dann, müsse
Schluss sein mit Grundrechtspedanterie, Datenschutzwahn und falscher
Rücksichtnahme. Etwa auf Flüchtlinge.
Nach dem Messer-Attentat von Hamburg verlangt Bosbach nämlich jetzt nach
einer „Passpflicht“ für Flüchtlinge. Einreisen ohne Pass solle künftig
nicht mehr gehen. „Wir müssen wissen, wer in unser Land kommt“, heißt es.
Wenn es dabei bleibe, „dass wir bei einem Asylbegehren schon an der Grenze
auf die bei der Einreise sonst zwingend vorgeschriebene Erfüllung der
Passpflicht verzichten und Tag für Tag viele hundert Drittstaatsangehörige
mit ungeklärter Identität und Nationalität einreisen können, werden wir bei
der Rückführung auch zukünftig große Probleme haben.“
## Was für ein Wahnsinn
Wer das liest, aber sonst nicht so viel, wird denken: Was für ein Wahnsinn,
einfach an der Grenze auf die Erfüllung der Passpflicht verzichten, und das
nach den ganzen Anschlägen. Und überhaupt, Drittstaatsangehörige, das
klingt ja fast nach Dschihad. Ein Wunder, dass da nicht längst jemand drauf
gekommen ist. Aber wenigstens der Bosbach, Gott sei Dank.
Es ist, wie einem Kind ein Bonbon zu geben, das sich das Knie aufgeschürft
hat. Die Fassungslosigkeit über die Brutalität der Anschläge soll mit
solchen vermeintlich rationalen Vorschlägen gelindert werden. Dass das eine
mit dem anderen nichts tun hat, spielt keine Rolle. Und Bosbach weiß das
genau.
Die Identität des Hamburger Attentäters etwa war bekannt. Aber es gab keine
Anhaltspunkte dafür, dass er einen Anschlag begehen würde, sagt die
Hamburger Polizei. Vielleicht hätte sie es besser wissen können, wer weiß.
Aber es ist eben nicht so, dass der Mann deshalb nicht am Anschlag
gehindert werden konnte, weil er keinen Pass hatte.
Es gibt kein Indiz dafür, dass Passlosigkeit und Islamismus miteinander
einher gehen. Zwei von drei Menschen, die derzeit nach Deutschland
flüchten, haben keinen Pass, etwa 8.000 Menschen im Monat. Das liegt, zum
Teil, in der Natur der Sache der Flucht. Trotzdem haben sie Anspruch
darauf, dass ihr Asylantrag geprüft wird. Bosbach aber will sie, seinen
Erläuterungen nach zu urteilen, einfach in Österreich stehen lassen. Ein
wegweisender Gedanke aus der Europa-Partei CDU.
Nach dem Breitscheidplatz-Anschlag im vergangenen Dezember sind die
Möglichkeiten, gegen Ausländer vorzugehen, die als Islamisten gelten,
erweitert worden. Im Hamburger Fall hätten die Behörden davon Gebrauch
machen können. Sie taten es aber nicht, weil sie den palästinensischen
Attentäter nicht für einen Dschihadisten hielten. Solche Fälle wird es auch
weiterhin geben. Und deswegen ist gegen Terror auch kein
ausländerrechtliches Kraut gewachsen.
31 Jul 2017
## AUTOREN
Christian Jakob
## TAGS
Hamburg
Attentat
Wolfgang Bosbach
Islamismus
Schwerpunkt Flucht
Terrorismusbekämpfung
Hamburg
Hamburg
Hamburg
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