| # taz.de -- Strategische Provokation der AfD: Die Grenze des Sagbaren | |
| > Wieder betreibt die AfD rassistische Hetze. Diesmal will Gauland | |
| > SPD-Politikerin Özoğuz „in Anatolien entsorgen“. Dürfen wir das | |
| > ignorieren? | |
| Bild: Die verbalen Grenzen zum Faschismus sind ihm schnuppe: Alexander Gauland | |
| Sie haben es schon wieder getan. Und schon wieder stellt sich die Frage: | |
| Reagieren oder ignorieren? Die Antwort scheint gefunden, aber ist sie die | |
| richtige? | |
| AfD-Spitzenkandidat Alexander Gauland hat bei einer Wahlveranstaltung im | |
| thüringischen Eichsfeld davon gesprochen, die SPD-Politikerin Aydan Özoğuz | |
| „in Anatolien“ zu „entsorgen“. Das berichtet die FAZ in der Ausgabe vom | |
| Montag. | |
| Özoğuz hatte in einem [1][Interview] mit dem Tagesspiegel im Mai gesagt, | |
| die Leitkulturdebatte sei absurd, denn „eine spezifisch deutsche Kultur | |
| ist, jenseits der Sprache, schlicht nicht identifizierbar“. Gauland griff | |
| diese Äußerung auf und sagte [2][laut FAZ]: „Das sagt eine Deutschtürkin. | |
| Ladet sie mal ins Eichsfeld ein und sagt ihr dann, was spezifisch deutsche | |
| Kultur ist. Danach kommt sie hier nie wieder her, und wir werden sie dann | |
| auch, Gott sei Dank, in Anatolien entsorgen können.“ Das Publikum reagierte | |
| mit Applaus und vereinzelt mit Jubel. | |
| So, und nun? Rassistisch ist das („…da, wo sie hergekommen ist“), | |
| entmenschlichend (man „entsorgt“ Gegenstände, nicht Personen), bedient | |
| Gewaltfantasien – und es ist kalkulierte Provokation. Gehört es als solche | |
| einfach ignoriert? | |
| ## Weidel: Gaulands Wortwahl sei „Geschmackssache“ | |
| Das Muster ist wiederkehrend. Der „Mausrutscher“ von Beatrix von Storch war | |
| eine Variante, die Gauland-Äußerungen zu Boateng, die Höcke-Rede zum | |
| Holocaustmahnmal, und jedes Mal ist klar: Die AfD überschreitet bewusst | |
| Grenzen, macht von sich reden und rudert dann ein bisschen zurück. | |
| Und so sagte Spitzenkandidatin Alice Weidel im „Morgenmagazin“ am Montag, | |
| Gaulands Wortwahl sei „Geschmackssache“, sie könne die Aussage jedoch im | |
| Kern unterschreiben. Gauland wiederum kann sich nicht mehr an seine | |
| Wortwahl erinnern. | |
| Dass das Spiel mit der roten Linie zur Strategie der AfD gehört, ist kein | |
| Hirngespinst, das hat die Partei [3][selbst bestätigt]. Und doch läuft das | |
| Muster jedes Mal gleich ab, und jedes Mal tanzen die Medien den | |
| Empörungsreigen. | |
| Also besser ignorieren. Das Einzige, was der AfD schaden kann, ist, wenn | |
| niemand über sie spricht. Empörung ist das Wasser des Medienphänomens AfD, | |
| und es muss ausgetrocknet werden. | |
| Obwohl: nein. | |
| Die AfD ist keine Eintagsfliege, trotz Abschwächen der Flüchtlingsdebatte | |
| hat sie gute Chancen auf ein zweistelliges Wahlergebnis. Sie wird nicht | |
| verschwinden. Und sie verschiebt die Grenze des Sagbaren Millimeter für | |
| Millimeter weiter, während in der Öffentlichkeit ein Gewöhnungseffekt | |
| eintritt. | |
| Das heißt nicht, dass wir graduell alle zu Nazis werden. Aber. | |
| Jedes Wochenende kämpfen Menschen in Deutschland bei Grillpartys damit, | |
| dass ihre Angehörigen sich die Sprache der Rechtspopulisten zu eigen | |
| machen. Täglich kämpfen Menschen in Deutschland mit der Furcht davor, | |
| selbst Ziel derartiger Hasstiraden zu werden. Oder davor, dass aus der | |
| verbalen Gewalt eine physische wird. | |
| ## Stelen vor dem Sonnenblumenhaus | |
| Seit Neuestem stehen vor dem Sonnenblumenhaus in Rostock-Lichtenhagen fünf | |
| Stelen, die an das Versagen unter anderem von Gesellschaft und Medien | |
| erinnern sollen. Nicht zuletzt Gleichgültigkeit spielte damals eine Rolle | |
| bei den rassistischen Angriffen auf das Wohnheim für Asylbewerber. | |
| Wenn politische Parteien gewaltsame rassistische Sprache etablieren und | |
| dafür Applaus ernten, sollte niemand gleichgültig reagieren. Wenn | |
| PolitikerInnen einer Bald-Bundestagsfraktion genüsslich Gewaltfantasien | |
| füttern, muss darüber gesprochen werden. Immer wieder. | |
| Darüber mögen sich die Gaulands und Weidels freuen. Aber es macht zumindest | |
| klar: Wer mit der AfD sympathisiert, kann aufhören, sich darüber zu | |
| beklagen, dass er oder sie „automatisch in die Nazi-Ecke gestellt“ wird. | |
| Jede solche Äußerung von AfD-SpitzenpolitikerInnen ist ein weiterer Beleg | |
| dafür, dass der Partei die verbalen Grenzen zum Faschismus schnuppe sind – | |
| und taugt damit als Munition für die nächste Grillparty. | |
| 28 Aug 2017 | |
| ## LINKS | |
| [1] https://causa.tagesspiegel.de/gesellschaft/wie-nuetzlich-ist-eine-leitkultu… | |
| [2] http://www.faz.net/aktuell/politik/bundestagswahl/afd-alexander-gauland-tra… | |
| [3] /Die-AfD-und-der-Berliner-Anschlag/!5366254 | |
| ## AUTOREN | |
| Peter Weissenburger | |
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