| # taz.de -- Interne Ermittlungen bei der Polizei: Polizei endlich gut beraten | |
| > In Schleswig-Holstein gibt es seit einem Jahr eine unabhängige | |
| > Polizeibeauftragte. Inzwischen findet das selbst die Polizeigewerkschaft | |
| > wichtig. | |
| Bild: In Schleswig-Holstein wenden sich PolizistInnen wegen interner Probleme a… | |
| Hamburg taz | So war das nicht gedacht. Deutlich mehr PolizistInnen als | |
| BürgerInnen nutzten in Schleswig-Holstein den Beschwerdeweg für Betroffene | |
| von Polizeigewalt. Seit Oktober 2016 nimmt die unabhängige | |
| Polizeibeauftragte Samiah El Samadoni dort anonyme Beschwerden bei | |
| Problemen mit der Polizei entgegen. El Samadoni hat, ähnlich einer | |
| Ombudsfrau, den Auftrag zwischen Betroffenen, Polizei und | |
| Staatsanwaltschaft zu vermitteln. Sie besitzt auch eigene | |
| Ermittlungsbefugnisse, darf etwa Akten einsehen, Zeugen und Sachverständige | |
| befragen. El Samadoni sagt: „Wir haben seit Oktober etwas mehr als 160 | |
| Vorgänge in Bearbeitung. Nur etwa 30 sind von Bürgerinnen und Bürgern. Mehr | |
| als 120 kommen aus dem polizeiinternen Bereich.“ | |
| Der Bedarf an einer unabhängigen Stelle ist in Kiel offenbar vor allem in | |
| der Polizei groß. Das ist vor dem Hintergrund interessant, dass es im | |
| Zusammenhang mit der Rocker-Affäre in Schleswig-Holstein interne | |
| Mobbing-Vorwürfe von Ermittlungsbeamten gegenüber dem aktuellen | |
| Landespolizeidirektor Ralf Höhs gegeben hat. Unter dessen Druck sollen | |
| entlastende Beweise nach einem mutmaßlichen Rocker-Mord 2010 aus der Akte | |
| verschwunden sein. Die betroffenen Ermittler sollen danach strafversetzt | |
| worden sein. | |
| Sie sind zwei der Beamten, welche die Polizeibeauftragte El Samadoni | |
| eingeschaltet haben. Sie untersucht den Vorgang derzeit. Ab Herbst soll | |
| zudem ein parlamentarischer Untersuchungsausschuss Aufklärung in der | |
| Rocker-Affäre liefern. Genauere Auskünfte über die Inhalte weiterer | |
| Beschwerden von BeamtInnen darf und will Samadoni allerdings nicht geben, | |
| da sie zur Verschwiegenheit verpflichtet ist. | |
| Erstaunlich ist jedoch, dass sie als unabhängige Polizeibeauftragte | |
| Beistand von der rechtskonservativen Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG) | |
| bekommt. Die DPolG hatte sich stets gegen eine unabhängige Kontrollinstanz | |
| ausgesprochen, hat nun jedoch ihre Meinung geändert. [1][Auf ihrer Website | |
| schreibt] Schleswig-Holsteins Landesvorsitzender Thorsten Gronau, dass es | |
| sprachlos mache, dass die Polizeibeauftragte nur in geringem Umfang von | |
| Bürgern kontaktiert werde, die Probleme mit der Polizei haben, und | |
| „demgegenüber im großen Umfang Polizistinnen und Polizisten | |
| innerdienstliche Konflikte vortragen. Das stellt der Polizei kein gutes | |
| Zeugnis aus“, wie es dort heißt, „die DPolG hat ihre ursprünglich | |
| ablehnende Haltung gegenüber der Polizeibeauftragten revidiert und steht | |
| dem mittlerweile positiv gegenüber.“ Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) | |
| hält die Polizeibeauftragte weiter für „entbehrlich“, wie sie sagte. | |
| Menschenrechtsorganisationen wie die Humanistische Union oder Amnesty | |
| International fordern in Deutschland schon lange unabhängige | |
| Ermittlungsbehörden, welche die Arbeit der Polizei überwachen. Alexander | |
| Bosch, Amnesty-Sprecher für Polizei und Menschenrechte, hält die | |
| Einrichtungen unabhängiger Stellen für die Untersuchung polizeilichen | |
| Fehlverhaltens für dringend erforderlich. Bosch sagt: „Bei Ermittlungen | |
| gibt es eine zu große Nähe zwischen Staatsanwaltschaften und Polizei.“ Die | |
| Staatsanwaltschaft sei zwar Herrin des Verfahrens, aber eigentlich | |
| ermittelten Polizisten gegen Polizisten – „die Praxis zeigt, dass diese | |
| Ermittlungen nicht so intensiv verfolgt werden wie in Fällen, in denen | |
| keine Polizisten beschuldigt sind – ein unhaltbarer Zustand“. | |
| Die Polizei habe in Deutschland eine wenig ausgeprägte Fehlerkultur. | |
| „Interne Kritik wird nicht geschätzt, solche von außen schon gar nicht – | |
| siehe G20“, sagt Bosch. Deswegen fänden „Polizistinnen in | |
| Schleswig-Holstein die Polizeibeauftragte so gut.“ Dennoch ist | |
| unwahrscheinlich, dass die DPolG sich nun auch in anderen Bundesländern für | |
| die Schaffung von unabhängigen Polizeibeauftragten einsetzt, der | |
| Bundesvorsitzende Rainer Wendt sagte zu der Haltung des Landesverbandes: | |
| „Das ist keine Präjudiz für andere Landesverbände. Die Polizeibeauftragte | |
| ist dort eher ein Kummerkasten für die Belegschaft.“ | |
| El Samadoni möchte diese mindestens despektierliche Aussage nicht | |
| kommentieren. Sie konzentriert sich lieber weiter auf ihren Job: Opfern von | |
| Polizeigewalt und PolizistInnen mit internen Schwierigkeiten zu helfen. Ob | |
| es schon Fälle von schlimmer Polizeigewalt in ihrer Amtszeit gegeben hat? | |
| El Samadoni sagt: „Die Polizei in Schleswig-Holstein ist bürgerfreundlich. | |
| Die extremen Exzesse hatten wir noch nicht.“ | |
| 21 Aug 2017 | |
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| ## AUTOREN | |
| Gareth Joswig | |
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