# taz.de -- Gleichstellung zur Legislaturhalbzeit: Gedöns bleibt Gedöns | |
> Bei der Förderung von Alleinerziehenden steht Bremen „besonders schlecht“ | |
> da. Dafür gibt es inzwischen immerhin ein paar mehr Aufsichtsrätinnen. | |
Bild: Noch Luft nach oben: Protest gegen den Ausschluss von Frauen von der Scha… | |
Bremen taz | Doch, doch: Es gibt auch Fortschritte in der Gleichstellung. | |
Wenn auch „langsame“, wie die stellvertretende Landesfrauenbeauftragte | |
Bärbel Reimann bestätigt, zum Beispiel in den örtlichen Aufsichtsräten. Von | |
73 Mandaten, die der Bremer Senat hier besetzt, werden mittlerweile 38 von | |
Frauen eingenommen – das entspricht einem Anteil von 52 Prozent. Und | |
erfüllt damit einen Auftrag aus dem rot-grünen Koalitionsvertrag. | |
Aber schon wenn man in die Chefetagen der bremischen Gesellschaften guckt, | |
zeigt ich das alte Bild, wie auch der Senat einräumen muss: Frauen stehen | |
nach wie vor eher dort an der Spitze, wo weniger Personal arbeitet, weniger | |
Umsatz gemacht wird. Und so verdient die durchschnittliche hauptamtliche | |
Chefin einer bremischen Gesellschaft 91.000 Euro im Jahr, während es bei | |
den Männern 124.000 Euro sind. | |
Der Senat kann jedoch nach eigenen Aussagen „nicht erkennen“, dass es in | |
Bremen eine nach Geschlecht unterschiedliche Vergütung von Chefposten gibt. | |
Reimann sieht indes großen Nachholbedarf: „Der Frauenanteil an den | |
Geschäftsführungen und Vorständen liegt mit 15 Prozent noch weit unterhalb | |
der freien Wirtschaft.“ | |
## Alleinerziehende stark benachteiligt | |
„Besonders schlecht“ aber, so Reimann, steht Bremen bei der | |
Erwerbstätigkeit der Alleinerziehenden da. „Fast jeder dritte Haushalt ist | |
alleinerziehend“, sagt Esther Schröder, Referentin für Gleichstellungs- und | |
Geschlechterpolitik bei der Arbeitnehmerkammer – Tendenz steigend. Und die | |
Hälfte aller Alleinerziehenden ist auf Arbeitslosengeld II angewiesen oder | |
muss aufstocken. | |
Hinzu kommt, dass die Zahl derer, die in Teilzeit arbeiten, in Leiharbeit | |
beschäftigt sind oder nur einen Minijob haben, in den letzten Jahren in | |
Bremen kontinuierlich gestiegen ist: Lag die Quote solcher „atypischer | |
Jobs“ 2003 noch bei 32 Prozent, so sind es mittlerweile 41. „Ein | |
Rekordwert“, sagt die Gewerkschaft – 127.400 BremerInnen haben solche | |
unsicheren Jobs. Davon sind überdurchschnittlich viele Frauen betroffen: | |
Rund 50 Prozent aller beschäftigten Frauen in Bremen üben ihre Tätigkeit in | |
Teilzeit aus, viele gehen einem Minijob nach, häufig im Einzelhandel, in | |
Sozial- und Pflegeberufen oder in der Gastronomie. | |
„Wir haben in Bremen einen geschlechtergetrennten Arbeitsmarkt, der nicht | |
sehr divers ist“, so Reimann – Hamburg sei da breiter aufgestellt und biete | |
Frauen mehr Jobchancen. Im letzten Jahr wurden in Bremen rund 5.000 Jobs | |
von Männern neu besetzt, aber nur 2.500 von Frauen, sagt die | |
Arbeitnehmerkammer. | |
Gerade bei der Förderung von Frauen in Mint-Berufen – also in Mathematik, | |
Informatik, Naturwissenschaft und Technik – sei in Bremen „noch sehr viel | |
Luft nach oben“, sagt Reimann: Hier gebe es eine „Stagnation“, | |
Baden-Württemberg etwa sei da „offensiver“, und Niedersachsen auch. „In | |
Bremen sehe ich da keine Initiative der Wirtschaftsbehörde.“ Dabei steht | |
auch das im Koalitionsvertrag. Doch in der Wirtschaftspolitik habe sie den | |
Eindruck, die Gleichstellung sei noch immer eher „ein Nebenthema“, so | |
Reimann. | |
## Familienfreundliche Unternehmen fördern | |
Mehr Initiative fordert die stellvertretende Landesfrauenbeauftragte etwa | |
bei der Förderung familienfreundlicher Unternehmen. „Wer im Schichtdienst | |
arbeiten soll, hat in Bremen ein echtes Problem“, so Reimann – bei der | |
Kinderbetreuung. Da sei Hamburg schon weiter, etwa durch flexiblere | |
Öffnungszeiten der Kitas. Zudem ist es gerade für Frauen schwer, nach einer | |
Familienpause wieder voll in den Beruf einzusteigen. | |
Arbeitnehmerkammer und Gewerkschaften fordern deshalb ein verbrieftes | |
Rückkehrrecht in Vollzeit – das aber ist auf Bundesebene gerade | |
gescheitert. Gerade BremerInnen würden davon profitieren: 2016 gab es hier | |
73.000 Teilzeitbeschäftigte, 27.600 mehr als noch 2003. | |
Das Team der Landesfrauenbeauftragten kümmerte sich aktuell | |
schwerpunktmäßig um Geflüchtete – „Frauen kommen da noch viel zu kurz“, | |
sagt Reimann. Das liegt an fehlender Kinderbetreuung, aber auch am Rückfall | |
in alte Rollenmuster. Und viele Maßnahmen zur Integration Geflüchteter in | |
den Arbeitsmarkt konzentrierten sich auf „traditionelle Männerberufe“, so | |
Reimann. „Hochschulabsolventinnen gehen da unter: Eine Bauingenieurin aus | |
Afghanistan erwartet man nicht.“ | |
Um weitere Fortschritte in der Gleichstellungspolitik wird sich demnächst | |
übrigens eine neue Landesfrauenbeauftragte kümmern: Bettina Wilhelm | |
(parteilos) soll Nachfolgerin von Ulrike Hauffe werden. In den vergangenen | |
acht Jahren war die 52-Jährige Erste Bürgermeisterin von Schwäbisch Hall. | |
30 Jul 2017 | |
## AUTOREN | |
Jan Zier | |
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