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# taz.de -- Streit in Bremer Arbeitnehmerkammer: Schikane statt Lobby
> Die Arbeitnehmerkammer kämpft vor dem Arbeitsgericht gegen ihre eigene
> Gleichstellungsreferentin – die Vorwürfe wirken eher kleinlich.
Bild: Vertritt die Interessen der Arbeitnehmer*innen – aber nicht der eigenen
Bremen taz | Es wird zum Kammertermin kommen, zur arbeitsrechtlichen
Hauptverhandlung, am 25. Oktober. Der fast schon flehentliche Appell der
Vorsitzenden Richterin ist unerhört geblieben: „Ohne Moderation wird es
weiter eskalieren“, hatte sie den Parteien vor Augen geführt. „Sie tun sich
beide keinen Gefallen damit.“ Aber am Ende bleiben die Arbeitnehmerkammer
(AK) und die Klägerin Esther Schröder hart. Keiner mag so recht nach
Möglichkeiten Ausschau halten, den durchaus bizarren Streit zwischen
Bremens Arbeitnehmerkammer und ihrer Gleichstellungsreferentin zu begraben.
Obwohl doch klar ist: Die Richterin hat Recht. Es muss dem Image der
Arbeitnehmerkammer schaden, wenn sich eine ihrer Angestellten gegen sie
wegen einer Flut von Abmahnungen wehrt, die sich seit März über sie
ergießt. Zu Beginn des Verfahrens waren es zwei, jetzt sind es schon drei,
„und“, sagt sarkastisch Klägerinnenanwalt Jürgen Maly, „die vierte wird
bereits vorbereitet“.
Dabei finanzieren die abhängig Beschäftigten des Landes Bremen die
Institution mit einer Pflichtabgabe in Höhe von 0,15 Prozent vom
Bruttolohn, damit sie deren Interessen wahrt und für ihre
gesellschaftlichen Anliegen wirbt – und nicht, damit die Kammerführung das
eigene Personal schikaniert.
Für Esther Schröder bedeutet eine Hauptverhandlung dagegen erstens viel
Geld – die erste Instanz zahlt im arbeitsrechtlichen Verfahren jede Partei
selbst, egal, wie es ausgeht. Und vor allem: verlorene Zeit. Denn die
Referentin sieht sich derzeit regelrecht stillgelegt, Maly spricht von
einem Berufsverbot. Ihr seien „90 Prozent ihrer Tätigkeit untersagt
worden“, sagt ihr Anwalt. Die Gegenseite hält das für arg übertrieben. Von
maximal 20 Prozent will Anwalt Gerhard Lohfeld ausgehen und spricht von
einer temporären Einschränkung, die durchs Direktionsrecht abgedeckt wäre.
## Schröder forschte zur Situation Alleinerziehender
Wahr ist allerdings: Zu Schröders Arbeitsplatzbeschreibung hatte bislang
Politikberatung gehört – naheliegend, denn Schröder war selbst lange Jahre
wirtschaftspolitische Sprecherin der Brandenburger SPD-Fraktion – und drei
Tage lang sogar mal Staatssekretärin beim Berliner Senator für Wirtschaft,
Frauen und Arbeit.
In Bremen hat sie die arbeitsmarktpolitische Lage der Alleinerziehenden
erforscht – ein drängendes Problem, denn in Bremen sind beinahe 54 Prozent
der rund 18.000 Alleinerziehenden auf Grundsicherungsleistungen angewiesen.
Im Arbeitskreis „Berufliche Perspektiven für Frauen und Mädchen“ hatte
Schröder an Lösungsansätzen mitgearbeitet.
Jetzt darf sie beruflich keine Außenkontakte mehr pflegen. Da bleibt nicht
mehr Raum für Beratung – und für Politik schon mal gar nicht. „Das ist ein
herber fachlicher Verlust“, findet Andrea Quick von der Zentralstelle für
die Gleichberechtigung über die akute Auswirkungen des Streits. „Die
Arbeitnehmerkammer muss dafür sorgen, dass dieser Bereich abgedeckt ist“,
mahnte sie an.
## Präsentation falsch gespeichert – Abmahnung
„Ich werde den Eindruck nicht los, dass da im Hintergrund etwas anderes los
ist, was man zur Sprache bringen könnte“, sagt die Richterin. Tatsächlich
wirken die Anlässe für die Einträge in die Personalakte kleinlich, eher
dürr: Einmal hat Schröder eine Datei im Portable Document Format (PDF)
abgespeichert – statt als Powerpoint. „Es ist doch nicht einzusehen, warum
sie das nicht einfach machen kann wie gefordert“, sagt
Arbeitnehmerkammer-Anwalt Lohfeld.
Anfang März hat Schröder dann eine Interviewäußerung des
Hauptgeschäftsführers der Arbeitnehmerkammer, Ingo Schierenbeck, zum Equal
Pay Day „verunglimpft“, so dessen Deutung, und zwar durch Schröders
Einschätzung, er vergleiche bei seinen Angaben zum Lohngefälle „Äpfel mit
Birnen“: Dadurch werde die fachliche Arbeit der Pressestelle und ihrer
direkten Vorgesetzten Elke Heyduck, einer ehemaligen taz-Redakteurin,
herabgewürdigt.
Ihre Einschätzung habe Schröder in einer „internen E-Mail“ kundgetan, hat…
Radio Bremen behauptet. Heyduck bestreitet das. „Die Behauptung, es habe
sich um einen interne E-Mail gehandelt, ist falsch.“ Mehr könne und dürfe
sie nicht sagen. Da wird sich im Herbst ja ziemlich flott beweisen lassen,
welche Version stimmt.
Heikler ist die Party-Frage: Denn Schröder hat dafür gesorgt, dass die
Arbeitnehmerkammer die Saalmiete für eine Veranstaltung zur Feier von 100
Jahre Frauenwahlrecht übernimmt. „Ein Grund zum Feiern“ sei dieses
Jubiläum, hatte es im Flyer geheißen. Die AK-Geschäftsführung fühlt sich
getäuscht. Das Event habe sich als bloße Party entpuppt, ohne Inhalt, was
die Kammer ja nicht fördern darf.
## Politische Party
Allerdings sagt Cornelia Lerche vom Evangelischen Bildungswerk, das
Mitveranstalter war: „Selbstverständlich war das eine Feier, aber eine mit
klar politischer Ausrichtung“. Tatsächlich war mit der Lyrikerin,
Journalistin und Moderatorin Gülbahar Kültür eine ausgesprochen politische
DJ fürs Musikprogramm zuständig.
Die Einnahmen sollten dem Frauenhaus zugute kommen – und „für Frauen, die
sich das oft so nicht leisten können, Geflüchtete etwa, war der Eintritt
frei“, sagt Lerche. Dadurch habe die Veranstaltung niedrigschwellige
Politikvermittlung ermöglicht, sie sei „richtig gut besucht gewesen“.
Redebeiträge habe es auch gegeben.
„Frau Schröder hat so ein wie ich finde gelungenes Frage-und-Antwort-Spiel
gemacht, also wie hoch man den Frauenanteil in den Dax-Vorständen schätze
und ähnliches“, sagte Lerche. Das sei gut angekommen. Vor allem aber habe
die Feier dem „informellen Lernen“ gedient.
„Es ist wichtig, auch Erreichtes miteinander zu feiern, um sich zu
motivieren, sich auf die Schulter zu klopfen – und um Netzwerke zu
stabilisieren“, findet Lerche. „Wer nicht miteinander feiert, geht auch
nicht für ein gemeinsames Anliegen auf die Straße.“
13 Jun 2018
## AUTOREN
Benno Schirrmeister
## TAGS
Arbeitnehmerkammer
Bremen
Arbeitsrecht
Gleichstellung
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