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# taz.de -- Auschwitz-Fall in Neubrandenburg: Richter im NS-Prozess befangen
> Drei Neubrandenburger Richter müssen im Verfahren gegen einen SS-Mann
> gehen. Weil sie voreingenommen gegenüber einem Überlebenden waren.
Bild: Heute gilt der Angeklagte Hubert Z. gilt als verhandlungsunfähig
Berlin taz | Erstmals in der bundesdeutschen Rechtsgeschichte wird einem
kompletten Schwurgericht in einem Auschwitz-Fall das Verfahren entzogen. Im
Prozess gegen den früheren SS-Sanitäter Hubert Z. vor dem Neubrandenburger
Landgericht wurden am Freitag der Vorsitzende Richter Klaus Kabisch sowie
die Richter Brinkmann und Elfers wegen Befangenheit abgelehnt.
Das Internationale Auschwitz-Komitee begrüßte die Entscheidung. „Von
Anbeginn war das aggressive Desinteresse des Vorsitzenden Richters am
Schicksal und den Erinnerungen der Überleben deutlich spürbar“, heißt es in
einer Erklärung.
Das Verfahren gegen den heute 96-jährigen Z., der im Sommer 1944 mehrere
Monate in Auschwitz andere SS-Männer gesundheitlich betreut haben soll,
[1][ruht schon seit Monaten]. In seltener Einigkeit hatten
Staatsanwaltschaft und die Vertreter der Nebenklage mehrfach eine Ablösung
der Richter beantragt, denen Prozessbeobachter vorgeworfen hatten, eine
Einstellung des Verfahrens vorzubereiten. Zudem zeigten Nebenkläger-Anwälte
die Richter wegen Rechtsbeugung an. Einer Petition für eine Neueröffnung
des Verfahrens schlossen sich über 38.000 Unterzeichner an.
Erfolg hatte nun der Nebenkläger Walter Plywasky, der als Kind nach
Auschwitz verschleppt worden war und dessen Mutter dort ermordet wurde.
Zweimal hatte Richter Kabisch Plywaskys Berechtigung zur Nebenklage mit der
gleichen Begründung verneint, zweimal war seine Entscheidung vom
Oberlandesgericht Rostock korrigiert worden. Der zweite Versuch, den
Überlebenden auszuschließen, wurde nun nach Angaben des
Nebenklage-Vertreters Thomas Walther auf Antrag der Nebenkläger und der
Staatsanwaltschaft als rechtswidrig bezeichnet.
## Prozessbeginn musste vom OLG verfügt werden
Die 60. Schwurgerichtskammer entschied, dass Kabischs Versuche, Plywasky
von der Verhandlung auszuschließen, bei dem Nebenkläger „zwangsläufig der
Eindruck ergeben“ hätten, das Gericht sei ihm gegenüber nicht
unvoreingenommen gewesen, zitiert die Süddeutsche Zeitung aus der
Begründung. Die Vertretungsrichter bemängelten ferner die „herabwürdigende
Kritik“ der Richter gegenüber Plywaskys Anwalt, dem Kabisch eine
„narzisstisch bedingte Dummheit“ unterstellt hatte.
Der Auschwitz-Prozess hatte im März 2016 gegen den Willen des Gerichts
begonnen, das die Eröffnung des Hauptverfahrens verneint hatte. Erst eine
Entscheidung des Oberlandesgerichts Rostock zwang die Neubrandenburger
Richter zu dem Prozess, in dem fortan in den wenigen Verhandlungstagen die
Gebrechen des Angeklagten im Mittelpunkt standen.
Hubert Z. wird zur Last gelegt, durch seine Tätigkeit als SS-Sanitäter dazu
beigetragen zu haben, dass die SS-Männer in dem Vernichtungslager
handlungsfähig waren. Diese waren auch mit dem Einwurf des Giftgases Zyklon
B in die Gaskammern betraut. Weil im fraglichen Zeitraum 14 Züge mit
jüdischen Häftlingen in Auschwitz eintrafen, ist Z. wegen Beihilfe zum Mord
in mindestens 3.681 Fällen angeklagt.
Ob der Prozess nun endlich in Gang kommt, steht dahin. Ein Gutachten vom
Mai attestiert Z. Verhandlungsunfähigkeit. Sollte ein weiteres Gutachten
nicht zu einer gegenteiligen Einschätzung kommen, müsste das Verfahren wohl
eingestellt werden – 54 Jahre, nachdem die DDR-Staatssicherheit erste
Hinweise auf Z. hatte, diesen aber nicht nachgegangen war.
25 Jun 2017
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## AUTOREN
Klaus Hillenbrand
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