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# taz.de -- Auschwitz-Prozess in Neubrandenburg: Einstellung wegen Demenz beant…
> Das Verfahren gegen einen 96-jähriger SS-Sanitäter endet nach anderthalb
> Jahren. Der Angeklagte sei nicht mehr in der Lage der Verhandlung zu
> folgen.
Bild: Der Angeklagte im September 1996
Berlin taz | 18 Monate nach Beginn steht der Prozess gegen einen ehemaligen
SS-Sanitäter, der 1944 im Vernichtungslager Auschwitz eingesetzt worden
war, vor der Einstellung. Die Staatsanwaltschaft Schwerin hat beantragt,
das Verfahren gegen den mittlerweile 96-Jährigen Hubert Z. wegen dessen
dauerhafter Verhandlungsunfägigkeit einzustellen. Ein Sprecher des
Landgerichts Neubrandenburg teilte mit, die zuständige Strafkammer werde
den Prozess „kurzfristig“ einstellen.
Der Rentner war im Jahr 2015 wegen Beihilfe zum Mord in mindestens 3.681
Fällen angeklagt worden. In der Zeit vom August bis September 1944 waren 14
Deportationszüge mit so vielen Menschen in Auschwitz angekommen. Die
Staatsanwaltschaft warf Z. vor, durch seine Tätigkeit als SS-Sanitäter am
„Vernichtungsgeschehen mitgewirkt und dieses befördert“ zu haben. Eine
konkrete Mordtat wurde Z. nicht vorgeworfen, doch nach der jüngsten
Rechtssprechung des Bundesgerichtshofs kann es für eine Verurteilung von
Auschwitz-Tätern ausreichend sein, wenn diese durch ihre Anwesenheit und
Arbeit im Lager den Massenmord unterstützt haben.
Grundlage für die nun bevorstehende Einstellung ist ein psychiatrisches
Gutachten, das dem Angeklagten eine dauerhafte Verhandlungsunfähigkeit
attestiert. Doch dieses Gutachten ist nur der Endpunkt eines mehr als zähen
Verfahrens, das niemals über die Verlesung der Anklage hinaus gekommen ist
und in dem das Gericht den Eindruck vermittelte, es wolle den Prozess
boykottieren.
Prozessbeteiligte, darunter Nebenkläger und die Staatsanwaltschaft, hatten
dem Gericht unter Vorsitz von Richter Klaus Kabisch mehrfach vorgeworfen,
den Prozess nicht unvoreingenommen zu führen. Schon vor Prozessbeginn hatte
das Gericht das Verfahren einstellen wollen und wurde erst durch das
Oberlandesgericht Rostock zur Aufnahme des Verfahrens gezwungen. Während
des Verfahrens lehnte das Gericht mehrfach die Zulassung überlebender
Auschwitz-Häftlinge als Nebenkläger ab. Es verweigerte dem Anwalt eines
Nebenklägers die Kostenübernahme für einen Besuch des 87-Jährigen
Überlebenden in den USA.
Mehrere Anträge von Nebenklägern und der Staatsanwaltschaft auf eine
Entfernung des Gerichts wegen der Besorgnis der Befangenheit wurden
abgelehnt. Stattdessen, so die Vorwürfe, habe Kabisch diese Anträge dazu
genutzt, um das Verfahren weiter zu verschleppen.
## Nebenklage enttäuscht
Erst im Juli diesen Jahres wurden alle drei Richter wegen Besorgnis der
Befangenheit entfernt. Zudem läuft derzeit ein Ermittlungsverfahren wegen
Rechtsbeugung und Beleidigung gegen sie. Zugleich wurde durch ein neues
ärztliches Gutachten deutlich, dass der Angeklagte inzwischen tatsächlich
verhandlungsunfähig war.
In einer Stellungnahme zur bevorstehenden Verfahrenseinstellung betonen die
Nebenklagevertreter Thomas Walther und Cornelius Nestler, das Gericht habe
die Chance vertan, gegen Z. einen ordnungemäßen Prozess zu führen, als
dieser noch verhandlungsfähig war. „Ein Urteil hätte ergehen können“,
erklären beide. Und weiter: „Eine deutsche Justizposse hat nun als Tragödie
ein Ende gefunden. Zurück bleiben Nebenkläger mit neuen Wunden aus
Neubrandenburg, die genauso wenig heilen werden wie die Wunden, die ihnen
als verfolgte Juden im Holocaust zugefügt wurden.“
31 Aug 2017
## AUTOREN
Klaus Hillenbrand
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