| # taz.de -- Aktivistinnen über G-20-Protest: „Von uns geht keine Eskalation … | |
| > Politiker sind nach Hamburg geladen. Proteste sollten also zu erwarten | |
| > sein und nicht kriminalisiert werden, finden zwei Aktivistinnen. | |
| Bild: Warmpaddeln für die G20-Protestwelle | |
| taz: Frau Laquer, Frau Schneider, Hamburgs Innensenator Andy Grote (SPD) | |
| hat vor gut zwei Wochen Blockierer von Staatschefs-Kolonnen beim | |
| G-20-Gipfel gewarnt, sich in Lebensgefahr zu begeben. Macht Ihnen das | |
| Angst? | |
| Emily Laquer: Innensenator Andy Grote hat gerade das Bild von auf | |
| Demonstranten schießenden Secret Service gezeichnet. Wir haben jetzt in den | |
| USA gesehen, wie das Sicherheitspersonal von Erdoğan auf Demonstranten | |
| losgeht. Wenn Grote der Meinung ist, dass das eine Bedrohung ist, dann muss | |
| man diese Leute ausladen, statt uns ihnen auszusetzen. | |
| Aber für ein Ausladen ist es wohl etwas spät. | |
| Emily Laquer: Wenn man beschließt, dass dieser Gipfel nach Hamburg kommt, | |
| muss man auch sicherstellen, dass Proteste möglich sind. Man sieht hier | |
| deutlich, welche Prioritäten Hamburg setzt. Dafür ist es nie zu spät. Der | |
| Senat distanziert sich lieber von Demonstranten als von Erdoğan, Trump oder | |
| Putin. | |
| Sie haben angekündigt, zivilen Ungehorsam zu leisten. Ist das durch den | |
| neuen Paragraf 114, wonach tätliche Angriffe auf Polizisten [1][stets mit | |
| Freiheitsstrafe geahndet werden sollen], nicht zu riskant? | |
| Emily Laquer: Diese Verschärfung verstehen wir als einen Angriff auf | |
| soziale Bewegungen. Der Vorstoß kam ja auch im Nachgang zur | |
| „Blockupy“-Aktion gegen die Eröffnung der Europäischen Zentralbank in | |
| Frankfurt am Main. Unsere Blockaden zum G-20-Gipfel stehen in der Tradition | |
| von Heiligendamm, Castorblockaden und „Ende Gelände“. Wir blockieren den | |
| Gipfel und greifen nicht die Polizei an. | |
| Jana Schneider: Ich sehe es als meine Pflicht, gegen die Politik der G 20 | |
| aufzustehen. Ich lasse mich nicht einschüchtern von der Angstmacherei. | |
| Genau das will Repression ja: Uns Angst machen und dafür sorgen, dass wir | |
| nicht mehr auf die Straße gehen. Dabei ist das heute so dringend. Unser | |
| Protest ist legitim. Wir werden ihn nicht im Vorfeld illegalisieren lassen. | |
| Wie weit wollen Sie bei Ihrem Protest gehen, schließt das | |
| Gewaltbereitschaft mit ein? | |
| Jana Schneider: Wir haben bei BlockG20 einen festen Aktionskonsens. Von uns | |
| geht keine Eskalation aus, wir bleiben besonnen und achten aufeinander. Wir | |
| begehen den massenhaften, öffentlich angekündigten Regelübertritt. Wir | |
| werden so weit an die Gipfelaustragungsorte gehen, wie wir kommen, und | |
| setzen uns dort mit unseren Körpern in den Weg. Ich glaube daran, dass sich | |
| Tausende unserem Plan anschließen werden. Widerständiger Ungehorsam ist in | |
| diesen Zeiten ein gerechtfertigtes Mittel. | |
| Auf was stellt sich die linke Szene ein? | |
| Emily Laquer: Es gibt bereits jetzt verfassungswidrige | |
| Grundrechtsaushebungen in Hamburg. Innensenator Grote haut ein Verbot nach | |
| dem anderen raus. So hat er etwa die Camps für die Gipfelgegner untersagt, | |
| obwohl es eine anderslautende höchstrichterliche Rechtsprechung dazu gibt: | |
| In Elmau beim G-7-Gipfel 2015 wurde anerkannt, das Camps vom | |
| Versammlungsrecht geschützt sind. Außerdem soll es beim G-20-Gipfel in | |
| Hamburg mit den blauen Zonen grundrechtsfreie Gebiete geben, in denen nicht | |
| demonstriert werden soll. Wir sollen nicht in Seh- und Hörweite des | |
| Gipfeltreffens demonstrieren dürfen. | |
| Jana Schneider: Schengen wird während des Gipfels Anfang Juli außer Kraft | |
| gesetzt. Damit zeigt sich Hamburg alles andere als weltoffen. Wer die G 20 | |
| einlädt, muss auch für die internationale Opposition offen sein. | |
| Gewaltbereit Autonome mobilisieren aus dem Ausland nach Hamburg. Wie soll | |
| die Polizei denn in Ihren Augen darauf reagieren? | |
| Emily Laquer: Es ist ein Vorurteil, dass ausländische Demonstranten | |
| besonders militant sind. Natürlich laden Autonome ihre internationalen | |
| Freunde ein, das tun wir ja auch. In unseren gemeinsamen Bündnissen plant | |
| niemand, die Löcher aus dem Käse fliegen zu lassen. Wir haben klare | |
| Absprachen, denen ich vertraue. Gewaltbereit, vermummt und bewaffnet sind | |
| die Polizisten und nicht wir. Es ist der Hardliner Hartmut Dudde zum | |
| Einsatzleiter ernannt worden, der für seinen Hass auf Linke und seine | |
| rechtswidrigen Übergriffe auf Demonstranten bekannt ist. Ich kann die | |
| Polizei nur zur Besonnenheit und Vernunft auffordern. Wir werden dagegen | |
| zusammenhalten und aufeinander achtgeben. | |
| Emily Laquer: Auch der Senat eskaliert. Man könnte meinen, die Innenbehörde | |
| hätte ein Interesse daran. Es erinnert mich an Heiligendamm, wo die Rede | |
| von Särgen für Demonstranten war. Jetzt werden Gruselgeschichten erzählt, | |
| wonach die Blutkonserven nicht reichen. Auf unserer Seite will niemand | |
| eskalieren. Unser Plan ist, auf diese Provokationen nicht einzugehen. | |
| Bei einem Videodreh für Ihre G-20-Kampagne wurden Sie im Mai bereits eine | |
| Stunde von der Polizei vor den Messehallen, in denen das Gipfeltreffen im | |
| Juli stattfindet, eingekesselt. Begründet wurde die Maßnahmen damit, dass | |
| der Bereich im Rahmen des Objektschutzes ein „Gefahrengebiet“ sei, in der | |
| Kontrollen durchgeführt werden dürften. | |
| Emily Laquer: Gefahrengebiete gelten seit 2015 als verfassungswidrig. Sie | |
| wurden in Hamburg, nach den erfolgreichen Kämpfen mit der Klobürste, durch | |
| „gefährliche Orte“ ersetzt. | |
| Jana Schneider: Diese „gefährlichen Orte“ konstruieren eine Gefahr, die gar | |
| nicht besteht. Und wenn es sie schon gibt, müssen Sie öffentlich | |
| ausgeschrieben werden, was bisher nicht passiert ist. Damit man das weiß | |
| und die Polizei sich nicht nach Lust und Laune darauf berufen kann. Das | |
| zeigt: Unsere politischen Rechte muss man immer wieder verteidigen, denn | |
| das Ausheben von Bürgerrechten ist seit dem 11. September ja ein Phänomen | |
| unserer Zeit. | |
| Rechnen Sie damit, bei den Protesten gegen den Gipfel verhaftet zu werden? | |
| Emily Laquer: Es gibt etwas, wovor ich mehr Angst habe als vor der Polizei: | |
| vor einer Welt, in der man vor Angst nicht mehr auf die Straße gehen kann | |
| und die Politik der G 20 unwidersprochen bleibt. Hamburg ist nicht Ankara, | |
| wo die Opposition massenhaft eingesperrt wird. Wir dürfen unsere | |
| politischen Rechte nicht freiwillig aufgeben. | |
| Sie würden eine Festnahme aber in Kauf nehmen? | |
| Jana Schneider: Ja. Deswegen nehmen wir unsere Zahnbürste mit, dann sind | |
| wir auf alles vorbereitet. | |
| Mit der „Zahnbürsten“-Kampagne wollen Sie zu Aktionen ermutigen – trotz | |
| drohender Festnahmen. Aber es ist gut denkbar, dass sich andere sehr wohl | |
| davon abschrecken lassen. | |
| Jana Schneider: Mit BlockG20 wollen wir den Gipfelauftakt am Freitag, dem | |
| 7. Juli, blockieren. Es kommen richtig viele aus der ganzen BRD und Europa. | |
| Aus der Schweiz kommt sogar ein Sonderzug! Jetzt ist die Zeit, zusammen | |
| mutig zu sein. Wir werden uns nicht von der Polizei aufhalten lassen. Dort, | |
| wo sie uns blockiert, wollen wir sie umflutschen. Alle sind eingeladen, | |
| mitzumachen, gerade die, die es zum ersten Mal tun. | |
| Emily Laquer: Es ist wichtig, sich nicht einschüchtern zu lassen. Ich bin | |
| Amerikanerin und habe nach der Trump-Wahl zwei Wochen lang getrauert. So | |
| kann man aber nicht leben, in Trauer und Verzweiflung über den Wahnsinn der | |
| Welt. Du musst das alles nicht hinnehmen. Das, worauf du gewartet hast, | |
| bist du. Es ist nicht egal, ob man da ist oder nicht, sondern es gibt in | |
| Hamburg einen Ort für deine Ungeduld und Sehnsucht. Wir müssen jetzt mutig | |
| sein. | |
| 11 Jun 2017 | |
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| [1] /Gesetzentwurf-zum-Schutz-von-Polizisten/!5401997 | |
| ## AUTOREN | |
| Lena Kaiser | |
| Kai von Appen | |
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