# taz.de -- Debatte um bezahlbare Wohnungen: Mieterschlacht im Bundestag | |
> Bei der letzten mietenpolitischen Debatte dieser Legislatuperiode geht es | |
> hoch her: Die Opposition wirft der Regierung vor, versagt zu haben. | |
Bild: Haben Sie auch das Gefühl, hier läuft was schief? | |
Berlin taz | Stuttgart: 75 Menschen, die im Hausflur eines Mietshauses | |
warten, um eine freie Wohnung zu besichtigen. Köln: der Vermieter kündigt | |
dem langjährigen Bewohner Kalle wegen Eigenbedarf und bietet die Wohnung | |
gleichzeitig im Internet zum Kauf an. Berlin: der neue Hauseigentümer | |
kündigt umfassende Modernisierungen und saftige Mieterhöhungen an, das Haus | |
leert sich, anschließend werden die Wohnungen als Kapitalanlage teuer | |
verkauft. Es sind reale Beispiele, welche die Oppositionsparteien Linke und | |
Grüne am Donnerstag im Bundestag anführten. | |
In der letzten mietenpolitischen Debatte dieser Legislaturperiode warfen | |
sie den regierenden Koalitionsparteien CDU, CSU und SPD vor, völlig darin | |
versagt zu haben, die Mieter wirkungsvoll vor gierigen Spekulanten und | |
überhöhten Mieten zu schützen. | |
Zur Debatte standen je zwei Anträge von Linkspartei und Grünen, die | |
einerseits auf die Schärfung der Mietpreisbremse und andererseits auf einen | |
besseren Kündigungsschutz zielten. | |
## Rohrkrepierer Mietpreisbremse | |
Die Mietpreisbremse hatte die Große Koalition eingeführt. Sie sieht vor, | |
dass bei der Wiedervermietung von Bestandswohnungen die zulässige Miete in | |
Gebieten mit angespanntem Wohnungsmarkt höchstens auf das Niveau der | |
ortsüblichen Vergleichsmiete zuzüglich 10 Prozent angehoben werden darf. | |
Allerdings trifft das nicht auf alle Wohnungen zu, so gelten etwa Ausnahmen | |
für Neubauten und frisch modernisierte Wohnungen. Zuviel gezahlte Miete | |
kann den Mietern zudem erst zurückerstattet werden, wenn sie den Vermieter | |
formal gerügt haben. | |
„Die Mietpreisbremse ist ein Rohrkrepierer“, sagte die | |
Linkspartei-Abgeordnete Caren Lay zu Beginn der Debatte und verwies auf die | |
dramatisch steigenden Mieten in Großstädten. Nach einer Studie des | |
Mieterbundes liegen zwischen 70 und 95 Prozent aller angebotenen Wohnungen | |
über der Grenze, die Mietpreisbremse zulässt. | |
„Wir brauchen wirkungsvolle Strafen“, forderte Lay. In ihrem Antrag schlägt | |
die Partei außerdem vor, alle Ausnahmen bei der Mietpreisbremse zu | |
streichen. | |
In eine ähnliche Richtung gehen auch die Vorschläge der Grünen. Diese | |
möchten zwar nicht alle Ausnahmen streichen, aber zumindest verhindern, | |
dass Modernisierungskosten dauerhaft auf den Mieter umgelegt werden können. | |
Die Rügepflicht wollen sie abschaffen. | |
Beide Parteien schlagen außerdem vor, dass die Mieter das Recht haben | |
sollen, vom Vermieter zu erfahren, wie viel der Vormieter gezahlt hat. Erst | |
dann wissen sie nämlich, ob die Mietpreisbremse eingehalten wird. Eine | |
solche Auskunftspflicht hatte auch Justizminister Heiko Maas (SPD) | |
vorgeschlagen. Einen Gesetzentwurf hat er bis heute nicht in den Bundestag | |
eingebracht; er scheitert am Widerstand der Union. | |
## Der Opposition fehlt Maß und Mitte | |
Die Union warf Grünen und Linkspartei vor, einen ganzen Berufsstand, die | |
Vermieter nämlich, die 40 Millionen Menschen in Deutschland ein Zuhause | |
gäben, an den Pranger zu stellen. Die Anträge der Opposition ließen Maß und | |
Mitte vermissen, sagte der Berliner Abgeordnete Kai Wegener. „Sie wollen in | |
verfassungsmäßige Eigentumsrechte eingreifen.“ | |
Nach Ansicht der Union funktioniert die Mietpreisbremse hervorragend, was | |
sich an den erfolgreichen Klagen von Mietern, die sich auf diese beriefen, | |
ablesen ließe. | |
„Wir“, lobte sich Wegener „haben die Mietpreisbremse beschlossen.“ Nach | |
Protesten aus den Reihen der SPD korrigierte er sich. „Wir in der | |
Koalition“, und lächelte den Sozialdemokraten zu. „Noch sind wir in der | |
Koalition, auch wenn sie sich was anderes wünschen.“ | |
Derweil rollte Justizminister Heiko Maas (SPD), der die Debatte schweigend | |
verfolgte, auf seinem Regierungsdrehsessel vor und zurück. Die Arme vor der | |
Brust verschränkt, seine Körpersprache lautete übersetzt in etwa: Bin ich | |
im falschen Film? Ganz sicher in der falschen Koalition. | |
„Sie haben heute die Chance, Farbe zu bekennen“, appellierte der | |
Abgeordnete der Grünen, Christian Kühn, an die Genossen. Das haben sie | |
getan. In der namentlichen Abstimmung fielen die Anträge durch. | |
9 Mar 2017 | |
## AUTOREN | |
Anna Lehmann | |
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