| # taz.de -- Radpolitik in Berlin-Neukölln: Wenn Geld keine Rolle spielt | |
| > Bei einer Diskussionsveranstaltung zur Radmobilität in Neukölln kündigt | |
| > Verkehrsstaatssekretär Kirchner goldene Zeiten an. Neukölln freut's. | |
| Bild: Jetzt wird alles besser: Der Verkehrsstaatssekretär wirft mit Geld um si… | |
| Zu einer Podiumsdiskussion über die Zukunft des Radverkehrs fährt man am | |
| besten mit dem Rad. Das Netzwerk Fahrradfreundliches Neukölln hatte am | |
| Montagabend eingeladen, zu Gast sind der Staatssekretär für Verkehr und die | |
| Neuköllner Bürgermeisterin. Also rauf aufs Rad. Die Sonnenallee runter. | |
| Einem Zweite-Reiher-Parker ausweichen. Fast von einem Lkw mitgenommen | |
| werden. Auf dem Radweg einen Lieferwagen umrunden. Radweg endet im Nichts. | |
| Die Veranstaltung findet im Neuköllner Prachtwerk statt, einem hippen Café | |
| mit einer überforderten Bar. Viele Menschen mit Laptop. „Hier kommt man | |
| ohne gar nicht rein“, scherzt ein SPDler, der seit zehn Minuten auf sein | |
| Weizen wartet. Es gibt sogar Merchandise der Fahrradlobby. | |
| Was sagt uns das Setting? Die Umgestaltung des Radverkehrs ist hip. | |
| Offensichtlich aber nicht so hip, dass sie im neuen Investitionsplan des | |
| Bezirks einen relevanten Posten einnehmen würde. Das kritisiert das | |
| Netzwerk Fahrradfreundliches Neukölln: Von den 10 Millionen Euro für | |
| Straßenbaumaßnahmen in den kommenden fünf Jahren seien nur etwa 20 Prozent | |
| für den Radverkehr geplant. | |
| Die Bezirksbürgermeisterin Franziska Giffey (SPD) kontert auf dem Podium: | |
| 20 Parkplätze seien in Neukölln bereits geopfert und 128 Fahrradstellplätze | |
| geschaffen worden. Applaus. Außerdem seien Machbarkeitsstudien zu Radwegen | |
| am Hermannplatz und der Sonnenallee geplant. Applaus. Genaueres stehe dazu | |
| aber noch nicht fest. Buuh. Man dürfe nicht nur die 18 Prozent städtischen | |
| Radverkehrs sehen, sondern müsse auch andere Verkehrsteilnehmer*innen | |
| berücksichtigen, rechtfertigt sich Giffey. | |
| Daraufhin stellt Carolin Kruse, die das Netzwerk Fahrradfreundliches | |
| Neukölln vertritt, die Gretchenfrage: Vielleicht könnten es viel mehr als | |
| 18 Prozent sein, wenn nur die Infrastruktur vorhanden wäre? Applaus. Und | |
| warum hätten diese Familien-Geländewagen das Recht, sich auf der | |
| Sonnenallee breitzumachen, nicht aber das Fahrrad mit Kinderanhänger? Noch | |
| mehr Applaus. Wichtige Fragen, Fragen zur Flächengerechtigkeit und einem | |
| Interessenkonflikt zwischen Pragmatismus und Idealismus. | |
| Und dann schaltet sich Verkehrsstaatssekretär Jens-Holger Kirchner (Grüne) | |
| ein. Gönnerhaft verkündet er: „Geld wird in den nächsten Jahren keine Rolle | |
| spielen.“ Applaus. 40 Millionen Euro seien 2018 für den Radverkehr | |
| reserviert, 2019 sogar 51 Millionen. Die Bezirksbürgermeisterin kommt aus | |
| dem Grinsen nicht mehr heraus. | |
| Unklar bleibt, wie Kirchner das ganze Geld ausgeben will. Die Verwaltung | |
| dürfte mit diesem Riesenetat heillos überfordert sein. Für jede Maßnahme | |
| braucht es Untersuchungen, Anhörungen, Evaluationen. Woher soll das | |
| Personal dafür kommen, woher die Expertise? Schnöde Verwaltungsfragen, | |
| wenig hip. An diesem Abend in Neukölln werden sie jedenfalls nicht | |
| gestellt. | |
| 7 Mar 2017 | |
| ## AUTOREN | |
| Fabian Franke | |
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