| # taz.de -- Schleichwerbung per Rad in Berlin: Leihfahrrad lohnt sich … | |
| > … fragt sich nur, für wen: „Lidl Bikes“ bringt 3.500 Räder auf die | |
| > Straßen. Im April folgt Nextbike – gefördert vom Senat. | |
| Bild: Das ist Geschichte. Künftig darf man für einen Diskounter Werbung fahren | |
| Frühlingszeit, Fahrradzeit. Nachdem es die letzten Monate in Berlin kein | |
| flächendeckendes Fahrradleihsystem gab, startet ab dem heutigen Montag | |
| „Lidl Bikes“ mit einer Flotte von 3.500 fabrikneuen Rädern. Jedes einzelne | |
| geschmückt mit sieben Lidl-Logos – ein rollendes Werbebanner. | |
| Anders als stationsgebundene Systeme können die Fahrräder an jeder | |
| Straßenecke, an jedem Laternenpfahl innerhalb des S-Bahn-Rings abgestellt | |
| werden. In einer App sind zusätzlich virtuelle Rückgabezonen verzeichnet – | |
| etwa in der Größe einer Bushaltestelle. Wer sein Fahrrad in einer dieser | |
| Zonen abstellt, bekommt 50 Cent Rabatt. Ganz nebenbei sind diese | |
| Rückgabezonen garantiert nie weiter als 200 Meter von der nächsten | |
| Lidl-Filiale entfernt. Ein Kniff, von dem sich der Discounter offenbar mehr | |
| Laufkundschaft erhofft. | |
| Interessant bei „Lidl Bikes“ ist der Zusatz „In Kooperation mit der DB“. | |
| Denn Lidl ist lediglich Sponsor; abgewickelt und organisiert wird das | |
| System weiterhin von DB Rent, einer Tochtergesellschaft der Deutschen Bahn. | |
| DB Rent hatte bisher das stationsgebundene System „Call a Bike“ in Berlin | |
| betrieben und wurde durch die Senatsverwaltung für Verkehr gefördert. | |
| ## Lizenz verloren | |
| Bei einer öffentlichen Neuausschreibung im Juni 2016 verlor die Deutsche | |
| Bahn die Lizenz. Damit war sie zum Rückbau ihrer 150 Stationen | |
| verpflichtet. Betonquader, Terminals, Räder – alles musste weg. Die | |
| Fahrräder kamen teilweise in andere Städte, in denen DB Rent auch | |
| Verleihsysteme betreibt. | |
| In der Ausschreibung durchgesetzt hatte sich dagegen das Leipziger | |
| Unternehmen Nextbike, das bereits mehrere Fahrradprojekte in europäischen | |
| Großstädten erfolgreich betreibt. Nextbike erhält nun die 1,5 Millionen | |
| Euro Landeszuschuss, die die Deutsche Bahn gern gehabt hätte. | |
| Im Leipziger Werk lief denn auch die Produktion von 200 Andockstationen und | |
| 2.000 blauen Rädern an. Ab Anfang April ist das Nextbike-System vollständig | |
| einsatzbereit, dann werden die Terminals und Räder in Berlin verteilt und | |
| installiert sein. Damit beginnt in Berlin die Zeit des dualen | |
| Fahrradverleihsystems. In den nächsten Jahren will Nextbike auf bis zu | |
| 5.000 Räder aufstocken. | |
| Den Markt Berlin einfach aufgeben wollte DB Rent trotz der | |
| Ausschreibungsniederlage aber offenbar nicht. „Wir haben in Lidl einen | |
| starken Partner gefunden, der notwendig ist, um den Fahrradverleih in | |
| Berlin weiter wirtschaftlich betreiben zu können“, so ein Sprecher. Nun | |
| also einfach ohne reale Stationen, stattdessen mit virtuellen. Und mit | |
| einem etablierten Kund*innenstamm, der direkt von „Call a Bike“ | |
| übernommen wird – nach Konzernangaben sind das etwa 100.000 Personen, die | |
| sich nicht extra neu registrieren müssen. Ein enormer Vorteil gegenüber | |
| Nextbike. | |
| Ganz normaler Wettbewerb, könnte man meinen. Und Radler*innen haben ab | |
| April die Wahl zwischen der stationsgebundenen blauen Variante Nextbike und | |
| der grünen Discountervariante, die man überall abstellen kann. Preislich | |
| nehmen sich die Varianten bislang kaum etwas. Lidl Bikes kosten im | |
| Basistarif 3 Euro pro Jahr und 1,5 Euro für die erste halbe Stunde, für | |
| jede weitere 1 Euro. Dabei übersteigt die Miete 15 Euro pro Tag nicht. | |
| Für Kurzzeitleihen ist Nextbike etwas günstiger, da im Basistarif kein | |
| Jahresbeitrag anfällt: Für 1 Euro in der ersten halben Stunde und 1,50 Euro | |
| für jede weitere kann direkt losgeradelt werden. Damit richtet sich das | |
| Angebot offenbar mehr an Tourist*innen. Gedeckelt ist auch der Tagespreis | |
| von Nextbike bei 15 Euro. Beide Anbieter haben auch einen Komforttarif um | |
| 50 Euro im Angebot, mit dem sich die Leihpreise verringern. | |
| ## Zu viele Räder für Berlin? | |
| Trotz des vielfältigen Angebots ist die Frage berechtigt, ob Berlin zwei | |
| separate Systeme verträgt. Wenn beide Anbieter ihre Flotte aufgestockt | |
| haben, stehen fast 10.000 Fahrräder zur Ausleihe bereit. Dazu kommen | |
| unzählige Kleinanbieter und Hostels, die Räder ganz ohne Registrierung und | |
| App an Tourist*innen vermieten. | |
| Die Deutsche Bahn versuche zwanghaft, den Berliner Markt zu halten, so der | |
| Vorwurf von Nextbike. Das wäre besonders pikant, wenn das Staatsunternehmen | |
| „Lidl Bikes“ direkt unterstützen würde. Denn dann würden öffentliche Ge… | |
| in Konkurrenz zu öffentlichen Geldern gehen. Der Plan sei aber, „dass sich | |
| Lidl Bikes wirtschaftlich von selbst trägt“, widerspricht ein DB-Sprecher | |
| der Kritik. | |
| Bei Nextbike bleibt man optimistisch: „Zwar wird unsere Situation durch | |
| Lidl nicht einfacher, wir sind aber von der Wirtschaftlichkeit des | |
| Projektes überzeugt“, so eine Sprecherin. Und auch der Senat sieht, | |
| zumindest offiziell, im dualen System eher eine „Belebung des | |
| kundenorientierten Wettbewerbs“. | |
| 6 Mar 2017 | |
| ## AUTOREN | |
| Fabian Franke | |
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