# taz.de -- Leihräder in Berlin: Lidl kriegt Konkurrenz | |
> Mit Nextbike drängt ein weiterer Anbieter auf den Leihfahrradmarkt. Der | |
> Senat hat dafür tief in die Tasche gegriffen und einen Konkurrenzkampf | |
> entfacht. | |
Bild: In Berlin gibt es jetzt tatsächlich Auswahl im Leihrädermarkt | |
Mieträder, Mieträder, Mieträder – wohin das Auge blickt. Mit Anbruch | |
dessen, was früher einmal „Fahrradsaison“ genannt wurde, stehen sie übera… | |
herum. Gefühlt hat inzwischen jedes Hostel und jeder Souvenirshop ein paar | |
Velos für 10 oder 12 Euro pro Tag im Angebot. Im April fluteten die Bahn AG | |
und Lidl die Stadt mit ihren „Lidl-Bikes“, und seit diesem Wochenende ist | |
auch der größte Player auf dem Markt: Überall schießen „Nextbike“-Stati… | |
aus dem Asphalt. Bis zum kommenden Jahr sollen 5.500 Exemplare der | |
silberblauen Leihräder in der Stadt herumstehen und -fahren. | |
Nextbike ist nicht irgendein weiterer Anbieter: Das weltweit agierende | |
Unternehmen mit Firmensitz in Leipzig arbeitet im Auftrag des Senats – und | |
der bezahlt auch dafür. Schon unter Rot-Schwarz war beschlossen worden, ein | |
vom Land gefördertes Leihfahrradsystem einzurichten, damit ÖPNV-Nutzer und | |
Touristen kurze Strecken umweltfreundlich und flexibel zurücklegen können. | |
Die Ausschreibung für den vorerst fünfjährigen Vertrag mit einer Förderung | |
von insgesamt 7,5 Millionen Euro dauerte länger als geplant, aber nach | |
erfolgreich absolviertem Probebetrieb in Lichtenberg soll es nun Schlag auf | |
Schlag gehen: Jede Woche werden neue Nextbike-Stationen montiert, bis die | |
Gesamtzahl von 725 erreicht ist. Zum Start sind bereits 1.500 Räder im | |
Einsatz. | |
## Robust und gut verarbeitet | |
„Ich freue mich, dass Berlin so innovativ ist und uns ausgewählt hat“, | |
jubelte Nextbike-Geschäftsführer Ralf Kalupner bei einer Eröffnungsradtour | |
am Freitagnachmittag. Zusammen mit Verkehrsstaatssekretär Jens-Holger | |
Kirchner fuhr er im klingelnden Pulk aus Nextbike-Angestellten, | |
Senatsmitarbeitern und Journalisten vom Gendarmenmarkt zum Potsdamer Platz, | |
um die Qualität der Räder anzupreisen. Die mit drei Gängen ausgestatteten | |
Bikes wirken tatsächlich robust und gut verarbeitet, das Design mag ein | |
wenig altbacken sein, dafür wartet über dem Vorderrad ein belastbar | |
wirkender Gepäckhalter auf Fracht. | |
Ausleihen kann man die Räder nach einer Registrierung als Kunde per Eingabe | |
einer PIN. Die erhält man per App, aber auch an den Terminals, mit denen | |
die Stationen ausgestattet werden. Am einfachsten funktioniert das System | |
für VBB-Abonnenten: Sie können – nach erfolgter Registrierung bei Nextbike | |
– ihre „fahrCard“ an den kleinen Bordcomputer hinter dem Sattel halten, u… | |
schon lässt sich das Fahrrad aus seiner stählernen Halterung lösen. | |
VBB-Chefin Susanne Henckel sagte am Rande der Jungfernfahrt: „Die | |
VBB-fahrCard wird zunehmend auch zu einer Mobilitätskarte.“ | |
## Versprochen war mehr | |
Versprochen war allerdings mehr – und soll auch noch geliefert werden: ein | |
Rabatt für VBB-Abonnenten, bei dem die erste halbe Stunde Fahrt kostenlos | |
bleibt. Offenbar sind sich Senatsverkehrsverwaltung und Nextbike über die | |
Konditionen noch nicht einig geworden. Eine Vergünstigung für treue | |
ÖPNV-Nutzer wäre aber das Mindeste bei einem öffentlich bezuschussten | |
System. Ein Blick nach Hamburg zeigt: Dort sind die offiziellen Leihräder | |
sogar für jeden Kunden in den ersten 30 Minuten gratis. | |
Ob in Berlin die Rechnung auch für Nextbike aufgeht, hängt weniger von den | |
potenziellen Nutzern ab, sondern von der Konkurrenz: Die Bahn AG, die | |
jahrelang ihre Call-a-Bike-Fahrräder in Berlin anbot, zog bei der | |
Ausschreibung durch den Senat den Kürzeren, wollte aber nicht kampflos das | |
Feld räumen. Die in Zusammenarbeit mit der Billigmarkt-Kette zu | |
„Lidl-Bikes“ umgemodelten Räder erhöhen das Gesamtangebot in Berlin enorm. | |
Gut möglich, dass sich das Geschäft am Ende für keinen der Anbieter | |
rechnet. | |
„Die Bahn holt sich das Geld doch am Ende bei Herrn Schäuble wieder“, | |
klagte Nextbike-Chef Kalupner am Freitag. „Das ist unfair und Dumping!“ | |
Seiner Ansicht nach mangelt es den Lidl-Bikes auch an Wartung: Er | |
präsentierte auf seinem Handy Bilder mit platten Reifen. Ob die 7,5 | |
Millionen Euro Landessubventionen zusätzlich zu den erwirtschafteten | |
Nutzungsgebühren seinem Unternehmen reichen werden, um eine bessere | |
Performance abzuliefern, wird sich zeigen. | |
8 May 2017 | |
## AUTOREN | |
Claudius Prößer | |
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