| # taz.de -- Symbole von Jungfaschisten: Neue rechte Posterboys | |
| > Die Identitären setzen sich vom Muff der alten Rechten ab. Sie bedienen | |
| > sich neuer Symbole – sowohl historischer als auch popkultureller. | |
| Bild: Der Rechte ist heute nicht mehr der debile Schläger aus „Asterix bei d… | |
| Nehmen wir zum Beispiel Asterix. Die keltische Comicfigur war schon | |
| identitär, bevor es die Identitäre Bewegung überhaupt gab. Zuerst hat der | |
| Kulturhistoriker Léon Poliakov in seiner Studie „Der arische Mythos“ darauf | |
| hingewiesen, dass es in dem gallischen Dorf der Unbeugsamen nicht mit | |
| rechten Dingen zugeht – oder viel eher mit allzu rechten. | |
| Es handelt sich um eine autochthone und homogene Dorfgemeinschaft, die sich | |
| nicht nur dem römischen Imperium, sondern allen äußeren Einflüssen | |
| überhaupt widersetzt. Frauen sind entweder mütterlich oder begehrenswert | |
| gezeichnet. Wissenschaft ist funktionierende Alchemie und obliegt dem | |
| druidischen Oberpriester, die technische Entwicklung verharrt in der | |
| Hinkelsteinzeit. Und der Dorfälteste spricht „frei von der Leber“ weg, wenn | |
| er sagt: „Ich habe nichts gegen Fremde, einige meiner besten Freunde sind | |
| Fremde. Aber diese Fremden sind nicht von hier.“ | |
| Und das ist schon, en miniature, die ganze Philosophie der Identitären. | |
| Weshalb Asterix in Frankreich schon lange in den symbolischen Fundus der | |
| Neurechten eingemeindet und auch hierzulande neuerdings als Verteidiger des | |
| Völkischen entdeckt wird – ganz affirmativ von einer sich progressiv | |
| verstehenden Rechten, die in der Welt des Symbolischen nach | |
| Anknüpfungspunkten suchen. Schließlich ist jedes Symbol auch nur weißes | |
| Papier. Es kommt darauf an, mit welcher Ideologie es beschrieben oder | |
| überschrieben ist. | |
| Besonders bequem sind Symbole der europäischen Geschichte, auch wenn es nur | |
| Ortsnamen und damit bloße Signaturen sind. Mit der Besetzung einer Moschee | |
| in Poitiers sind 2012 die französischen Identitären überhaupt erst ins | |
| Bewusstsein einer breiteren Öffentlichkeit gerückt. Die Aktion sollte an | |
| die Schlacht von Tours und Poitiers erinnern, bei der ein „europäisches | |
| Heer“ aus Franken, Sachsen und Langobarden im Jahr 732 ein marodierendes | |
| Heer arabischer Muslime schlug. | |
| ## Memes und Monumente | |
| Die moderne Forschung weist darauf hin, dass die Araber ohnehin kein | |
| gesteigertes Interesse am rückständigen Mitteleuropa gehabt hätten. Ihr | |
| Andalusien sollte noch Jahrhunderte in einer kulturellen Blüte stehen, von | |
| der das übrige Europa nicht einmal zu träumen wagte. Aber egal. | |
| Reconquista, Baby! | |
| Also besetzen die Identitären mit muslimischen Gotteshäusern auch die | |
| Chiffre „Poitier“ und beanspruchen für sich, eine neue „arabische | |
| Expansion“ in Westeuropa eindämmen zu wollen, gern mit kreuzritterlichem | |
| Einschlag auf Buttons, Postern, Kleidung oder in Memes. Geschichtliche | |
| Daten können nicht weglaufen, geschichtsträchtige Monumente ebenso wenig. | |
| Weshalb die deutschen Identitären jüngst auf das, genau, | |
| geschichtsträchtige Brandenburger Tor kletterten, um gewissermaßen vom | |
| denkbar höchsten Ross des preußischen Militarismus herab für „sichere | |
| Grenzen, sichere Zukunft“ und eine „Festung Europa“ zu werben. Deshalb | |
| setzen Identitäre in ganz Europa neue Zeichen oder besinnen sich auf alte. | |
| Der „Bloc Identitaire“ frankofoner Jungfaschisten in Frankreich, der | |
| Walloniens und der Romandie hat sich für seine Flyer und T-Shirts den | |
| schwarzen Keiler auserkoren – ein, wenn gereizt, ziemlich aggressives Tier | |
| aus den europäischen Urwäldern und auch ein bei „Asterix“ sehr beliebtes | |
| Schwein. Europaweit durchgesetzt hat sich ein abstrakteres Zeichen, der | |
| gelbe griechische Buchstabe Lambda auf schwarzem Grund (oder umgekehrt). | |
| Er schließt ein ganzes Bündel an Interpretationen auf, bezieht er sich doch | |
| auf das Schild der spartanischen Hopliten. In der Schlacht bei den | |
| Thermopylen 480 v. Chr. hielten gemäß der Überlieferung 300 Spartaner um | |
| ihren König Leonidas die Stellung und damit eine bedeutende persische | |
| Übermacht lange genug auf, um eine Reorganisation der griechischen | |
| Streitkräfte zu ermöglichen. Die Truppe blieb an ihrem Platz, so wie es | |
| sich die Identitären für jedes Volk wünschen. | |
| ## Ähnlich wie einst die traditionelle Linke | |
| Zugleich erinnerte wohl schon die Spartaner selbst die Keilform des | |
| Buchstaben Lambda an die berüchtigte Kampfformation der Phalanx, mit der | |
| die Bürgersoldaten bevorzugt in die Schlachten zogen. Das heldenhafte | |
| Ausharren der Spartaner gilt seit der Überlieferung durch Herodot als | |
| Urbild von Pflichtbewusstsein. Darüber hinaus steht die Schlacht bei den | |
| Thermopylen am Anfang einer ganzen Reihe halbmythologischer militärischer | |
| Auseinandersetzung, in denen immer mal wieder „Europa“ gegen feindliche | |
| Invasoren verteidigt wurde. | |
| Lambda erinnert sicher auch nicht ganz zufällig an das Symbol der | |
| nationalsozialistischen Sturmabteilungen (SA). Zudem nannten sich die | |
| ersten spanischen Faschisten „Falange“ – Phalanx. Die Neuen Rechten | |
| allerdings schöpfen nicht in erster Linie aus der Geschichte, sondern aus | |
| der Popkultur. Ihr Lambda entstammt der Verfilmung von Frank Millers | |
| revisionistischem Comic „300“ über die Spartaner. Erfolgreich auf seine | |
| Tauglichkeit abgeklopft werden auch andere popkulturelle Phänomene. Gnade | |
| findet die Hollywoodproduktion „Avatar“, wo die unverdorben indigene | |
| Bevölkerung eines paradiesischen Planeten kosmokapitalistischem Raubbau ein | |
| Ende setzt. | |
| Andere Posterboys der Bewegung sind Filmfiguren wie Tyler Durden („Fight | |
| Club“) oder Neo („Matrix“) – alles Gestalten, die sich furchtlos den | |
| „wahren Zusammenhängen“ einer plutokratischen Welt stellen. In „Matrix“ | |
| wird ein Computernerd vor die Wahl zwischen einer blauen und einer roten | |
| Pille gestellt. Die Einnahme der „red pill“ ermöglicht ihm, die Welt als | |
| Simulation und die „Wahrheit dahinter“ zu sehen – und sich in eine | |
| messianische Gestalt zu verwandeln. Im identitären Podcast „Leuchtfeuer“ | |
| gibt es eine Reihe namens „Die rote Pille“, in dem beispielsweise das | |
| Orwell’sche „Doppeldenk“ und Platons Höhlengleichnis gegen die „mediale | |
| Simulation“ unserer Wirklichkeit in Anschlag gebracht wird. | |
| Fündig werden die Identitären auch bei japanischen Animes und hier speziell | |
| beim legendären Studio Ghibli. Deren Zeichentrickfilme sind nicht nur | |
| objektiv tiefer und weiter als alles, was Disney jemals gemacht hat – sie | |
| sind auch „identitär lesbar“, allen voran die naturromantische Dystopie | |
| „Nausica“ aus dem Tal der Winde. Darin setzt sich die Prinzessin eines | |
| kleinen Volkes gegen ein „Meer aus Fäulnis“ zur Wehr. Umstandslos | |
| eingemeindet wird von dem Identitären eine tragische Figur wie der | |
| japanische Schriftsteller und reaktionäre Putschist Mishima Yukio. Putin | |
| sowieso. Auf dieser Ebene nehmen die Beispiele kein Ende, weil die | |
| Identitäten ähnlich verfahren wie einst die traditionelle Linke – die hat | |
| von Spartacus bis hin zu Thomas Münzer ebenfalls so lange an Figuren | |
| herumgedeutelt, bis sie in ihren ideologischen Kram passten. | |
| ## Antifa oder Fascho? | |
| Das zeigt auch die Wahllosigkeit, mit der etwa ein ursprünglich | |
| unpolitisches Internetphänomen wie „Pepe der Frosch“ von der neurechten | |
| Bewegung in den USA gewissermaßen auf rechts umprogrammiert wird. Wie | |
| volatil die Bedeutung von Symbolen sein kann, zeigt sehr gut die | |
| ursprünglich für den Film „V wie Vendetta“ gestaltete und vor allem in | |
| linken Kreisen populäre Maske, die den anarchischen Terroristen Guy Fawkes | |
| darstellen soll. Inzwischen verbergen sich dahinter auch rechte | |
| Organisationen, wie überhaupt eifrig in „linkem“ Revier gewildert wird –… | |
| freier Wildbahn sind Identitäre von der Antifa kaum mehr zu unterscheiden. | |
| Die postmoderne Verwirrung hat System. Weltanschauliche Kämpfe werden | |
| einstweilen im vorpolitischen Feld ausgefochten, wo es „nur“ um | |
| Symbolisches geht. | |
| Neu ist der Versuch, verschiedene Subkulturen ideologisch aufzuladen – weil | |
| genau dort eine verunsicherte jugendliche Klientel erreicht wird, die sich | |
| von geborgter Coolness und der pennälerhaften Bildungshuberei (Stefan | |
| George! Oswald Spengler! Friedrich Nietzsche!) dahinter beeindrucken lassen | |
| könnte. Als Zugabe gibt es nicht mehr knüppelnden Rechtsrock, sondern | |
| „Neofolk“ (Sagittarius, Jännerwein) mit weinerlichen Heimattexten. | |
| Eine ältere Generation der Faschisten bediente sich noch hergebrachter | |
| Symbole, vom Hakenkreuz bis zum Rutenbündel italienischer Faschisten. | |
| Runenquatsch und Landserromantik schöpften noch aus der Ikonografie des | |
| Dritten Reichs und dienten als klandestine Codes innerhalb der Szene. | |
| Derlei hält sich noch in Aufklebern auf den Heckscheiben („Todesstrafe für | |
| Kinderschänder“ etc.) von Autos in Mecklenburg-Vorpommern, läuft aber | |
| zusehends aus. Identitäre interessiert das nicht mehr. | |
| Vom Muff der Vergangenheit wollen sie sich offensiv absetzen, die Symbole | |
| sollen nach außen abstrahlen – nicht nach innen. So gesehen geben sich die | |
| Identitären, wie es die Nationalsozialisten auch schon taten, auf der | |
| Ebene der Zeichen halbwegs „state of the art“. Die dumpfe Variante der | |
| achtziger und neunziger Jahre war eine Ausnahmeerscheinung. Neue Rechte | |
| sind nicht mehr von Weitem zu erkennen, wir werden nicht mehr rechtzeitig | |
| die Straßenseite wechseln können. Der Rechte, das ist heute nicht mehr der | |
| debile Schläger aus „Asterix bei den Goten“. Der Rechte, das ist Asterix | |
| selbst. | |
| 20 Feb 2017 | |
| ## AUTOREN | |
| Arno Frank | |
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