# taz.de -- Aktivistin über akzeptierten Rassismus: „Schwieriger als gegen S… | |
> Sandra Peters vom „Hamburger Bündnis gegen Rechts“ spricht über die | |
> Schwierigkeiten, gegen die Neue Rechte zu mobilisieren. | |
Bild: Protestieren gegen Zuwanderung: Identitäre auf dem Brandenburger Tor. | |
taz: Frau Peters, scheitern antifaschistische Initiativen an | |
rechtspopulistischen Bewegungen? | |
Sandra Peters: Das Strategiepapier der AfD beweist uns das Gegenteil. Darin | |
wird uns bescheinigt, dass die vielen Aktiven, die AfD-Infostände | |
begleiten, es der AfD sehr schwer machen, ihre Propaganda unter die Leute | |
zu bringen. Auch die Auseinandersetzung um Hamburger Veranstaltungen der | |
AfD in den Bürgerhäusern in Wilhelmsburg und Eimsbüttel wurde durch den | |
breiten zivilgesellschaftlichen Widerstand dagegen gewonnen. Insofern | |
ziehen wir eine positive Bilanz. | |
Dennoch hat das rechte Milieu das Sag- und Wählbare in seinem Sinn | |
erweitert. Und die erfolgreichsten Erweiterungen gelangen Akteuren aus der | |
Mitte der Gesellschaft. | |
Das ist leider wahr. Angefangen mit Thilo Sarrazin haben die rassistischen | |
Positionen, die es vorher schon an den Stammtischen gab, Einzug in große | |
Talkshows gehalten. Der AfD gelang es, die etablierten Parteien vor sich | |
herzutreiben. Wenn SPD und CDU jetzt glauben, dass sie der AfD die Stimmen | |
abgraben könnten, indem sie ihre rechten Positionen übernehmen und | |
beispielsweise ihre unmenschliche Abschiebungspolitik weiter treiben, dann | |
ist das ein großer Trugschluss: Am Ende wird immer das Original gewählt. | |
Wirft diese Entwicklung aus der Mitte für das Bündnis gegen rechts keine | |
Strategiefragen auf? | |
Wir entwickeln längst neue Ansätze, hinterfragen Einstellungen der | |
gesellschaftliche Mitte auch mit einer Protestkultur, die sich nicht auf | |
Gegenkundgebungen beschränkt. Eine Veranstaltungsreihe zu den | |
verschiedenstes Ressentiments der AfD ist gerade für die kommenden Wochen | |
vorbereitet worden, die nicht bloß in Szenevierteln stattfinden wird. Es | |
zeigt sich aber auch, dass sich antifaschistisches Engagement mit langem | |
Atem auszahlt: Noch vor 20 Jahren gab es eine völlig unkritische | |
Berichterstattung über die Hamburger Burschenschaft „Germania“ und auch der | |
Verfassungsschutz wollte bis 2013 nicht zugeben, dass diese Burschenschaft | |
personelle Verbindungen bis hin zur verbotenen FAP hatte, Wehrsport mit | |
Neonazis betrieb und regelmäßig neurechte Referenten einlud. Wir haben | |
nicht locker gelassen und mittlerweile sind die „Germanen“ gesellschaftlich | |
ziemlich isoliert. | |
Seit Jahrzehnten ruft das „Hamburger Bündnis gegen Rechts“ zu Protesten | |
gegen das neurechte Milieu auf. Doch der Zulauf ist nicht sehr groß. | |
Die Losung „Kein Fußbreit den Faschisten“ ist bei Aufmärschen von | |
neonazistischen Gruppierungen wie der NPD seit Langem eine ziemlich klare | |
Sache. Mit der AfD war das nicht so einfach. Die Auseinandersetzung mit der | |
intellektuellen Rechten ist schwerer als der Protest gegen marschierende | |
Stiefelnazis. Mittlerweile dürfte klar sein, dass die AfD extrem rechte | |
Inhalte vertritt und dabei ganz ohne Springerstiefel auskommt. Sie nutzt | |
die Mittel der parlamentarischen Demokratie aus, während sie | |
undemokratische Ziele verfolgt. Die große Herausforderung ist nun zu | |
verhindern, dass die AfD als „ganz normale Partei“ angesehen wird. | |
Die AfD nutzt kritische Aktionen gern, um daraus ihre Legitimation gegen | |
die „Gutmenschen“ zu ziehen. Wie kann man dem entgegenwirken? | |
Die AfD entlarvt sich damit eigentlich selber, denn wenn sie sich in | |
Opposition dazu stellt, wird ja deutlich, was sie sein wollen: keine | |
Gutmenschen. Und wenn sie sich damit in der Minderheit sieht, dann ist das | |
ein gutes Zeichen. „Gutmensch“ ist für uns kein Schimpfwort, weil wir für | |
ein gutes Leben für alle streiten, ein Leben ohne Verwertungslogik und | |
Konkurrenz, ohne Diskriminierung und Hass. Wenn die AfD das als Bedrohung | |
für ihr antisoziales, rassistisches und völkisch-nationales Projekt sieht, | |
dann haben wir alles richtig gemacht. | |
Müsste man nicht auch die Ursachen für den Erfolg der AfD betrachten? | |
Die AfD, aber auch andere neurechte Projekte in ganz Europa ziehen ihre | |
Kraft aus der Krise, die wir seit einigen Jahren erleben. Diese Krise ist | |
nicht nur eine Finanzkrise, sondern eine echte soziale und Demokratiekrise. | |
Viele haben erkannt, dass die gegenwärtige neoliberale Politik nicht in | |
ihrem Interesse ist, und sich den Protesten gegen die neoliberale EU bei | |
Blockupy oder den bundesweiten Großdemonstrationen gegen TTIP | |
angeschlossen. Ein progressiver und solidarischer Ausblick ist also bereits | |
formuliert. | |
Sitzt die Kritik an extrem rechten Positionen in der „Faschismus-Falle“? | |
Breiter Protest scheint nur möglich zu sein, wenn diese historischen Bezüge | |
aufgezeigt werden … | |
Unsere Kritik beginnt früher und geht weiter. Die neue Rechte ist ein | |
Angriff auf alle, die nicht weiß, männlich und mittelständisch sind. | |
Deswegen sagen wir mit der Auschwitz-Überlebenden Esther Bejarano: „‚Wehret | |
den Anfängen‘ ist längst überholt, wir sind mittendrin.“ | |
Mehr zum Thema „Identitäre Bewegung“ finden Sie in Hamburg, Bremen, | |
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23 Apr 2017 | |
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## AUTOREN | |
Andreas Speit | |
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