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# taz.de -- Eine Frisur und ihre Symbolik: Reclaim the Zopf!
> Der Zopf steht für Heimatverbundenheit und traditionelle Weiblichkeit.
> Überlassen wir diese Frisur nicht denen, die sie reaktionär nutzen
> wollen.
Bild: An den Haaren herbeigezogen – Frauen der Identitären Bewegung beanspru…
Bei der österreichischen Kaiserin Elisabeth reichten sie fast bis auf den
Boden, Judy Garland hüpfte mit ihnen durch Oz, und bei Pippi Langstrumpf
standen sie rebellisch in der Luft: Zöpfe. Geflochten wird das Haar seit
der Steinzeit – ein Trend, wie er älter nicht sein könnte. Während der Zopf
in vielen Regionen der Welt sowohl von Männern als auch von Frauen getragen
wurde und wird, entwickelte er sich in Europa vor allem in den letzten
Jahrhunderten zur rein weiblichen Frisur.
Es trugen ihn allerdings eher Mägde und andere Frauen niederer Stände – bis
in die High Society schaffte es der Zopf nur sehr selten. Noch heute
gehören die klassisch geflochtenen Zöpfe in vielen Regionen zur Tracht
dazu. Seit den nuller Jahren ist der Zopf in verschiedenen Varianten aber
auch wieder auf Laufstegen, roten Teppichen und im Alltag zu sehen. Denn:
Praktisch ist er ja. Schnell gemacht, hält den ganzen Tag und sieht mit
einmal drüber schlafen sogar noch besser aus.
Und außerdem beinhaltet ein Zopf eben auch: lange Haare – und damit ein
stereotypes Zeichen von Weiblichkeit. Das reicht vom heiligen Satz
Langhaariger, bevor die Schere ansetzt, „Ich möchte noch einen Zopf machen
können“, bis hin zur Annahme, dass „richtige Mädchen“ nun mal lange Haa…
haben, und die artigsten von ihnen tragen Zöpfe.
Im Nationalsozialismus klang das so: „Arisch ist der Zopf – jüdisch ist der
Bubikopf.“ Und so trugen zahlreiche Frauen im Bund Deutscher Mädel
Mittelscheitel und streng geflochtenes Haar zu beiden Seiten des Kopfes.
Keine andere Haarpracht vermittelt Tradition, Natürlichkeit und
Gehorsamkeit deutlicher. Diesem Brauch offenbar folgend, feiert der Zopf –
oder wahlweise die zwei bäuerlichen Zöpfe – ein Comeback: bei den Frauen
der Identitären Bewegung.
Junge rechte Frauen nutzen vor allem Social Media zur Verbreitung ihrer
Ideologie. In YouTube-Videos sitzen sie scheinbar ungeschminkt und mit fein
geflochtenen Haaren auf grünen Wiesen und erzählen von ihrer
ethnopluralistischen Welt. Die rechtsextreme identitäre Frau von heute ist
natürlich, weiblich und vor allem unschuldig – das soll uns diese
Inszenierung vermitteln. Auf Instagram sind Frauen der Identitären Bewegung
ebenfalls aktiv und verbreiten subversiv und mit Weichzeichner-Filter die
Ästhetik der neuen Rechten. Auch hier immer wieder dabei: der Zopf als
Zeichen für Treue und Reinheit.
Der Zopf muss gerettet werden. Er kann doch auch nichts dafür. Und wie
sollte man diese mit Traditionsromantik aufgeladene Propaganda besser
kaputtmachen können, als ihr eines der wichtigsten Identifikationssymbole
zu nehmen? Reclaim the Zopf! Überlassen wir diese tolle Frisur nicht denen,
die sie als Botschaft für unmenschliche Politik nutzen wollen. Flechten wir
uns wieder die Haare und ziehen den Zopf aus diesem
eklig-nationalsozialistischen Sumpf, in den er gerade sehr tief eingetaucht
wird. Gestalten wir diesen Look anders: Geben wir dem Zopf eine neue
Bedeutung – ganz ohne Zeichen von Heimatverbundenheit und Metapher der
perfekten Weiblichkeit.
16 Jun 2017
## AUTOREN
Ninia LaGrande
## TAGS
Identitäre Bewegung
Kulturgeschichte
NS-Ideologie
Haare
Frauen
Gleichberechtigung
Nationalismus
Schwerpunkt Gender und Sexualitäten
Identitäre Bewegung
Haare
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