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# taz.de -- Nazikonzerte in Thüringen: Ungebetene Gäste
> Themar in Thüringen ist bei Rechtsextremen beliebt. Drei Nazikonzerte
> stehen an. Die Gemeinde wünscht sich Hilfe, auch von der Kanzlerin.
Bild: Der Thüringer Landtag hat eine parlamentarische Beobachtungsgruppe gebil…
Themar taz | „Eine kleine Stadt braucht Hilfe“ ist ein offener Brief aus
Themar in Südthüringen überschrieben. Absender ist das Bündnis für
Demokratie und Weltoffenheit, Adressaten sind Bundespräsident Frank-Walter
Steinmeier (SPD), Kanzlerin Angela Merkel (CDU), Ministerpräsident Bodo
Ramelow (Linkspartei) und die Innenminister von Land und Bund.
„Wer schützt uns vor diesen Leuten?“, so die großgedruckte Frage in dem v…
gut einer Woche verschickten Brief. Gemeint sind bis zu 5.000 Neonazis aus
ganz Europa, die an drei Tagen im Juli zu Rechtsrockkonzerten erwartet
werden. Das erste, „Rock für Deutschland“, ist bereits für den kommenden
Sonnabend angesetzt.
Die Region am Südrand des Thüringer Waldes ist in den vergangenen Jahren
zum Schwerpunkt rechter Rockkonzerte und Liederabende geworden.
Ursprünglich für Gera oder Sömmerda angemeldete Auftritte werden dorthin
verlegt.
Die Zahl solcher Events ist nach Recherchen der Thüringer
Grünen-Landtagsabgeordneten Madeleine Henfling seit 2011 von drei auf zwölf
pro Jahr gestiegen. Mit etwa 6.500 BesucherInnen kamen im Vorjahr dreimal
mehr Gäste als noch 2015.
Weil am 15. Juli „Rock gegen Überfremdung“ gespielt werden soll, weisen die
BewohnerInnen Themars in ihrem Brief darauf hin, dass sie sich durch die
„massive Anzahl von Neonazis“ überfremdet fühlten – und nicht von
Flüchtlingen.
## Früher CDU, mittlerweile AfD
Es sind vor allem zwei Personen, die dafür verantwortlich sind, dass Themar
immer stärker zum kulturellen Treffpunkt der rechten Szene wird. Der
30-jährige gelernte Koch Tommy Frenck war NPD-Mitglied und Kopf des
Fußballvereins SV Germania. Als Jungnationaler hatte er Themar schon einmal
zur „Frontstadt“ erklärt. Im Ortsteil Kloster Veßra betreibt er inzwischen
den Gasthof „Goldener Löwe“. Die Beobachtung des Fachwerkhauses und der
Helfer, die Kartons ein- und ausladen, bestätigt die Insiderangabe, dass es
sich um ein Zentrum der Naziszene handelt. Frenck betreibt außerdem einen
Onlinehandel mit braunen Devotionalien. Befreundet ist er mit dem Bayern
Patrick Schröder, der die Konzerte organisiert.
Gegenüber Frencks Lokal betreibt Bodo Dressel einen Gebrauchtwagenhandel.
Dressel gehört ein Grundstück zwischen der Bundesstraße 89 und einem
Naturschutzgebiet, das er als Privatgrund für die Open-Air-Konzerte zur
Verfügung stellt. Er ist Bürgermeister des Nachbarortes Grimmelshausen,
früher für die CDU, mittlerweile für die AfD.
## Frenck bringt es einen fünfstelligen Gewinn
Wem Dressel eine Bühne bietet, ist offenkundig. Angesagt haben sich Bands
wie Treueorden, die mit der verbotenen Blood-&-Honour-Bewegung in
Verbindung steht, oder Stahlgewitter, die im Vorjahr auf einem großen
Nazikonzert in der Schweiz spielten. Frontalkraft aus Cottbus kommt aus der
Hammerskinszene und singt unter anderem: „Weiß sind die Männer, die für
Deutschland siegen, rot ist das Blut auf dem Asphalt.“
Im Rathaus zu Themar zeigt der parteilose Bürgermeister Hubert Böse auf
einer Karte, wie er versucht hat, über die Naturschutzbehörde des Kreises
Hildburghausen das Konzert zu verhindern. Bei fast dreieinhalbtausend
Quadratmetern Veranstaltungsgelände wären Auswirkungen auf die benachbarten
Feuchtwiesen oder Brandgefahr denkbar. Aber auch mit Bedenken wegen zu
erwartender Zufahrts- und Parkprobleme konnte er sich nicht durchsetzen.
Böse weist auf das kommerzielle Interesse des Kneipers Tommy Frenck hin.
„Ein solches Event beschert ihm einen fünfstelligen Gewinn“, schätzt er.
## Parlamentarische Beobachtungsgruppe gegründet
In einer Hinsicht kam ihm Landrat Thomas Müller (CDU) aber entgegen. Der
Rechtsrock auf privatem Gelände wird nicht als politische Versammlung
eingestuft, wie es die Anmelder gern hätten. Das hat schärfere Auflagen zur
Folge.
Eine bewusste Konfrontation will der Bürgermeister vermeiden. „Ich will
auch nicht, dass der schwarze Antifa-Block hier aufschlägt!“, sagt Böse.
Bleibt den 2.800 Themarern nur der symbolische Widerstand. 120 von ihnen
trafen sich jüngst und berieten über den Empfang der ungebetenen Gäste. Die
gesamte Ortsdurchfahrt wollen sie mit Plakaten bestücken, die Kirche plant
parallel ein Friedensgebet und einen Pilgerweg. Auf der Bühne einer
Gegenveranstaltung könnte die Ost-Beauftragte der Bundesregierung Iris
Gleicke (SPD) sprechen, die aus der Region stammt.
Unterstützung bekommen die Themarer aus dem Thüringer Landtag, wo sich eine
parlamentarische Beobachtungsgruppe gebildet hat.
26 Jun 2017
## AUTOREN
Michael Bartsch
## TAGS
Rechtsrock
Schwerpunkt Thüringen
Blood and Honour
Schwerpunkt Neonazis
Gera
Themar
Schwerpunkt Neonazis
Rechtsrock
Identitäre Bewegung
Tatjana Festerling
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