# taz.de -- Stichwahl im thüringischen Gera: Doch kein AfD-Oberbürgermeister | |
> Die Unterstützung des Parteilosen Julian Vonarb durch Linke, Grüne und | |
> SPD ist gelungen: Die AfD hat in Thüringen keinen Coup gelandet. | |
Bild: Alle Stimmen gezählt: Der AfD-Kandidat gewann die Stichwahl zum Oberbür… | |
DRESDEN taz | Schon am frühen Sonntagabend stand fest: Die AfD wird im | |
thüringischen Gera keinen Coup landen und erstmals den Oberbürgermeister | |
einer deutschen Großstadt stellen. In der ersten Runde der Thüringer | |
Kommunalwahlen vor zwei Wochen hatte ihr Kandidat Dieter Laudenbach die | |
amtierende Oberbürgermeisterin Viola Hahn knapp hinter sich gelassen und | |
lag nur zwei Punkte hinter seinem parteilosen Konkurrenten Julian Vonarb. | |
Die Stichwahl am Sonntag fiel deutlicher aus. Vonarb erhielt 69,8 Prozent, | |
sein Herausforderer Laudenbach nur 30,2 Prozent. | |
Der Thüringer Landesverband der AfD vermeldet auf seiner Homepage das | |
Ergebnis nur kommentarlos, verweist umso lautstärker auf seine Eisenacher | |
Kundgebung zum 1. Mai. Offenbar haben die Bürger der nur noch knapp 95.000 | |
Einwohner zählenden drittgrößten Thüringer Stadt einmal mehr zunächst mit | |
Hilfe der AfD ihren Frust ausdrücken wollen. | |
Problemlösungen trauen sie der so genannten Alternative aber auch nicht zu. | |
Für dieses Problembewusstsein spricht die überdurchschnittlich hohe | |
Wahlbeteiligung von 45,4 Prozent. Wie schon bei früheren Stichwahlen um | |
Bürgermeister- und Landratsämter in Thüringen lag sie auch am vergangenen | |
Sonntag im Landesdurchschnitt nur bei 37,8 Prozent. | |
Gera gilt in der Tat als die Thüringer Problemstadt, vergleichbar nur noch | |
mit der ehemaligen DDR-Bezirkshauptstadt Suhl im Thüringer Wald. Hier wurde | |
der Oberbürgermeister ebenfalls abgewählt. Gera liegt sozusagen im Schatten | |
der nur 35 Kilometer entfernten Boomtown Jena. Sie verlor nach der Wende | |
1990 ein Drittel ihrer Einwohner. | |
Die krassen Löcher in der Stadtkasse führten schon zu einem demonstrativen | |
Schließtag aller Kultureinrichtungen. Die Stadtwerke mussten 2014 Insolvenz | |
anmelden. Der Druck der Landesbehörden auf eine Haushaltkonsolidierung | |
lässt kaum städtische Investitionen zu. Gewerbeansiedlungen können nur | |
wenig stimuliert werden. Die Stadt sitzt in der Falle. Als Sündenböcke | |
müssen in Teilen der Bevölkerung nun die relativ zahlreichen Flüchtlinge | |
erscheinen. | |
## Mittelstandsförderung als Schlüsselthema | |
Die Aufgaben sind also immens, vor denen das neue Stadtoberhaupt steht. | |
Beide Kandidaten hatten in ihren Programmen Auswege aus der aussichtslos | |
erscheinenden Lage propagiert. Dieter Laudenbach von der AfD wollte sich | |
unter anderem vom Landesdiktat befreien, um „auflagenlos agieren zu | |
können“. | |
Bei dem von der AfD favorisierten Thema Sicherheit und beim angestrebten | |
Abbau von Bürokratie lagen beide Stichwahl-Kandidaten sogar eng beeinander. | |
Der 1972 in Freiburg (Breisgau) geborene gelernte Banker und | |
Unternehmensberater Julian Vonarb stellt indessen die Mittelstandsförderung | |
als Schlüsselthema heraus. Gewerbeflächen bietet die Stadt ja, es muss sich | |
nur jemand ansiedeln. | |
Der politisch bislang unerfahrene Vonarb hat in Gera keine Hausmacht. Ohne | |
Bündnisse wird ihm das Regieren ebenso schwer fallen wie es einem | |
isolierten AfD-Kandidaten Laudenbach gefallen wäre. Eine spannende Frage | |
wird deshalb sein, ob die mehr der [1][Verhinderung des möglichen | |
AfD-Erfolges] dienende Unterstützung durch Linke, SPD und Grüne auch im | |
Alltag der Kommunalpolitik anhält. Zuletzt hatte sich sogar CDU-Landeschef | |
Mike Mohring für Vonarb ausgesprochen, obschon eigentlich die bisherige | |
Oberbürgermeisterin Hahn der Union nahestand. | |
Mit dem Landesergebnis der Stichwahlen zeigten sich alle Seiten zufrieden, | |
auch wenn die Regierungsparteien von Rot-Rot-Grün einige Federn lassen | |
mussten. Die CDU festigte ihre kommunale Spitzenposition. Erstaunlich gut | |
schnitt die SPD ab, obschon ihr langjähriger Jenaer Oberbürgermeister | |
Albrecht Schröter unterlag. Im kommenden Frühherbst wird im 2,2 Millionen | |
Einwohner zählenden Thüringen ein neuer Landtag gewählt. Dann geht es um | |
die Zukunft der 2014 erstmals unter Führung des Linken-Ministerpräsidenten | |
Bodo Ramelow gebildeten Koalition von Linke, SPD und Grünen. | |
30 Apr 2018 | |
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## AUTOREN | |
Michael Bartsch | |
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