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# taz.de -- Neuerungen beim Foodsharing: Teilen, aber professionell
> Seit vier Jahren rettet Foodsharing e.V. erfolgreich Essen vor der Tonne.
> Zu erfolgreich. Das Projekt wächst über seine Kapazitäten hinaus.
Bild: Vorbildlich, auch bei ihnen ist Foodsharing angekommen
Berlin taz | „Wir wollen nicht Opfer unseres eigenen Erfolgs werden“, sagt
Valentin Thurn. Dieser Erfolg lässt sich nur schwer bestreiten. [1][Vor
knapp vier Jahren gründeten der Regisseur und weitere Gleichgesinnte den
Verein Foodsharing.] Sie hatten sich zum Ziel gesetzt,
Lebensmittelverschwendung zu verringern. Ausgangspunkt war ein
Dokumentarfilm Thurns, der 2011 in die Kinos kam. In [2][„Taste the Waste“]
dokumentiert der Filmemacher eindrucksvoll das globale Ausmaß der
Wegwerfmentalität.
Dass allein in Deutschland laut WWF jährlich rund 18 Millionen Tonnen
Lebensmittel weggeworfen werden, wollten Thurn und andere Aktivisten nicht
länger hinnehmen. [3][Es entstand eine Onlineplattform.] Deren Prinzip ist
simpel. Wer noch genießbare Lebensmittel nicht mehr verbraucht, kann diese
auf der Webseite anbieten. Andere Nutzer*innen können sich diese kostenfrei
abholen.
Darüber hinaus wurde der Schulterschluss mit Lebensmittelbetrieben gesucht.
Über 3.000 Läden kooperieren zurzeit mit Foodsharing. Anstatt in der Tonne
landen die Lebensmittel dieser Betriebe in den Händen der Aktivisten, die
diese an die übrigen Nutzer*innen weiterverteilen oder in öffentlich
zugängliche (Kühl-)Schränke legen. Die Webseite traf einen Nerv. In
Deutschland vernetzt Foodsharing heute über 200.000 Menschen. Mehr als 7
Millionen Kilogramm Lebensmittel hat die Initiative nach eigenen Angaben
bisher vor der Tonne gerettet.
Doch nun droht, wie Thurn sagt, das Projekt selbst zum Opfer dieser
Entwicklung zu werden. Die vier Jahre alten Strukturen des Vereins sind
nicht mehr in der Lage, das rasante Wachstum des Netzwerks einzuhegen. Das
liegt auch daran, dass das Projekt keine einheitlichen Strukturen hat. Zwar
gibt es den bundesweit agierenden Verein Foodsharing e. V., doch sind viele
der lokalen Ortsgruppen lediglich als Privatpersonen über die Plattformen
vernetzt, sind also nicht als Verein eingetragen.
## Woher kommt das Geld?
Viele – wie die Berliner Ortsgruppe – finden das gut. Eine lokale
Vereinsgründung würde für die Aktivisten vor allem eines bedeuten: mehr
Arbeit. Satzungen, Mitgliederversammlungen, Wahlen – all das würde die
ehrenamtlich arbeitenden Essenverteiler zusätzlich belasten. Auf der
anderen Seite beklagen viele Ortsgruppen fehlende Mitbestimmungsrechte.
In Schleswig-Holstein hat sich eine Ortsgruppe vor anderthalb Jahren
deshalb sogar ganz vom Foodsharing e. V. losgesagt. In Duisburg eskalierte
ein Konflikt aufgrund fehlender Mitbestimmungsrechte so weit, dass dieser
schließlich vor Gericht landete. Wachstumsschmerzen nennt Thurn das.
Abhilfe soll nun eine weitgehende Demokratisierung schaffen. So sollen in
allen Ortsgruppen – Vereinssatzung hin oder her – zumindest Wahlen für
einen Vorsitzenden durchgeführt werden.
Ein weiteres Problem des rasanten Wachstums: Geld. So ist in dem Protokoll
einer erweiterten Vorstandssitzung im November 2016 zu lesen: „Die
finanzielle Situation des Vereins ist desaströs. Wenn nicht bald Geld in
die Vereinskasse kommt, können wir Insolvenz anmelden.“
Offensichtlich hat man den Koordinierungsaufwand eines derartigen Projekts
lange unterschätzt, denn auf größere Spendenaufrufe oder Werbeaktionen
verzichtete man bislang. Doch auch das soll sich nun ändern. Um auch
weiterhin Lebensmittel im großen wie im kleinen Stil vor der Tonne retten
zu können, wird auf der Startseite der Plattform nun explizit dazu
aufgerufen, das Projekt mit einer Spende zu unterstützen.
Thurn ist sich bewusst, dass er das Projekt damit ein Stück weit von einer
mehrheitlich privat vernetzten Initiative hin zu einem ehrenamtlich
arbeitenden Verband verschiebt – mit all seinen Vor- und Nachteilen. Im
Sinne der Idee ein hoffentlich nicht zu großes Opfer für den Erfolg.
5 Feb 2017
## LINKS
[1] /!5076345
[2] /!5089803
[3] https://foodsharing.de/
## AUTOREN
Daniel Böldt
## TAGS
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