# taz.de -- Bericht zur Lebensmittelverschwendung: Zu alt, nicht schön? Weg da… | |
> Ein Drittel genießbarer Lebensmittel landet in der Mülltonne. Aber wieso | |
> sind die Verbraucher*innen daran schuld? | |
Bild: Abfall oder lecker Essen? – Inhalt einer Mülltonne | |
Berlin taz | Das Europäische Parlament will die Verschwendung von | |
Lebensmitteln eindämmen. Einen entsprechenden Bericht verabschiedeten die | |
Abgeordneten in dieser Woche. Außerdem formulierten sie konkrete Ziele und | |
Vorschläge. | |
Der Report ist Teil der Umsetzung der Maßnahmenpakete zur | |
Kreislaufwirtschaft von 2015, mit denen die Europäische Union grundsätzlich | |
den Ressourcenverbrauch reduzieren möchte. Konkret für Lebensmittel hat sie | |
sich das Ziel gesetzt, die Verschwendung bis 2030 zu halbieren. | |
Die Autor*innen fordern nun europaweit einheitliche Standards, wie der | |
Verlust und die Verschwendung von Essen dokumentiert und kontrolliert | |
werden soll. Das soll eine bessere Vergleichbarkeit herstellen. Sie | |
empfehlen Anreize, Lebensmittel zu spenden und eine bessere Aufklärung über | |
deren Haltbarkeit und die entsprechenden Kennzeichnungen. | |
Rund 53 Prozent des Lebensmittelverlustes gehe auf die privaten Haushalte | |
zurück, heißt es in dem Bericht. „In den Industrieländern werden die | |
meisten Lebensmittel am Ende der Versorgungskette, nämlich beim Vertrieb | |
und beim Verbrauch, verschwendet“, so die Berichterstatterin Biljana Borzan | |
von der Fraktion der Sozialdemokraten im EU-Parlament. Umstritten ist aber, | |
welche Verantwortung die Verbraucher*innen dabei tragen. | |
„Es gibt viel Verwirrung bei dem Unterschied zwischen dem | |
Mindesthaltbarkeitsdatum und dem Verbrauchsdatum“, sagt Anne-Catrin Hummel | |
von der Welthungerhilfe. Das verführe die Konsument*innen dazu, | |
sicherheitshalber noch genießbare Lebensmittel zu entsorgen. | |
## EU-Parlament will konkrete Daten erheben | |
Genaue Daten zu der absoluten Menge an Lebensmittelabfällen gibt es bisher | |
allerdings noch nicht. Derzeit kursierende Zahlen, auf die sich | |
verschiedene Institutionen wie die EU, Forschungsinstitute und | |
gemeinnützige Organisationen berufen, basieren laut Roland Gramling, | |
Sprecher des Umweltverbands WWF, auf Selbstauskünften und Schätzungen. | |
Deshalb fordern die EU-Parlamentarier präzisere Erhebungsverfahren entlang | |
der gesamten Kette, also vom Produzenten zu den Konsument*innen. | |
Gramling hält das zusätzlichen Druck für schwierig: „Nach unseren | |
Erfahrungen hat die Industrie kein Interesse, ihre Zahlen zum Verlust von | |
Lebensmitteln zu veröffentlichen.“ Genau da müsse die Politik ansetzen und | |
einheitliche Regeln aufstellen. | |
Dass die Verbraucher*innen innerhalb der EU für 53 Prozent der | |
Lebensmittelverschwendung verantwortlich sind, hält er für zu hoch | |
gegriffen. Die Stiftung des WWF sei in einer eigenen Studie zu dem Ergebnis | |
gekommen, dass in den privaten Haushalten in Deutschland rund 39 Prozent | |
der Nahrungsmittel im Abfall landen. Der Anteil in Europa könne nicht viel | |
größer sein. Deshalb dürfe sich die Strategie nicht darauf beschränken, die | |
Verbraucher*innen in die Pflicht zu nehmen, so Hummel. Alle Teile der | |
Wertschöpfungskette müssten berücksichtigt werden. | |
Und auch dann hält sie es für fraglich, dass das Ziel, die Verschwendung | |
auf die Hälfte zu reduzieren, im geplanten Zeitraum erreicht werden kann. | |
Deutschland habe sich bereits 2012 im Rahmen der vom Bundesministerium für | |
Ernährung und Landwirtschaft gestarteten Initiative „Zu gut für die Tonne“ | |
dazu verpflichtet, 50 Prozent weniger Lebensmittel wegzuwerfen. Der WWF | |
moniert, dass es bis heute nicht möglich sei, zu erfassen, ob „überhaupt | |
etwas passiert“ sei. | |
17 May 2017 | |
## AUTOREN | |
Yvonne Elfriede Hein | |
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