# taz.de -- Verschwendung von Lebensmitteln: Schönheitswahn im Supermarkt | |
> Jedes Jahr werden Tonnen an Obst und Gemüse weggeworfen, nur weil sie | |
> nicht der Norm entsprechen. Mit einer Petition soll das geändert werden. | |
Bild: Stoppt die Diskriminierung – es gibt kein „hässliches“ Gemüse | |
Wer schon mal einen [1][Apfel aus Nachbars Garten] stibitzt hat, weiß, dass | |
die Früchte meistens nicht allzu viel mit ihren Artgenossen aus dem | |
Supermarkt gemein haben. Eine Delle hier, ein paar Verfärbungen dort, | |
vielleicht sogar ein Wurmloch. | |
Im Supermarkt kommen diese „Schönheitsfehler“ nicht vor, dort entspricht | |
alles der Norm. Was ihr nicht entspricht, wird irgendwo entlang der | |
Wertschöpfungskette aussortiert. Der Handel und die Konsumenten wünschen | |
eine bestimmte Größe, Farbe und Form. Das gilt natürlich nicht nur für | |
Äpfel und anderes Obst, dem Gemüse geht es auch nicht besser. | |
Diesem [2][Schönheitswahn an der Obst- und Gemüseauslage] hat die | |
Kommunikationsdesignerin Maria Möller den Kampf angesagt. [3][In einer | |
Petition], die an vier der größten deutschen Lebensmittelhändler gerichtet | |
ist – Rewe, Aldi, Lidl und Edeka –, fordert sie den sofortigen Stopp der | |
Diskriminierung von „hässlichem“ Obst und Gemüse. | |
„Nachdem ich herausgefunden hatte, dass in Europa circa 50 Millionen Tonnen | |
Obst und Gemüse pro Jahr aufgrund ihres Aussehens verschwendet werden und | |
im Kontrast dazu 19 Millionen unterernährte Europäer stehen, wollte ich | |
aktiv einen Beitrag zur Beendigung dieser absurden | |
Lebensmittelverschwendung leisten“, sagt die 24-Jährige. Die Zahlen sind | |
das Ergebnis einer Studie der University of Edinburgh. | |
## Die inneren Werte zählen | |
Demnach landet jährlich etwa ein Drittel der europäischen Obst- und | |
Gemüseernte [4][erst gar nicht in den Supermarktregalen], egal ob | |
weiterverarbeitet oder nicht. Stattdessen wird es entweder auf den Feldern | |
liegen gelassen oder an Nutztiere verfüttert. Die Idee zu der Petition kam | |
Möller während der Recherche für ihre Abschlussarbeit. Mit acht Kurzfilmen, | |
die jeweils von einer Obst- oder Gemüsesorte handeln, will sie | |
KonsumentInnen auf die Normierung bei Lebensmitteln aufmerksam machen. | |
Zusätzlich soll ihre Petition zum Handeln anregen: „Ich glaube, dass sich | |
die meisten Menschen noch nie wirklich Gedanken über die | |
Schönheitsregelungen von Obst und Gemüse gemacht haben. Wenn man nur | |
kerzengerade Gurken kennt und kaufen kann, fragt man nicht nach krummen | |
Gurken“, sagt sie. | |
Und was sagen die Lebensmittelhändler? Bei Aldi Süd und dem Discounter | |
Penny, der zur Rewe-Gruppe gehört, hat man auf das Problem reagiert. Unter | |
dem Namen „Krumme Dinger“ liegen bei Aldi seit 2017 auch Karotten und Äpfel | |
zweiter Klasse in den Auslagen. Penny startete die Aktion „Naturgut“ 2016. | |
Auch Edeka beteuert, man arbeite daran, den Überschuss an Lebensmitteln im | |
Handel zu reduzieren, und biete testweise auch krummes Gemüse in | |
ausgewählten Läden zum Verkauf an. | |
Bringen solche Maßnahmen auch die Verbraucher zum Umdenken? Zumindest sind | |
sie ein Schritt in die richtige Richtung, findet Maria Möller. Und betont, | |
dass es damit noch nicht getan sei: „Warum muss das Obst und Gemüse als | |
„krumm“ deklariert werden? Das gibt dem Ganzen sofort eine negative | |
Wertung. Schließlich sind es die inneren Werte, die zählen.“ Dem stimmen | |
auch die fast 120.000 Menschen zu, die Möllers Petition bislang | |
unterzeichnet haben. | |
18 Nov 2018 | |
## LINKS | |
[1] /Pomologin-ueber-deutsche-Aepfel/!5541818 | |
[2] /Bericht-zur-Lebensmittelverschwendung/!5406747 | |
[3] https://www.change.org/p/obst-und-gem%C3%BCse-im-sch%C3%B6nheitswahn-rewe-g… | |
[4] /Laden-verkauft-aussortierte-Lebensmittel/!5387290 | |
## AUTOREN | |
Tim Blumenstein | |
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