| # taz.de -- Foodsharing-Festival in Berlin: Der Geist des Teilens | |
| > Anfangs wurden sie kritisch als Müll essende Containerer beäugt. Jetzt | |
| > werden die Essensretter professionell. Das freut nicht alle in der | |
| > Bewegung. | |
| Bild: Eine Foodsharing-Station in Hamburg | |
| Berlin taz | Während andere sich gerade in Workshops mit Rohkostrezepten, | |
| Nichtkonsum oder Lebensmittelhygiene beschäftigen, schnippeln Stina, Tonia | |
| und Zain Kartoffeln, Möhren und Kohlrabi für die Suppe. Ihre Küchenzeile | |
| ist ein Biertisch, die Location ein Hof zwischen alten Backsteinmauern in | |
| der ehemaligen Malzfabrik in Berlin-Tempelhof. Die Ausstattung ist alles | |
| andere als professionell, aber die drei Küchenhelfer*innen haben Übung. | |
| Sie gehören zu Foodsharing, einem Verein für die Rettung von Lebensmitteln, | |
| deren Haltbarkeitsdatum zwar abgelaufen ist, die aber ansonsten noch prima | |
| schmecken. Foodsharing ist nachhaltig – und ein Trend: Zum bereits dritten | |
| Foodsharing-Festival kamen an diesem Wochenende 600 Gäste nach Berlin. | |
| Ehrenamtliche aus ganz Deutschland, Österreich, der Schweiz und den | |
| Niederlanden tauschten sich aus. „Ich bin gekommen, um Ideen | |
| weiterzugeben“, sagt Stina Drexler aus Bonn. Dort gebe es derzeit viel | |
| Öffentlichkeitsarbeit, von der andere vielleicht lernen könnten. Sie hielt | |
| am Samstag ihren eigenen Workshop zum Thema „Zero Waste“. | |
| Keinen Müll produzieren, kein Essen wegwerfen und vor allem ohne Geld | |
| auskommen, darum geht es beim Foodsharing. Das gesamte Festival wurde | |
| tatsächlich ohne finanzielle Eigenmittel ausgerichtet: Die Malzfabrik | |
| stellte ihr Gelände drei Tage umsonst zur Verfügung, Bierbänke, Küchen- und | |
| Bastelmaterial wurden gesponsert, weitere Kosten in Höhe von 13.000 Euro | |
| für Security und Transporte übernahmen fast vollkommen Firmen aus der | |
| Biobranche. 2.600 Euro kamen durch Crowdfunding zusammen, 2.000 Euro stehen | |
| noch aus. Doch die vier Organisator*innen sind zuversichtlich, dass noch | |
| genug Spenden einlaufen werden. | |
| ## Den Spirit fühlen | |
| Das sah vor wenigen Jahren noch anders aus. Ein 2014 geplantes Festival | |
| musste mangels Geld und Organisation abgesagt werden. Seitdem ist viel | |
| passiert: Anfangs wurden die Foodsharer als Müll essende Containerer von | |
| Unternehmen und Supermärkten noch kritisch beäugt. Inzwischen gelten sie | |
| vielerorts als anerkannter Partner. „Ich glaube, die Angst der Konzerne ist | |
| verschwunden, weil sie wissen, dass man sich auf uns verlassen kann“, sagt | |
| Organisator Sascha Müller. | |
| In den fünf Jahren seines Bestehens hat der Foodsharing-Verein Höhen und | |
| Tiefen durchlaufen, Ärger mit Lebensmittelbehörden und interne Querelen | |
| gehabt. Inzwischen wurden viele neue Strukturen geschaffen, vor allem | |
| dezentral Verantwortliche benannt. Also Hierarchien, wie Kritiker*innen | |
| den Essensrettern oft vorwerfen. Das widerspräche dem ursprünglichen | |
| Autonomiegedanken. | |
| Manchen bereitet es „Bauchschmerzen, mit den Profiteuren der | |
| Lebensmittelwirtschaft zu kooperieren, um ein Problem, dass sie selbst | |
| erschaffen, abzumildern“, heißt es in einem Onlineforum. Danach wäre es | |
| ehrlicher, Essen wieder illegal aus den Mülltonnen zu holen. Frank | |
| Bowinkelmann, der Vorsitzende des Vereins, sieht das anders: „Foodsharing | |
| ist mehr als das reine Lebensmittelretten. Wir sind eine soziale Bewegung | |
| geworden. Das Festival gibt uns die Möglichkeit, diesen Spirit zu fühlen.“ | |
| ## Hygieneschulung mit Tricks | |
| Der Geist sei definitiv noch da, trotz Werbekampagnen, Kommunikation mit | |
| Institutionen und internen Verbindlichkeiten. Ohne wäre der „Kampf“ gegen | |
| Lebensmittelverschwendung bei den inzwischen 28.000 Foodsavern und über | |
| 3.000 kooperierenden Betrieben wohl kaum möglich. Das Festival verspricht | |
| weiteren Zuwachs, denn Neulinge waren gekommen – wie Kaya Kettering und | |
| Sophia Lohmann. „Es ist viel krasser organisiert, als ich erwartet hatte“, | |
| sagt Kaya beeindruckt beim Mittagessen. | |
| Sophia findet es „erschreckend, dass man nur mit gerettetem Essen 600 | |
| Menschen ein Wochenende lang ernähren kann.“ So konnten die Foodsaver | |
| dreieinhalb Tonnen Suppe gratis abholen – nur weil sie in falschen Mengen | |
| abgefüllt worden war. | |
| Aus vielen Bereichen bekommen die Essensretter inzwischen Verstärkung: | |
| Hans-Georg Basikow, früher Lebensmittelkontrolleur aus Berlin, berät | |
| inzwischen Foodsharing und private Firmen in Hygiene und Lebensmittelrecht. | |
| Bei einem Workshop erklärte er, wie die Foodsaver Behörden legitim | |
| austricksen können – und stellte ihnen anschließend offizielle | |
| Bescheinigungen für die Teilnahme an einer Hygieneschulung aus. | |
| 20 Aug 2017 | |
| ## AUTOREN | |
| Louisa Theresa Braun | |
| ## TAGS | |
| Containern | |
| Foodsharing | |
| Lebensmittelverschwendung | |
| Lebensmittel | |
| Foodsharing | |
| Foodsharing | |
| Lebensmittel | |
| Investment | |
| Containern | |
| Nachhaltigkeit | |
| Lebensmittelverschwendung | |
| Foodsharing | |
| ## ARTIKEL ZUM THEMA | |
| „Notwehr“ der Verbraucher: Kakerlaken in der Lieblingskneipe? | |
| Wenn Behörden Hygienemängel in Restaurants finden, bleibt diese Information | |
| bislang oft verborgen. Eine Online-Plattform will das ändern. | |
| Foodsharing in bayerischem Rewe-Markt: Damit's nicht in den Müll muss | |
| Ein Rewe-Markt in Bayern hat seit kurzem ein Foodsharing-Regal. Dort gibt | |
| es essbare Produkte, die sonst im Müll landen würden. | |
| Fünf Jahre Foodsharing: Einfach viel zu gut für den Eimer | |
| Foodsharing ist eine Bewegung mit 30.000 Aktivisten und 3.000 Betrieben. | |
| Ihr größter Erfolg: Die Öffentlichkeit ist für das Thema sensibilisiert. | |
| Haltbarkeitsdatum bei Lebensmitteln: Abgelaufenes jetzt mit Preisschild | |
| Erstmals wird in Deutschland „gerettetes“ Essen gewinnorientiert verkauft. | |
| Noch ist das Angebot des Berliner Lebensmittelladens überschaubar. | |
| Kritik an Crowdfunding-Plattformen: Investieren und riskieren | |
| Crowdfunding-Plattformen klären Anleger zu wenig über die Risiken auf, | |
| bevor diese investieren. Das ergibt eine Untersuchung von Stiftung | |
| Warentest. | |
| Ökoaktivist über Verbot des Containerns: „Billiges Bio ist nicht glaubwürd… | |
| Ein Gesetz zur Entkriminalisierung von Lebensmittelrettern ist im Bundestag | |
| gescheitert. Der Ökoaktivist Jörg Bergstedt will trotzdem weiter kämpfen. | |
| Kongress zum nachhaltigen Konsum: Nur warme Worte | |
| Die Bundesregierung muss harsche Kritik einstecken: Das Publikum bemängelt | |
| die Tatenlosigkeit. Gefordert wird Handeln statt Reden. | |
| Lebensmittelverschwendung in Berlin: Das Beste vom Reste | |
| Kreativ die Wegwerfgesellschaft kontern: Die „Guerilla Architects“ haben | |
| mit der Ausstellung „MehrWert“ ein müllfreies Restaurant kreiert. | |
| Neuerungen beim Foodsharing: Teilen, aber professionell | |
| Seit vier Jahren rettet Foodsharing e.V. erfolgreich Essen vor der Tonne. | |
| Zu erfolgreich. Das Projekt wächst über seine Kapazitäten hinaus. |