# taz.de -- Ökoaktivist über Verbot des Containerns: „Billiges Bio ist nich… | |
> Ein Gesetz zur Entkriminalisierung von Lebensmittelrettern ist im | |
> Bundestag gescheitert. Der Ökoaktivist Jörg Bergstedt will trotzdem | |
> weiter kämpfen. | |
Bild: Bitte nicht zu viel kaufen – und dann wegschmeißen | |
taz: Warum werden Lebensmittel entsorgt, obwohl sie noch genießbar sind? | |
Jörg Bergstedt: Aus drei Gründen. Erstens, weil die Supermärkte mehr | |
bereitstellen, als die Kunden brauchen. Volle Regale sehen halt besser aus | |
als halbleere. Zweitens, viele Lebensmittel werden gar nicht weggeworfen, | |
weil das Haltbarkeitsdatum abgelaufen ist. Sondern weil die Firmen ihr | |
Design geändert haben. Cornflakespackungen mit WM-Motiven werden nach der | |
WM einfach nicht mehr verkauft. Drittens dient das Wegwerfen der | |
Verknappung. Wenn ein Gut knapper wird, kann es teurer angeboten werden. | |
Viele Bioprodukte landen zum Beispiel im Müll. Bio ist nicht glaubwürdig, | |
wenn es so billig ist wie andere Produkte. | |
Warum sammeln Sie die Lebensmittel wieder ein? | |
Durch das Containern kann bereits weggeworfenes, aber genießbares Essen | |
wieder verfügbar werden. Es geht um Autonomie und Widerstand gegenüber dem | |
System. Mir geht es darum, mein Leben unabhängiger zu gestalten. Das | |
Containern selbst ist unpolitisch. Es interessiert heutzutage niemanden | |
mehr. Am Anfang haben sich die Supermärkte geärgert, mittlerweile sind sie | |
aber dazu übergegangen, es zu tolerieren. Weil es nicht weiter stört. | |
Warum ist Containern eigentlich verboten? | |
Weil niemand uralte Gesetz ändert. Containern fällt unter Diebstahl und ab | |
und an unter Hausfriedensbruch. Der Diebstahlparagraph enthält keine | |
Klärung, ob das Geklaute für irgendjemanden noch einen Wert darstellt. Es | |
geht nur darum, dass man einfach nicht das nehmen darf, was einem nicht | |
gehört. Das Bürgerliche Gesetzbuch unterscheidet zwischen einer fremden und | |
einer herrenlosen Sache. Hier setzt unsere Gesetzesinitiative an, die | |
online unterstützt werden kann. Wenn der ursprüngliche Eigentümer etwas in | |
einen Zustand versetzt, woraus ableitbar ist, dass die Person kein | |
Interesse an der weiteren Verwertung in dieser Form hat – warum darf ich es | |
dann nicht verwenden? | |
Warum sollte das Containern erlaubt werden? | |
Wenn Containern erlaubt wird, hat das zwei Wirkungen. Erstens werden mehr | |
Leute versuchen, dadurch Geld zu sparen. Da die Angst vor Strafe wegfällt. | |
Zweitens ist das Retten von Lebensmitteln prinzipiell sinnvoll, um durch | |
den Kauf neuer Produkte nicht noch weiter Umwelt- und Menschenbelastungen | |
zu erzeugen. Ich finde es zum Beispiel unfassbar, dass gerade die billigen | |
Importprodukte, deren Herstellung insbesondere im Ausland so viel Leid für | |
Mensch und Natur bringt, eher weggeworfen werden als heimische Produkte. | |
Ist Containern nicht altmodisch? Es gibt doch mittlerweile legale | |
Möglichkeiten, wie Foodsharing zum Beispiel? | |
Die Foodsharer sind aus der Container-Ecke entstanden. Viele Gutbürger, die | |
foodsharen, finden es hip und glauben, sie kämpfen dadurch gegen ein | |
System, dem sie eigentlich überwiegend verfallen sind. Die | |
Lebensmittelanbieter sind nicht mehr die Feinde, sondern Partner – obwohl | |
sie nach wie vor diesen Überfluss anbieten und viel wegwerfen. | |
30 Jun 2017 | |
## AUTOREN | |
Jan-Peter Schulz | |
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