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# taz.de -- Integration ins Bildungssystem: Flüchtlingsschüler zu lange unter…
> Hamburg will zugewanderte Kinder in internationalen Vorbereitungsklassen
> für die Schule fit machen. Doch besonders für ältere Kinder wird
> Integration wird so eher verhindert. Wie es anders geht, macht Bremen
> vor.
Bild: Wie Hamburger Kinder als Freunde finden, wenn nur der Lehrer Deutsch spri…
HAMBURG taz | So einen Schulweg möchte man gern haben. Zumindest das letzte
Stück. Yasan* fährt jeden Morgen erst mit Bus und U-Bahn zu den Hamburger
Landungsbrücken und dann mit der Fähre quer über die Elbe nach
Finkenwerder, wo er seit knapp zwei Jahren die Stadtteilschule besucht.
Sein Freund Basim* wohnt auf der Finkenwerder Elbseite und kommt deshalb
mit dem Bus. Die beiden Jungen sind 2014 aus Syrien geflohen und haben dort
ihre Schullaufbahn abgebrochen.
„Ich habe in Syrien die 10. Klasse fertig gemacht“, berichtet Yasan. Aus
Angst vor dem Krieg verließ er das Land. Zusammen mit Basim kam er im März
2015 in eine „internationale Vorbereitungsklasse“, die an der Finkenwerder
Schule eingerichtet worden war. Doch die Zeit dort sei nicht sehr sinnvoll
gewesen. „Ganz ehrlich: Wir haben da wenig gelernt. Da waren außer uns
Afghanen, Iraker, Polen, keiner konnte Deutsch reden.“ Nur der deutsche
Lehrer hätte die Sprache gekonnt. „Da bringt jeder jedem noch was Falsches
bei“, sagt sein Freund Basim. „Meiner Meinung nach muss keiner länger als
vier Monate in der Vorbereitungsklasse bleiben.“
Wir sitzen im Nebenraum der 10. Klasse, die Basim jetzt besucht. Durch ein
großes Fenster ist zu sehen, wie seine Mitschüler Englisch lernen. Man hört
eine lustige Sprach-Lern-CD. Englisch ist nicht sein Lieblingsfach, er hat
dort eine vier auf gymnasialem Niveau, sonst nur Einsen und Zweien. Der
Junge sei in Mathematik hochbegabt, sagt seine Lehrerin.
## Abitur ist das Ziel
Beide Jungen konnten ihre Abschlusszeugnisse aus Syrien vorlegen und
deshalb seit Sommer 2015 eine normale Klasse besuchen: Yasan eine 10. und
der etwas jüngere Basim eine 9. Seit diesem Schuljahr ist Yasan in die 11.
Klasse aufgerückt, und Basims Noten sind so gut, dass er im nächsten
Schuljahr folgen wird. Was sein Ziel für die Zukunft ist? „Abitur“, sagt
Yasan. „Mehr ist dazu nicht zu sagen.“ „Abitur und ein perfekter Schnitt�…
ergänzt Basin. Er möchte Medizin studieren.
Szenenwechsel: Im Nachbargebäude lernt eine internationale
Vorbereitungsklasse, die der Klasse neun entspricht. Es ist kurz nach zehn
Uhr, die dritte Stunde hat schon begonnen. Konzentriert sitzen 14 Schüler
im U-förmigen Tische-Kreis über ihren Arbeitsheften. Daneben ein
Smartphone, jeder darf unbekannte Wörter nachgucken.
Das Konzept der Hamburger Schulbehörde sieht vor, dass die geflüchteten und
zugewanderten Schüler ab Klasse 9 nicht mehr in Regelklassen übergehen –
wie Yasan und Basim – sondern zwei Jahre bis zur zehnten Klasse unter sich
bleiben und am Ende machen, was früher mal Hauptschulabschluss hieß und
jetzt Erster allgemeinbildender Schulabschluss.
Der Besuch passt gerade nicht. Die Schüler hatten morgens schon zwei
Stunden Ausfall und wollen an ihren Aufgaben arbeiten. Lehrerin Sonja
Saatthoff geht von Schüler zu Schüler und hilft bei Fragen. Jeder hat
unterschiedliche Voraussetzungen, ist auf einem anderen Stand.
## Ein in sich geschlossenes System
Also erst mal Kaffee trinken im Lehrerzimmer. Er findet das System nicht
gut, sagt Lehrer Sven Baake, der eine dieser Vorbereitungsklassen führt.
„Dieser Unterricht ist für die Schüler wie Fremdsprachenunterricht“, sagt
er. Es entstehe ein „in sich geschlossenes System, quasi eine Schule in der
Schule“. Er wünsche sich sehr für seine Schüler einen Deutsch sprechenden
Hamburger zum Freund.
Die 16-jährige Nasrin* zum Beispiel ist so lange wie Yasan und Basim an der
Schule, doch sie ist bei Sven Baake in der Vorbereitungsklasse geblieben.
In Syrien war sie in der 7. Klasse, als ihre Fluchtgeschichte begann, darum
hat sie keinen syrischen Abschluss. Nun möchte sie Kinderpflegerin werden.
Ihre beste Freundin ist eine Irakerin aus der 8. Klasse, mit der sie sich
auf Arabisch unterhalten kann. Arm im Arm gehen die Mädchen in der Pause
über den Schulhof, Nasrin trägt zum schwarzen Mantel ein helles Kopftuch,
ihre Freundin offenes Haar.
Wie kann Integration in Schule am besten gelingen? Zu dieser Frage gibt es
in den nächsten Tagen in Hamburg und Bremen einen taz-Salon. Sven Baake ist
GEW-Mitglied und hat dazu schon im vorigen Sommer ein Papier verfasst. Das
Hamburger System, findet er, sei zu starr. Er fordert, die
Vorbereitungsklassen abzuschaffen.
## Schulbehörde: Integration läuft gut
Denn das Argument, dass die Kinder hier einen Schutzraum hätten und Deutsch
lernten, könne nur für einen begrenzten Zeitraum gelten. Statt dessen müsse
für jedes Kind ein Platz in einer Regelklasse freigehalten werden. Es drohe
sonst eine „MigrantInnenschule“, heißt es auch in einem Beschluss der
Hamburger GEW-Gewerkschaftstages vom April. Gut als Perspektive für die
Zukunft sei eine Ablösung der Extra-Klassen durch ein offenes
Sprachförderzentrum an der Schule, wo die Kinder Deutsch als Zweitsprache
lernten und schrittweise in normale Klassen integriert würden.
Besonders schlecht sei das System für ältere Kinder, sagt Baake. „Die
Integration von Kindern, die über 15 sind, findet praktisch nicht statt.“
Der Weg von Yasan und Bazim, die Abschlusszeugnisse vorweisen könnten, sei
die seltene Ausnahme. Noch schwieriger werde es für über 16-Jährige. Bei
dieser Altersgruppe sieht Hamburg regelhaft eine Ausbildungsvorbereitung
vor.
In der Hamburger Schulbehörde ist man stolz auf das Modell. Das Konzept der
Vorbereitungsklassen, bei denen die Hälfte der Schüler mit gleicher
Lehrerzahl wie einer normalen Klasse lernt, habe sich seit den 1990ern
bewährt. „Die Integration ist in vollem Gange und läuft nach bisherigem
Kenntnisstand gut“, sagt Landesschulrat Thorsten Altenburg-Hack. Solange
die Kinder und Jugendliche lediglich über rudimentäre Sprachkenntnisse
verfügten, seien die separaten Vorbereitungsklassen „zielführend“.
## Auch Gymnasien nehmen Flüchtlingsschüler
Und es ist eben überhaupt ein Angebot, das in kurzer Zeit geschaffen wurde.
An über 150 Schulen gibt es inzwischen diese Klassen , darunter auch an 39
Gymnasien, die auch „sehr motiviert“ seien, so Altenburg-Hack. Dabei werden
die Kinder nach Doppel-Jahrgängen eingeteilt. Kinder im Schulanfängeralter
werden noch direkt in die normalen ersten und zweiten Klassen aufgenommen.
Danach gibt es Vorbereitungsklassen für die Jahrgänge 3 bis 4, 5 bis 6 und
7 bis 8. Nach spätestens einem Jahr können die Kinder in eine normale
Klasse wechseln – nur eben nicht in den Vorbereitungsklassen 9 und 10,
deren Ziel der Hauptschulabschluss, oder, an anderen Schulen als in
Finkenwerder, auch der Mittlere Schulabschluss ist.
Zurück in der Vorbereitungsklasse von Sonja Saathoff. Die Arbeitsblätter
sind abgearbeitet, Saathoff hat für die Schüler ein paar Fragen an die
Tafel geschrieben. Seit wann sind sie hier, wo kommen sie her, was möchten
sie erreichen? Die Runde ist schnell um. 15- und 16-jährige Jungen und
Mädchen aus Syrien, Polen, Afghanistan, China, Vietnam und Togo lernen
hier. Und als die Lehrerin fragt, wer Abitur machen will, gehen alle Hände
hoch. Doch sie brauchen nach der vorgesehenen Systematik noch anderthalb
Jahre, bevor sie nach dem Hauptschulabschluss in eine normale 10. Klasse
wechseln können. „Hier sind Schüler, die unfassbar fleißig sind“, sagt
Saathoff. „Die könnten in ihrem Heimatland Abitur machen.“
## In der Freizeit in die Bibliothek
Allerdings ist es im Regelunterricht für sie auch nicht leicht, davon
können Yasan und Basim ein Lied singen. „In der Oberstufe gibt es nichts
mehr“, sagt Yasan. Er meint damit: keine Unterstützung, keinen
Nachteilsausgleich wie beispielsweise längere Zeit zum Lesen der in Deutsch
formulierten Aufgaben bei einer Klausur. Eine Zeit lang sind sie jeden
Nachmittag über die Elbe zur Zentralbibliothek am Hauptbahnhof gefahren, um
an einem der Lesetische für drei, vier Stunden zu lernen. „Wir haben
Fachbegriffe übersetzt und Arbeitsblätter durchgearbeitet“, berichtet
Yasan. „Uns fehlt die Fachsprache.“ In Fächern wie Geografie oder
Geschichte habe er nun Dreien im Zeugnis. Er scherzt: „Ich bin nicht
befreundet mit diesen Fächern.“
In Syrien müssten Schüler anders lernen, sagt Basim. Referate oder
Gruppenarbeit gebe es dort nicht. „Die wiederholen nichts, wir müssen dort
genau nach Buch lernen.“ In Deutschland sei es einfacher vom Stoff her,
„aber unser Problem ist die deutsche Sprache“. Und das Smartphone auf dem
Tisch, die Erfahrung hat Yasan gemacht, wird von den Lehrern der Oberstufe
nicht mehr toleriert. Beide überlegen nun, möglichst einfache Abiturfächer
zu wählen. Sport zum Beispiel. „Da muss man nur laufen.“
Da sie auch Englisch nur als Schulfach können, sei auch dies keine Hilfe.
Auf welcher Sprache sie denn denken? „Ich nur auf Arabisch“, sagt Yasan.
Der stillere Basim überlegt. „Wenn ich abends im Bett über die Schule
nachdenke, dann denke ich auf Deutsch.“ Die Schule müsse sich diesen
Kindern und ihrer Lage anpassen, sagt Basins Lehrerin Sabine Meyer, die
zugleich Förderkoordinatorin ist. Die zugewanderten Schüler bräuchten auch
in der Oberstufe noch gezielte individuelle sprachliche Unterstützung.
Meyer: „Die Praxis zeigt uns hier, was gebraucht wird.“
Schule hat für die Kinder eine wichtige soziale Funktion. Für Yasan zum
Beispiel war es die Konstante in seinem Leben, während er zunächst als
unbegleiteter minderjähriger Flüchtling in einer Jugendeinrichtung lebte
und dann, als seine Familie nachkommen durfte, über Monate mit vielen
Menschen in einer früheren Baumarkthalle. Für fast 1.000 Kinder, die in
diesen Erstunterkünften leben, gab es über lange Zeit gar keine Schule
außerhalb ihres Camps, weil die Zuweisung erst mit dem Umzug in eine
Folgeunterkunft beginnt. Erst Ende Oktober steuerte die Stadt Hamburg um.
Binnen dreier Monate gelang es der Behörde, 443 Plätze in
Vorbereitungsklassen zu schaffen.
## Ab dem ersten Tag in der Klasse
Auch die viel ärmere Stadt Bremen hat Probleme, zügig ausreichend Personal
und Platz für geflüchtete Schüler bereitzustellen. Doch konzeptionell ging
sie die Sache anders an. „Bei uns werden die Kinder vom ersten Tag an ins
Regelsystem übernommen“, sagt Scharajeg Ehsasian, die in der Bremer
Schulbehörde für die Verteilung zuständig ist. Die Kinder lernen in einem
„Vorkurs“ die deutsche Sprache, jeden Tag vier Stunden. Den Rest des
Schultages verbringen sie in einer normalen Klassengemeinschaft. Am Anfang
nehmen die Flüchtlinge nur am Sport- oder Musikunterricht teil. Je nach
Sprachniveau und Kenntnisstand kommen Stück für Stück andere Fächer hinzu.
„So stellen wir sicher, dass die Flüchtlingskinder vom ersten Tag an
Kontakt zu den deutschen Schülern haben“, sagt Ehsasian. Die 28-jährige
Politologin wurde selbst als Kind iranischer Flüchtlinge in einer
Notunterkunft geboren, sie kennt die Probleme der Ausgrenzung aus dem
Bildungssystem. Der Vorkurs dauert in der Grundschule ein halbes Jahr, in
der Oberschule – so heißt die Bremer Gesamtschule – ein ganzes. Doch in
beiden Fällen gehören die Kinder schon zu einer Klasse der Schule.
Das Handlungskonzept für Bremen fußt auf einer Expertise, welche die
Erziehungswissenschaftlerin Yasmin Karakasoglu 2011 für die Stadt
erstellte. „Schule muss sich darauf einstellen, dass es immer wieder
Neuzugezogene gibt“, sagt sie. Und nach Möglichkeit geschehe dies im
Regelsystem und nicht in einem Parallelsystem.
## Auf dem Schulhof Spielgeräte besetzt
Doch auch in Hamburg gibt es Schulen, die diesen Weg gehen. Die Grundschule
Langbargheide in Lurup zum Beispiel bekam vor einem Jahr
Vorbereitungsklassen zugewiesen. „So wie das sein sollte, lief das bei uns
eigentlich überhaupt nicht“, berichtet Schulleiterin Annette Berg. „Die
Kinder haben sich nicht an Regeln gehalten, es war dort keine Struktur
reinzukriegen.“ Die geflüchteten Kinder hätten auch auf dem Schulhof
Spielgeräte besetzt und andere nicht rangelassen. „Man merkte, die haben
gelernt zu kämpfen, aber es fehlte ihnen die Sprache.“
Eine Lehrerkollegin, die selbst aus Afghanistan kommt, habe dann den Anstoß
gegeben. „Sie sagte: ,Ich bin mit zehn nach Deutschland gekommen und habe
erst angefangen zu lernen, als ich nichts Besonderes mehr war'.“ Die Kinder
der ersten und zweiten Klassen waren ohnehin integriert, doch das Kollegium
beschloss nun, auch die Vorbereitungsklassen der Stufe 3 bis 4 aufzuteilen.
Die Luruper Schule arbeitet ohnehin „jahrgangsübergreifend“ und hat acht
Klassen der Stufe 3 bis 4. Jede dieser acht Klassen bekam nun zwei Kinder
aus einer Vorbereitungsklasse dazu. „Jetzt läuft es gut“, sagt die
Rektorin. „Die Kinder lernen super Deutsch, und die Regeln und Rituale des
Unterrichts geben ihnen Sicherheit.“ Zusätzlich bekommen die neuen Schüler
stundenweise Sprachförderung. „Die Kinder baden den ganzen Tag in Sprache“,
erklärt Annette Berg. „Und wir haben kein Stress mehr auf dem Schulhof.“
Die taz wird herumgeführt, erste Station: die „Wölfe“ im Erdgeschoss eines
alten Kreuzbaus. Das ist eine Klasse, in der Vorschüler, Erstklässler und
Zweitklässler zusammen lernen, darunter vier Geflüchtete. Wie das klappt
mit dem Lernen, wenn ein Kind aus einem anderen Land kommt, will die
Reporterin wissen. Doch das ist hier offenbar nichts so Besonderes. Zwei
Kinder stellen sich vor, auch ein Junge, der in Deutschland geboren ist,
aber dessen Eltern aus einem osteuropäischen Land kommen. „Na, ich rede ja
wohl auch Russisch mit meinen Eltern“, mischt ein anderer Junge sich ein.
## Buchstaben in der Basisklasse
Nach einer kurzen Runde im Sitzkreis teilt die Lehrerin die Kinder ein.
Einige üben mit einem Kartenspiel die Buchstaben, andere die Bildung von
Silben oder das Lesen von Wörtern. Diese Schritte sind auf der „Leseleiter“
nachzulesen, die an der Wand hängt. Ein Kind liest noch gar nicht. Es sitzt
bei der Lehrerin am Tisch und stellt nach einer Musterkarte bunte
Klötzchentürme auf. Das Kind habe Schweres erlebt, brauche ihre Nähe, sagt
die Lehrerin Susanne Matzen-Krüger. Sonst sind kaum Unterschiede zwischen
den Kindern zu sehen.
Ein Stockwerk drüber heißt die Klasse „Die Buchen“. Hier können die Kind…
schon recht gut lesen. „Märchenwerkstatt“ steht auf dem Plan. Die Lehrerin
hat eine große Kiste mit Bilderbüchern mitgebracht. „Lies ein Märchen und
denke dir eine Frage dazu aus“, heißt eine Aufgabe. Ein Junge will Fragen
zu Rotkäppchen stellen. Mila* ist das geflüchtete Kind in der Klasse. „Es
wäre gut, wenn jemand Mila* das Märchen Rotkäppchen erzählen könnte“, sa…
die Lehrerin Sabine Elig. Eine Schülerin meldet sich, geht mit Mila* in den
Nebenraum. Sehr schnell kommen sie wieder, denn Mila kennt das Märchen
schon.
Zunächst soll sie Karten mit Silben zu Worten sortieren „Pi-“ mit „-lot�…
„Pilot“ zum Beispiel. Stufe drei auf der „Leseleiter“, sie ist recht
schnell damit, notiert die Wörter mit kleinen Bildchen in ihr Heft. Das
Mädchen ist neun oder zehn, kann schon Deutsch sprechen, weiß sich zu
helfen. Die Stunde geht dem Ende zu, der Junge stellt seine
Rotkäppchen-Frage: „Warum ist der Jäger zum Haus der Großmutter gegangen?�…
Mila* meldet sich: „Was heißt Jäger?“
Aber fehlt den Kindern ohne die geschlossene Vorbereitungsklasse nicht auch
ein Jahr Schonzeit? „Wir haben Spielraum, wie wir die Kinder die einstufen,
mehr auf Stufe drei oder vier“, sagt Schulleiterin Berg, je nachdem könnten
die Kinder ein Jahr länger bleiben. Nicht sinnvoll sei es, sie mit Beginn
der Pubertät noch in der Grundschule zu halten. Das heißt, entweder geht es
in die fünfte Klasse einer Stadtteilschule, eines Gymnasiums oder in die
Vorbereitungsklasse 5 bis 6. „Das wird bei jedem Kind anhand der
individuellen Entwicklungspläne entschieden.“
Eine Etage höher, im obersten Stock des Kreuzbaus, sind die „Kiefern“, die
Buchen-Klassensprecherinnen bringen mich hin. Hier gibt es nun doch eine
Sonderform: die Basisklasse, für Kinder, die noch nicht lateinisch
alphabetisiert sind. Zwölf Monate lernen sie hier gezielt die Buchstaben
kennen, bevor sie zu den anderen Kindern kommen. Da die Kinder schon älter
sind, gehe es schneller als bei Erstklässlern, sagt Lehrerin Lisa Radig.
## Lehrer gehen auch in Erstunterkunft
Auch hier wieder eine nette Begrüßungsrunde im Sitzkreis. Zehn Kinder aus
Afghanistan, Irak und Syrien, alle neun, zehn oder elf Jahre alt, fast alle
schon ein Jahr oder länger in Deutschland. Manche kennen die Lehrerin Radig
schon, weil sie morgens auch eine Lerngruppe in der Erstunterkunft
Schnackenburgallee unterrichtet. Manche kommen auch aus anderen Städten.
Nadim* erzählt aufgeregt, dass er die kleine Hannah* von dort kennt. Was
gut ist an der Schule? „Gut sind Lehrer“, sagt Nadim. Aber es gebe Kinder,
die nicht gut sind. „Es gibt Kinder, die spielen nicht mit mir.“ Ein Junge
neben ihm seufzt und sagt auf: „Wir sollen nicht hauen, und nicht schlagen
und nicht beleidigen.“ Und nicht schubsen, und leise sein, und lernen,
nicht stressig zu sein, diese Regeln stehen auch hinter ihm an der Wand.
Die Stunde ist vorbei. Die Kinder flitzen die Treppen runter nach draußen.
Die Reporterin geht auch, doch die Tür ist zu, und sie muss durch den
Hinterausgang und einen Umweg über den Schulhof nehmen. Neben dem
Hausmeisterbüro spielt eine Gruppe Kinder etwas Abseits im Gebüsch, ein
Baumstamm ist der Tisch, darauf liegen Filzstifte und kleine Zettel. Mit
dabei sind Hannah und ihre um einen Kopf größere Freundin, die die anderen
dirigiert.
Was sie da Geheimes machen? Hannah lacht verlegen. „Wir spielen Schule.“
Lehrer Sven Baake hat von der Luruper Lösung gehört. „In Grundschulen wird
immer viel erlaubt“, sagt er. „Ich wünschte mir, das so etwas auch bei uns
möglich ist.“
*Namen geändert
12 Feb 2017
## AUTOREN
Kaija Kutter
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Integration
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Schulbehörde Hamburg
Schule
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Flüchtlinge in Niedersachsen
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