# taz.de -- Studie zu Integration: Sehnsucht nach Schule | |
> Eine Studie zur Integration von Geflüchteten ins deutsche Schulsystem | |
> zeigt erhebliche Mängel auf. Die GEW fordert zur Verbesserung mehr | |
> Personal und Mittel. | |
Bild: „Der glücklichste Tag“: die Einschulung ist der erste Schritt zur No… | |
Bremen taz | In der besten aller möglichen Welten lernen alle Kinder | |
gemeinsam in einer kleinen Schulklasse. Geflüchtete und Nicht-Geflüchtete, | |
Kinder aus armen und reichen Familien, SchülerInnen mit Behinderungen und | |
ohne. Diese ideale Klasse hat zwei Lehrerinnen: die Klassenlehrerin wie | |
auch in jeder „normalen“ Schulklasse und dann möglicherweise eine selber | |
geflüchtete Lehrerin, deren syrischer Pädagogik-Abschluss hier schnell und | |
problemlos anerkannt wurde. | |
Beide Lehrerinnen gestalten den Unterricht gemeinsam und haben so Zeit und | |
Aufmerksamkeit für Kinder, die Probleme mit dem Stoff haben – etwa weil sie | |
flüchteten und erst seit kurzem Deutsch lernen. | |
Team-Teaching heißt das Konzept, das Deutschland derzeit gut gebrauchen | |
könnte. Könnte. Denn die Realität sieht leider anders aus als die | |
Idealsituation, wie sie sich die Gewerkschaft für Erziehung und | |
Wissenschaft (GEW) vorstellt, wenn es um die Integration von geflüchteten | |
Jugendlichen und Kindern ins Bildungssystem geht. | |
Am Montag stellte die GEW-Bundesvorsitzende Marlies Tepe in Bremen die | |
Studie „Chancen und Hoffnung durch Bildung – wie das deutsche Schulsystem | |
Geflüchtete integriert“ vor. Am Beispiel von Bremen sollte untersucht | |
werden, wo es noch hakt und was man verbessern könnte. Wenn denn Mittel und | |
Personal da wären: „Die chronische Unterfinanzierung des Bildungsbereichs, | |
der ins Stocken geratene Ausbau des Ganztags und der hausgemachte | |
Lehrkräftemangel erschweren diese Aufgabe“, sagt Tepe. | |
## Mehr Lehrkräfte | |
Zugute halten müsse man den Ländern, dass sie „viel getan“ hätten und bei | |
der Integration von Geflüchteten ins Schulsystem „sehr viel flexibler“ | |
gewesen seien als sonst üblich, so Tepe. Dennoch bräuchte es mehr | |
Lehrkräfte und SozialarbeiterInnen an den Schulen. | |
In der Studie hat die Bremer Sozialwissenschaftlerin Dita Vogel | |
Statistiken, Studien, Fachaufsätze und Bürgerschaftsdrucksachen ausgewertet | |
und Interviews mit LehrerInnen und Studierenden geführt. | |
Am einprägsamsten sei dabei dieser Satz eine geflüchtete Mutter gewesen: | |
„Die Einschulung war der glücklichste Tag für meine Tochter, und für uns!�… | |
Die Familie hatte sechs Monate auf einen Schulplatz für ihr Kind gewartet. | |
Vogel sagt: „Schule bedeutet Normalisierung.“ | |
## Knackpunkt Wartezeit | |
Um sicherzustellen, dass dann auch gute Bildungsarbeit folgt, müssten | |
Schulen und Länder jedoch noch eine Reihe von Problemen lösen. Die | |
wesentlichen Knackpunkte: In fast allen Bundesländern gibt es für | |
angekommene Kinder zu lange Wartezeiten bis zur Einschulung und bis dahin | |
überwiegend schlechte Bildungsangebote in Erstaufnahmeeinrichtungen, die | |
nicht den schulischen Standards entsprechen. | |
Nach der Einschulung gibt es zu lange nur reine Deutschlernkurse, die | |
Lücken in Fächern wie Mathe und Englisch noch vergrößern – notwendig wäre | |
ein fachintegratives Deutschlernen, zu dem alle Lehrende beitragen. | |
Insbesondere könnten dabei selbst geflüchtete Lehrkräfte helfen, deren | |
Abschlüsse jedoch in Deutschland überhaupt nicht oder nur mit sehr großem | |
Aufwand anerkannt werden. | |
## Systematische Erfassung fehlt | |
In Bremens teilintegrativem Schulmodell fehlt laut Studie zudem eine | |
systematische Kompetenzerfassung vor der Schulzuweisung der geflüchteten | |
Kinder und Jugendlichen. | |
„Es kommt vor, dass angehende syrische Abiturienten hier an der | |
Berufsschule landen“, sagt Vogel. Um das zu verhindern, bräuchte es | |
mehrsprachige Verfahren, um die Kompetenzen der SchülerInnen zu erfassen, | |
sagt die Bildungswissenschaftlerin der Uni Bremen. | |
Im Stadtstaat gibt es nach der Einschulung eine vorgeschaltete | |
Deutschlernphase, in der die SchülerInnen keinen Fachunterricht bekommen. | |
Es sei sinnvoller, in nicht sprachintensiven Unterrichtsfächern wie Musik, | |
Sport oder Kunst geflüchtete Kinder sofort in Regelklassen zu schicken – | |
wenn möglich anfänglich mit bilingualer Assistenz. | |
Insbesondere geflüchtete Lehrkräfte könnten hier als QuereinsteigerInnen | |
helfen – auch, um möglicherweise Herkunftssprachenunterricht anzubieten und | |
so Lücken zu füllen. | |
Die schwierige Situation und Personalmangel sorgten dafür, dass Lehrkräfte | |
sich im Regelunterricht überfordert fühlen. Das beträfe insbesondere die | |
Schulen, für die SchülerInnen mit sprachlichen Defiziten pädagogisches | |
Neuland seien. Aus- und Fortbildungen in sprachsensiblem Fachunterricht | |
könnten dagegen helfen, zudem müssten mit mehr Mitteln Techniken wie | |
Team-Teaching ermöglicht werden, um die komplizierte Klassensituation | |
aufzulockern. | |
27 Nov 2017 | |
## AUTOREN | |
Gareth Joswig | |
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