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# taz.de -- Zu wenig Lehrer: Schule aus für Flüchtlinge
> In Bramsche-Hesepe fehlen nach den Ferien Lehrer an zwei Schulen für
> Asylsuchende. Ersatz ist nicht in Sicht.
Bild: Werden in Bramsche-Hesepe bald nicht mehr unterrichtet, falls sich keine …
BRAMSCHE-HESEPE taz | Carl Jensen* hört auf. Seit drei Jahren arbeitet der
Lehrer in der Erstaufnahmeeinrichtung für Asylsuchende in Bramsche-Hesepe,
einem Standort der Landesaufnahmebehörde (LAB) Niedersachsen. Er wurde von
der Hauptschule Bramsche abgeordert. Nach den Ferien geht er wieder dorthin
zurück. Mora aus Pakistan, Beka aus Georgien, Joseph aus Zimbabwe, stehen
dann ohne Lehrer da.
Eigentlich geht Jensen voll auf in seinem Job. „Ich unterrichte gern
Vollgas“, sagt er, seine Augen blitzen. Im Klassenzimmer ist die
Konzentration quasi spürbar, heute sind es acht SchülerInnen. Alle beugen
sich eifrig über ihre Hefte. Wenn nicht noch ein Wunder geschieht, haben
die Kinder und Jugendlichen ab August keinen Unterricht mehr.
Das Problem: Das Innenministerium, zuständig für die LAB, will ab Herbst
ganzjährigen Unterricht. Benötigt werden dann Lehrer, die nicht der
kultusministeriellen Ferienzeitverordnung unterliegen. 40 Stunden die Woche
Dienst, bei Verzicht auf zwei Monate unterrichtsfreier Zeit? Manche Kids
sind nur kurz in der LAB, und wenn das gerade zur Ferienzeit ist, haben sie
Leerlauf und somit keine Vorbereitung auf die Regelschule. Carl Jensen
wurde wie alle anderen Lehrkräfte der LAB Anfang 2017 vor die Wahl
gestellt, das neue Arbeitszeitmodell zu akzeptieren oder zu gehen. Jensen
entschloss sich zu gehen.
Leicht fällt ihm das nicht: „Ich hätte gern hier weitergearbeitet. Aber
nicht zu solchen Bedingungen.“ Seine Frustration hat noch einen anderen
Grund. Seine Arbeitszeit in der LAB war auf 16 Stunden die Woche reduziert
worden, die seiner Kollegin auf 22. „Die Folge war eine Notbeschulung. Das
zeigt, wie viel uns der erste Eindruck wert ist, den Asylsuchende vom
Bildungsstandort Deutschland haben.“
## Ausschreibung seit drei Halbjahren
Auch Jensens Kollegin verlässt die LAB. Ersatz ist für beide nicht in
Sicht. Jensen skeptisch: „Seit mindestens drei Schulhalbjahren steht eine
Stellenausschreibung für die LAB im Schulverwaltungsblatt. Das Resultat war
gleich null.“
Die Kids aus Syrien, Afghanistan, Montenegro, Mazedonien, dem Kosovo stehen
ab August also vermutlich vor leeren Räumen. Denn solange sie in der LAB
leben, nicht draußen in den Kommunen, dürfen sie nicht in die regulären
Schulen – und manche von ihnen leben hier viele Monate.
Klaus Dierker, der die LAB Bramsche-Hesepe leitet, ist entsetzt: „Schlimm.
Den Kids ginge viel an Tagesstruktur verloren. Und an Motivation, mit allen
negativen Folgen. In den Kids steckt so unglaublich viel Potenzial. Das
muss man fördern.“
Für die Klassenstufen eins bis vier sieht es in der LAB ein bisschen besser
aus. Grundschullehrerin Pia Loock, die einzige Vollzeitkraft, hat sich auf
das neue Modell eingelassen. Auch sie räumt ein, dass Ist und Soll weit
auseinanderklaffen: „Unterricht von acht bis 13 Uhr, möglichst für alle?
Dazu haben wir einfach nicht die Kapazitäten.“
Knapp 800 Menschen leben derzeit in der LAB in Bramsche-Hesepe, rund 100
davon sind Kinder und Jugendliche im Schulalter. 50 Kinder in den
Klassenstufen eins bis vier, die anderen 50 in den Klassenstufen fünf bis
neun. Unterrichtet werden sie noch von zwei Lehrkräften pro Schulsektor,
die Mehrzahl davon stundenreduziert, mit Klassenräumen zu maximal 16
Plätzen. Pia Loock kritisiert: „Und auch wenn 25 Kinder in den Klassenraum
passen würden, wäre das einfach nicht machbar. Dazu ist der Förderbedarf
viel zu groß.“ Alle Kids kommen zwar sowieso nie – eine Schulpflicht gibt
es nicht, nur ein „Schulangebot“. Aber trotzdem muss immer wieder eine
Gruppe frei bekommen. Loock sagt: „Wenn was ausfällt, sind viele richtig
traurig.“
## „Die Konditionen verbessern“
Sabine Möschter von der LAB Friedland ist auch zuständig für die Bildung in
der LAB Bramsche und sagt zu der Situation: „Ich mache mir schon ziemlich
Sorgen. Wenn Ende Juni die Bewerbungsfrist endet und sich kein Lehrer
gemeldet hat, muss Plan B her.“ Viele Optionen gibt es nicht. Auch der
Markt der Lehrkräfte, die Deutsch als Zweitsprache unterrichten, sei
leergefegt. Klaus Dierker regt an: „Vielleicht muss man einfach mehr Geld
in die Hand nehmen. Die Konditionen verbessern.“
Es gebe Gespräche mit dem Kultusministerium und der Landesschulbehörde, um
Lehrkräfte für diese Aufgabe zu gewinnen. Doch Bianca Schöneich von der
Landesschulbehörde Lüneburg winkt ab: „Was ab August wird? Dazu kann ich
nichts sagen. Das ist Sache des Innenministeriums.“ Und was, wenn die
Belegungszahlen der LAB in Niedersachsen wieder ansteigen? Dann muss das
Thema Unterricht ohnehin komplett neu aufgerollt werden.
*Name geändert
5 Jul 2017
## AUTOREN
Harff-Peter Schönherr
## TAGS
Flüchtlinge in Niedersachsen
Schule
Lehrermangel
Geflüchtete
Schwerpunkt Flucht
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