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# taz.de -- Ausbildungsplätze für Geflüchtete: Wer Angst hat, kann nicht ler…
> Laut Integrationsgesetz dürfen auch abgelehnte Asylbewerber eine
> Ausbildung machen. In der Praxis scheitert das oft an der Auslegung.
Bild: Flüchtlinge lernen in Ingolstadt den Umgang mit einem Schweißbrenner
Berlin taz | Der 28-jährige Afghane war schon einige Jahre in Deutschland.
Sein Asylantrag war abgelehnt worden, aber er war geduldet, besaß eine
befristete Arbeitserlaubnis und arbeitete in einer Bäckerei im Allgäu. Er
wollte eine Bäckerlehre machen, um seine Bleibeperspektive zu verbessern.
Doch die zuständige Ausländerbehörde lehnte den Antrag auf eine
Ausbildungserlaubnis ab, erzählt Stephan Dünnwald, Sprecher des bayerischen
Flüchtlingsrats. Afghanistan gilt inzwischen als Land, in das man
Flüchtlinge abschieben kann.
Der junge Afghane bekam Angst und reiste Richtung Frankreich. Er wurde an
der Grenze kontrolliert, kam in Deutschland in Haft, dann in die
Psychiatrie. Er wurde zur Abschiebung auf einen Flieger nach Kabul gebucht,
was das Bundesverfassungsgericht stoppte. Jetzt sitzt der Mann, der zuvor
Arbeit und eigene Wohnung hatte, depressiv in einem Flüchtlingsheim in der
Nähe seines früheren Arbeitgebers im Allgäu. Arbeiten darf er nicht mehr.
Der junge Mann ist ein Beispiel dafür, wie die Willkür einer
Ausländerbehörde Menschenleben beschädigen kann, übrigens auf Kosten der
Allgemeinheit. Dabei sollte das Integrationsgesetz, seit August 2016 in
Kraft, Ausbildung und Beschäftigung gerade für Geflüchtete mit Duldung
erleichtern.
Das Integrationsgesetz gesteht Flüchtlingen, die im Asylverfahren nicht
anerkannt wurden, aber eine Duldung haben und einen Ausbildungsplatz
finden, für drei Jahre einen sicheren Aufenthaltsstatus zu. Nach der
Ausbildung können sie als Beschäftigte mindestens zwei Jahre bleiben. Das
Problem: Es gibt einen Ermessensspielraum der Ausländerbehörden, die
regional unterschiedlich agieren.
In Bayern beispielsweise verweigerten die Ausländerbehörden in der Regel
die Ausbildungserlaubnis, wenn das Asylverfahren noch laufe, berichtet
Dünnwald. Werde der Flüchtling abgelehnt und erhalte nur eine Duldung, gebe
es erst recht keine Ausbildungserlaubnis mehr. Ein Erlass des bayerischen
Ministeriums aus dem September 2016 betont, dass „aufenthaltsbeendende
Maßnahmen“ bei Geduldeten Vorrang haben müssten vor einer Ausbildung.
Dieser Erlass wurde allerdings mit Folgeschreiben etwas abgemildert. Und
einige örtliche Ausländerbehörden sind liberaler.
„Man braucht eine funktionierende Zusammenarbeit zwischen den örtlichen
Unternehmen, der Berufsschule und den Behörden“, sagt Werner Nagler,
Koordinator am Berufsschulzentrum Schwandorf in Bayern. Die Schule hat eine
„Metallklasse“ mit 15 Flüchtlingen, darin auch Afghanen mit Duldung. Sie
gehen beim ortsansässigen Maschinenbauunternehmen Horsch in die Lehre und
wohnen in einem Haus zusammen. Es klappt gut. Das örtliche Bauhandwerk habe
Interesse an ähnlichen Ausbildungsgängen angemeldet, sagt Nagler.
## 8 von 30 bekommen einem Ausbildungsvertrag
Funktionierende Projekte vor Ort können die Rettung sein für Geflüchtete
mit Duldung. Aber die Duldung hängt dann auch am Ausbildungsplatz. Im
hessischen Waldeck-Frankenberg koordiniert Friedrich Schüttler bei der
Innung für das Bauhandwerk ein Projekt mit Geflüchteten. Von 30 Leuten in
der Vorqualifikation schafften es acht zu einem Ausbildungsvertrag. Man
dürfe die Menschen nicht zu früh von der Vorqualifikation in die Ausbildung
bringen, weil sie ohne ausreichende Deutschkenntnisse dann die Berufsschule
nicht schafften, warnt Schüttler. Wer die Ausbildung abbricht, hat ein
halbes Jahr Zeit, sich eine neue Lehrstelle zu suchen. Sonst erlischt die
Duldung.
Leichter ist es, wenn ein Flüchtling auch für die Dauer einer
berufsvorbereitenden Maßnahme eine Duldung bekommt. Das ist etwa in Hamburg
der Fall. Dort werden Vorqualifikationen mitgezählt, sagt Gesine
Keßler-Mohr von der Handwerkskammer Hamburg. Geflüchtete können hier
außerdem auch dann schon eine Ausbildungserlaubnis bekommen, wenn das
Asylverfahren noch läuft.
Bei abgelehnten Asylsuchenden mit Ausreisepflicht gilt eine Lehrstelle als
fast einziger Weg, doch eine dauerhafte Bleibeperspektive zu bekommen. Doch
das Hü und Hott der Politik schafft Unruhe. Die Bilder von Abschiebungen
nach Kabul ängstigen Tausende afghanischer Flüchtlinge, die derzeit an
schulischen oder berufsvorbereitenden Maßnahmen teilnehmen. Werner Nagler
stellt fest: „Ein Mensch, der Angst hat, kann nicht lernen“.
12 Apr 2017
## AUTOREN
Barbara Dribbusch
## TAGS
Geflüchtete
Ausbildung
Integrationsgesetz
Duldung
Schwerpunkt Afghanistan
Geflüchtete
Flüchtlinge in Niedersachsen
Schwerpunkt Flucht
Integration
Schweden
Freistaat Bayern
Integrationsgesetz
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