| # taz.de -- Abschiebungen aus Schweden: „Man kippt sie einfach in Kabul ab“ | |
| > Schweden deportiert rund 20 junge Afghanen in ihr Heimatland. | |
| > Menschenrechtler kritisieren das Vorgehen scharf. | |
| Bild: Polizisten begleiten in Malmö ankommende Flüchtlinge zum Camp in Bahnho… | |
| Stockholm taz | „Eine Schande für Schweden ist das“, sagt Kinna Skoglund, | |
| als sich der von mehreren Polizeiautos eskortierte blaue Bus am | |
| Dienstagabend kurz vor 19 Uhr in Bewegung setzt. Zusammen mit rund | |
| einhundert anderen DemonstrantInnen hatte die Sprecherin des Netzwerks „Vi | |
| står inte ut“ („Wir halten das nicht aus“) den ganzen Tag in Kållered v… | |
| dem Gelände der Ausländerbehörde „Migrationsverket“ protestiert. | |
| Kurzer Tumult entsteht, die Polizei öffnet die Sperren. Einige versuchen, | |
| den Bus zu stoppen, werden von berittener Polizei zurückgedrängt. Menschen | |
| schreien. „Ein Schulkamerad von mir sitzt da drin“, schluchzt Samir, „beim | |
| nächsten Mal bin ich es vielleicht. Die dürfen uns nicht zurückschicken. | |
| Wir können nicht zurück, es ist doch lebensgefährlich.“ | |
| Am Wochenende war bekannt geworden, dass am Dienstag unter Regie der | |
| EU-Agentur Frontex eine neue Abschiebung nach Kabul stattfinden sollte, für | |
| Flüchtlinge, deren Asylantrag in Schweden abgelehnt worden war. Rund 20 | |
| junge Afghanen, die teilweise als alleinreisende Jugendliche vor ein- bis | |
| zweieinhalb Jahren ins Land gekommen waren, waren in das bei Göteborg | |
| liegende Lager Kållered gebracht worden. | |
| Mit 14 von ihnen habe man Kontakt gehabt, berichtet Skoglund: „Sie sprechen | |
| Schwedisch, sind ambitioniert, teilweise Musterschüler, haben beste | |
| Voraussetzungen, eine wertvolle Ressource für unsere Gesellschaft zu | |
| werden.“ Bei vielen hätte Migrationsverket das „amtliche“ Alter auf übe… | |
| Jahre hochgesetzt – minderjährige abgelehnte Asylbewerber werden derzeit | |
| nicht abgeschoben. Man wisse, dass die meisten keine Familie oder ein | |
| Netzwerk in Afghanistan hätten, einige hätten vor ihrer Flucht lange in | |
| Iran oder anderen Ländern gelebt: „Man kippt sie einfach in Kabul ab.“ | |
| Mehr als 35.000 unbegleitete Minderjährige waren 2014 und 2015 nach | |
| Schweden gekommen, bevor Stockholm die Grenzen dicht machte, 23.000 aus | |
| Afghanistan. Laut einer Studie der Universität Upsala zeigen 76 Prozent der | |
| untersuchten unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge posttraumatische | |
| Stresssymptome, ein Drittel habe aktive Selbstmordgedanken. Eine offizielle | |
| Statistik gibt es nicht, aber laut Vi står inte ut haben sich in den | |
| letzten drei Monaten mindestens sieben minderjährige Flüchtlinge das Leben | |
| genommen. Der letzte am Montag. „Sie sterben lieber, als zurückzumüssen“, | |
| sagt Skoglund. | |
| „Kein Mensch ist illegal“, schallt es am Dienstagabend auch durch die | |
| Abflughalle des Flughafens Göteborg-Landvetter. Auch dort haben sich zwei | |
| Dutzend DemonstrantInnen versammelt. Um 21.55 Uhr hebt die Maschine mit den | |
| zwangsweise Abgeschobenen nach Wien und von dort zum Weiterflug nach Kabul | |
| ab. Zehn Afghanen sind an Bord. Für die anderen konnte die Abschiebung in | |
| letzter Minute gerichtlich verhindert werden. „Morgen kämpfen wir weiter“, | |
| verspricht Kinna Skoglund. | |
| 29 Mar 2017 | |
| ## AUTOREN | |
| Reinhard Wolff | |
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