| # taz.de -- Drohende Abschiebung nach Afghanistan: Rettung ins Synagogen-Asyl | |
| > Weil eine Abschiebung aus Hamburg nach Afghanistan droht, gewährt eine | |
| > schleswig-holsteinische Synagoge einem jungen Afghanen Schutz. | |
| Bild: Kein Zufluchtsort: der Innenhof von Afghanistans letzter Synagoge | |
| hamburg taz | Mobin N. sitzt im Synagogen-Asyl und hat Angst, nach | |
| Afghanistan abgeschoben zu werden. Abgeschoben in das Land, in dem er als | |
| Jude verfolgt und im Kindesalter von einflussreichen Männern dazu gezwungen | |
| wurde, sich als sogenannter „Tanzjunge“ Frauenkleider anzuziehen und sich | |
| zu schminken. Immer wieder wurde er sexuell missbraucht. Diese Praxis gilt | |
| als afghanische Form der Kinderprostitution. Dass Mobin N. sie über sich | |
| ergehen lassen musste, ist mittlerweile sieben Jahre her. Doch sein Anwalt | |
| Björn Stehn befürchtet, dass der rot-grüne Hamburger Senat den heute | |
| 24-Jährigen wieder zurück nach Afghanistan abschieben will. | |
| Stehn ist überzeugt, dass sein Mandant am 22. Februar mit einer | |
| bundesweiten Sammelabschiebung nach Afghanistan geschickt werden sollte. | |
| Doch so weit kam es nicht. Das Asyl in einer schleswig-holsteinischen | |
| Synagoge verschaffte Mobin N. vorerst Sicherheit. | |
| „Es ist bekannt, dass Juden in Afghanistan keine Chance haben“, sagt Anwalt | |
| Stehn. Seit die Taliban in Afghanistan die Macht übernahmen, wurden fast | |
| alle Juden vertrieben. Offiziell gibt es heute noch einen Juden in | |
| Afghanistan – den Mann, der in Kabul die Synagoge betreut. „Es ist ein | |
| Skandal, dass sowohl das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge als auch | |
| die Hamburger Ausländerbehörde wussten, dass es sich bei Mobin N. um einen | |
| Juden handelt, sie ihn aber trotzdem abschieben wollten“, findet Stehn. | |
| Die Ausländerbehörde dementiert, dass N. nach Afghanistan abgeschoben | |
| werden sollte. „Die konkrete Planung, einen Juden nach Afghanistan | |
| abzuschieben, hat es nicht gegeben“, sagt der Sprecher der Ausländerbehörde | |
| Matthias Krumm. | |
| ## Fahndung, aber keine Abschiebung? | |
| Mobin N.s Mitbewohner in der Flüchtlingsunterkunft hatte dem Anwalt und | |
| Mitarbeitern der unabhängigen Asylberatungsstelle „Café Exil“ berichtet, | |
| dass Polizisten am 19. Februar in der Unterkunft nach Mobin N. gesucht | |
| hatten. Wenn die Duldung abgelaufen gewesen sei, habe er keinen | |
| Aufenthaltstitel in Deutschland mehr gehabt, sagt der Sprecher der | |
| Ausländerbehörde. „Deshalb wurde nach der Person gefahndet.“ | |
| Es gebe deutliche Hinweise auf eine geplante Abschiebung, ist dagegen Stehn | |
| überzeugt. Seit anderthalb Jahren dürfen Ausländerbehörden über | |
| Abschiebungen nicht mehr informieren. „Ich habe die Akten eingesehen und | |
| die Seiten, die sich auf den Vorgang um den 22. Februar beziehen, waren | |
| geschwärzt“, sagt der Anwalt. „Der einzige Grund, dass diese Passagen nicht | |
| zur Akteneinsicht freigegeben waren, ist, dass sie sich auf eine | |
| Abschiebung beziehen.“ Dass die Polizei in der Unterkunft war, deutet für | |
| den Anwalt darauf hin, dass Mobin N. in Ausreisegewahrsam gebracht werden | |
| sollte. | |
| Um eine drohende Abschiebung zu verhindern, läuft jetzt ein Eilverfahren | |
| beim Hamburger Verwaltungsgericht. Wolfgang Seibert von der jüdischen | |
| Gemeinde Pinneberg hält das Vorgehen der Hamburger Behörde für ein Unding. | |
| „Ich halte alle Abschiebungen nach Afghanistan für inakzeptabel“, sagt er. | |
| „Aber dass sogar ein Jude dorthin abgeschoben werden soll, ist ein | |
| politischer Skandal.“ | |
| ## Fluchtgründe werden nicht geprüft | |
| Der Fall offenbart für Anwalt Stehn ein noch viel grundsätzliches Problem: | |
| In den letzten Jahren hätten sich die Behörden gar nicht für die | |
| persönliche Fluchtgründe interessiert – und immer wieder auf die | |
| Dublin-Regelung verwiesen, wonach das Land über das ein Flüchtling Europa | |
| betreten hat, für das Asylverfahren zuständig ist. Das habe dazu geführt, | |
| dass Mobin N. bis heute kein inhaltliches Asylverfahren bekommen hat, in | |
| dem seine individuellen Asylgründe geprüft worden wären. Das einzige, was | |
| der 24-Jährige in der Hand hatte, war eine Duldung, die aber am 20. Februar | |
| hätte verlängert werden müssen. | |
| Für Stehn belegt dieser Fall, dass es einen generellen Abschiebestopp nach | |
| Afghanistan geben muss, weil die vom Senat versprochene Einzelfallprüfung | |
| nicht funktioniere. | |
| 22 Mar 2017 | |
| ## AUTOREN | |
| Lena Kaiser | |
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