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# taz.de -- Abschiebung von Gefährdern: „Beachtliches Risiko“ genügt
> Das Bundesverwaltungsgericht hat geklärt, wann gewaltbereite Islamisten
> Deutschland verlassen müssen. Die Richter hängen die Latte niedrig.
Bild: Die Absicht genügt: Auch ohne Anschlagsvorbereitungen dürfen Islamisten…
Freiburg taz | Islamistische Gefährder können relativ einfach abgeschoben
werden. Das geht aus einem Urteil hervor, das das Bundesverwaltungsgericht
(BVerwG) jetzt veröffentlichte.
Vergangene Woche entschied das BVerwG, dass zwei Göttinger Islamisten – ein
Algerier und ein Nigerianer – sofort abgeschoben werden können, weil von
ihnen eine „terroristische Gefahr“ ausgeht. Niedersachsens Innenminister
Boris Pistorius (SPD) hatte die Abschiebung Mitte Februar angeordnet. Er
ist der erste Innenminister, der das 2004 eingeführte Instrument der
„Abschiebungsanordnung“ offensiv nutzt. Paragraf 58a des
Aufenthaltsgesetzes erlaubt bei einer „besonderen Gefahr“ für die innere
Sicherheit oder einer „terroristischen Gefahr“ eine sofortige Abschiebung,
auch wenn eigentlich ein Aufenthaltsrecht besteht.
Die Leipziger Richter definierten nun, was unter einer „terroristischen
Gefahr“ zu verstehen ist. Hierfür genüge es, wenn aufgrund „tatsächlicher
Anhaltspunkte“ ein „beachtliches Risiko“ dafür vorliege, dass der Auslä…
einen terroristischen Anschlag verübt. Die befürchtete Entwicklung müsse
nicht wahrscheinlicher sein als ihr Ausbleiben.
Damit sind die Anforderungen an eine „Gefahr“ deutlich niedriger als im
klassischen Polizeirecht. Die Richter rechtfertigen dies damit, dass sich
ein Terroranschlag „ohne großen Vorbereitungsaufwand und mit allgemein
verfügbaren Mitteln jederzeit und überall verwirklichen“ lasse.
So könne ein Gefährder sofort abgeschoben werden, wenn er „fest
entschlossen sei“, in Deutschland einen Anschlag „mit niedrigem
Vorbereitungsaufwand“ zu begehen. Es sei weder erforderlich, dass er mit
Vorbereitungshandlungen begonnen habe, noch dass er eine konkrete
Vorstellung von Ort, Zeit, Tatmittel und Ziel des Anschlags habe.
Möglich sei aber auch die Abschiebung eines gewaltbereiten und „auf
Identitätssuche befindlichen“ Ausländers, der sich in besonderem Maß mit
radikal-extremistischem Islamismus identifiziert und sich mit
Gleichgesinnten regelmäßig austauscht.
Einschränkend betonten die Leipziger Richter jedoch, dass stets eine
„umfassende Würdigung“ der Persönlichkeit des Ausländers erforderlich is…
Die terroristische Gefahr müsse auch von ihm persönlich ausgehen. Bloße
Mitläufer können so also nicht abgeschoben werden. Außerdem soll die
Gefahrprognose voll gerichtlich überprüfbar sein.
Angst vor Folter in Algerien
Im konkreten Fall des 27-jährigen Algeriers hielt das BVerwG die
Abschiebungsanordnung für rechtmäßig. Der Göttinger sei der
radikal-islamistischen Szene zuzurechnen. Er habe Kontakt zu einer
salafistischen Gruppe mit dschihadistischer Tendenz. Er sympathisiere mit
dem IS, sei gewaltbereit und habe mehrfach (im privaten Bereich)
Gewalttaten mit Waffen angedroht.
Die Abschiebung nach Algerien sei verhältnismäßig, obwohl der Mann in
Deutschland geboren und aufgewachsen ist und sein „Heimatland“ nur von
Besuchen kennt. Er habe aber angekündigt, nicht in Deutschland bleiben zu
wollen, sondern in den nächsten fünf Jahren nach Algerien oder ein anderes
„islamisches Gebiet“ zu ziehen. Gegen die Abschiebung hatte der Mann
geklagt, weil er fürchtet, als Islamist in Algerien gefoltert zu werden.
Die Richter hielten die Gefahr zwar für „gering“. Als Bedingung für die
Abschiebung forderten sie aber dennoch eine Zusicherung der algerischen
Regierung, dass der Mann nicht gefoltert wird. Dies könnte die Abschiebung,
die Minister Pistorius „bis Ostern“ angekündigt hatte, noch verzögern.
Das Urteil zu dem nigerianischen Islamisten ist noch nicht veröffentlicht.
Doch auch in seinem Fall hielt das BVerwG die Abschiebung für rechtmäßig.
Unterdessen hat der Bremer Innensenator Ulrich Mäurer (SPD) angekündigt,
dass er nun ebenfalls zwei Islamisten auf diesem Weg abschieben will, einen
Russen und einen weiteren Algerier. Ähnliche Ankündigungen aus anderen
Bundesländern dürften bald folgen.
26 Mar 2017
## AUTOREN
Christian Rath
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