# taz.de -- Urteil zu Geflüchteten in Schweden: Bleiben bis zum 108. Geburtstag | |
> Eine Afghanin wird laut einem Gerichtsurteil doch nicht abgeschoben – sie | |
> ist 106 Jahre alt. Doch die Abschiebung könnte dafür ihre Familie | |
> treffen. | |
Bild: Kritischer Gesundheitszustand: Die 106-jährige Geflüchtete Bibihal Uzbek | |
Stockholm taz | Zum „ältesten Flüchtling der Welt“ war Bibihal Uzbek von | |
Zeitungen ernannt worden. Amtliche Papiere weisen als Geburtsdatum den 9. | |
November 1910 und als Heimatort Zar Kharid in der afghanischen Provinz | |
Kundus aus. Nach einer monatelangen Flucht über den Iran, die Türkei, | |
Griechenland und die Balkanroute, bei der sie über weite Strecken von ihrem | |
67-jährigen Sohn und dem 21-jährigen Enkel auf dem Rücken getragen werden | |
musste, war sie Ende 2015 mit ihrer Familie nach Schweden gekommen. | |
Doch Schweden meint keinen Platz für die Greisin aus Afghanistan zu haben. | |
Im Sommer war ihr Asylantrag abgelehnt worden und das zuständige | |
„Migrationsverket“ ordnete die Ausweisung der 106-jährigen an. Hohes Alter | |
allein sei kein Bleibegrund konstatierte die Behörde und auch ihr | |
Gesundheitszustand kein Abschiebehindernis. Diese Entscheidung löste sowohl | |
in Schweden als auch im Ausland Empörung aus. | |
„Ist es für Schweden wirklich so unmöglich, dieser Frau ein würdiges | |
Lebensende bei uns zu ermöglichen“, fragte ihre Anwältin Farzaneh Dehdari | |
und erhob Klage vor dem Verwaltungsgericht in Göteborg. | |
Das sieht in einer am Mittwoch ergangenen Entscheidung zwar auch keine | |
individuellen Asylgründe, hob aber den Ausweisungsbeschluss gegen Bibihal | |
Uzbek auf. Es sei nicht ersichtlich, wie eine Frau in diesem extrem hohen | |
Alter, die noch dazu nahezu blind und bewegungsunfähig sei, eine Reise nach | |
Afghanistan absolvieren solle. | |
## Labiler Gesundheitszustand | |
Vielmehr bestehe ein erhebliches Risiko, dass sich ihr höchst labiler | |
Gesundheitszustand verschlechtern könne. Abgesehen davon würde es für sie | |
auch keine Möglichkeit geben in Afghanistan zurechtzukommen. | |
Unter humanitären Gesichtspunkten wäre es deshalb „geradezu anstößig“ i… | |
die Rückkehr in ihr Heimatland zuzumuten. Der gegen sie ergangene | |
Ausweisungsbeschluss wird vom Gericht als „unmenschliche und erniedrigende | |
Behandlung“ und als Verstoß gegen Artikel 3 der Europäischen | |
Menschenrechtskonvention charakterisiert. | |
„Darauf hatten wir gehofft“, freut sich Anwältin Dehdari. Allerdings gibt | |
es neben Licht auch Schatten. Das Gericht räumt erst einmal nur ein | |
13-monatiges Bleiberecht ein und das auch nur für Bibihal Uzbek persönlich | |
und nicht für ihre restliche Familie. Ihre Verwandten sind bislang | |
ebenfalls von einem Ausweisungsbeschluss betroffen. | |
Nun bekam das Migrationsverket vom Gericht die Auflage, darüber eine neue | |
Entscheidung zu treffen. Vorsichtshalber wird der Behörde von den | |
RichterInnen aber noch eine ausdrückliche Anleitung mit an die Hand | |
gegeben, damit nicht erneut ein Menschenrechtsverstoß herauskommt. | |
Es sei wohl angebracht aufgrund Uzbeks Situation auch der Familie ein | |
13-monatiges Bleiberecht – mit einer anschließenden | |
Verlängerungsmöglichkeit – zu gewähren. Ob das beim Amt verstanden wird? | |
Fortsetzung folgt. | |
5 Oct 2017 | |
## AUTOREN | |
Reinhard Wolff | |
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